06.10.2025

Gütevorschlag macht Richter nicht befangen

Ein Richter, der mit rechtlichen Erwägungen auf Bedenken gegen die Begründetheit der Klage hinweist und ein Güterichterverfahren vorschlägt, kann deswegen nicht wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

OLG Brandenburg v. 2.7.2025 - 1 W 31/25
Der Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt die Beklagte u.a. auf Rückauflassung eines Grundstücks in Anspruch, nachdem sie den Widerruf der zuvor erfolgten Schenkung wegen groben Undanks erklärt hat.

Mit Verfügung vom 7.11.2024 bestimmte der Vorsitzende Termin zur mündlichen Verhandlung für den 26.1.2026, wies darauf hin, aufgrund welcher rechtlichen Erwägungen die Klage unbegründet sein dürfte und schlug den Parteien zugleich die Durchführung einer Güterichterverhandlung vor. Die Zustellung der Klageerwiderung ist nicht verfügt worden.

Die Beklagte teilte mit, dass sie der Durchführung eines Güterichterverfahrens im Hinblick auf die Vorhaltungen der Klägerseite sowie die eindeutige Rechtslage nicht zustimme. Die Klägerin lehnte sodann die gesamte Kammer, hilfsweise den Vorsitzenden, wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung führte sie aus, der frühzeitig und noch vor der Klageerwiderung erfolgte Hinweis der Kammer, lasse schon für sich genommen den Eindruck der Voreingenommenheit entstehen. Er sei zudem als Ratschlag an die Beklagte zu verstehen, sich nicht auf eine Güterichterverhandlung einzulassen. Zum Hilfsantrag führt sie aus, dass der Vorsitzende der Kammer nach ihren Recherchen im Jahr 2007 an derselben Universität promoviert habe, an welcher der Beklagtenbevollmächtigte in den Jahren 2005 und 2006 einen Lehrauftrag innegehalten habe. Die beiden seien gemeinsam und zeitgleich wissenschaftlich tätig gewesen, was ebenfalls die Besorgnis der Befangenheit rechtfertige.

Das LG wies das Ablehnungsgesuch zurück. Das OLG hat die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen diesen Beschluss zurückgewiesen.

Die Gründe:
Die von der Klägerin vorgebrachten Ablehnungsgründe rechtfertigen nicht die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter. Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen.

Nach allgemeiner Auffassung kann die Ablehnung grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden. Denn im Ablehnungsverfahren geht es allein um die Parteilichkeit des Richters und nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen, deren Überprüfung allein dem Rechtsmittelgericht vorbehalten ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur dann geboten, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen Grundsätzen entfernen, dass sie aus der Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken.

An diesem Maßstab gemessen liegen keine objektiven Gründe vor, welche aus Sicht eines vernünftigen und besonnenen Betrachters Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richter rechtfertigen.

1) Dies gilt zunächst im Hinblick auf den mit der Terminverfügung vom 07.11.2024 erteilten Hinweis, dass die Klage unbegründet sein dürfte. Mit dem erteilten Hinweis ist die Kammer lediglich ihrer in § 139 ZPO normierten Hinweispflicht nachgekommen. Der in seiner Form hinreichend konkrete, sachgerechte und zugleich distanzierte Hinweis zur Rechtsauffassung der Kammer stellt zweifelsohne eine vertretbare Ausübung der Aufklärungs- und Hinweispflichten dar. Entgegen der Auffassung der Klägerin vermag eine ruhig und besonnen urteilende Partei bei vernünftiger Betrachtung dem Hinweis insbesondere nicht den "Ratschlag" an die Beklagtenseite zu entnehmen, die mit gleicher Verfügung vorgeschlagene Durchführung eines Güterichterverfahrens abzulehnen.

Auch der Umstand, dass die Klageerwiderung nicht bereits mit der Ladung zum Termin vom 7.11.2024, sondern erst im weiteren Verlauf des Verfahrens an die Klägerseite zugestellt worden ist, gibt keinen Anlass, an der Unvoreingenommenheit der abgelehnten Richter zu zweifeln. Anhaltspunkte dafür, dass es sich nicht um ein bloßes Versehen handelt, sind nicht ersichtlich. Insbesondere stehen die in der elektronischen Gerichtsakte dokumentierten Vorgänge der klägerseits geäußerten Mutmaßung entgegen, der Schriftsatz sei zielgerichtet unterdrückt oder gar zurückdatiert worden.

2) Soweit die Klägerin ein Näheverhältnis zwischen dem abgelehnten Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. ... und dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zum Gegenstand ihres Ablehnungsgesuchs macht, kann sie auch damit nicht gehört werden.

Im Regelfall reicht etwa eine bloße Bekanntschaft oder auch eine lockere Freundschaft nicht aus, um aus der Sicht eines Verfahrensbeteiligten bei vernünftiger Würdigung an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln; dagegen können über das übliche Maß persönlicher oder kollegialer Bekanntschaft hinausgehende freundschaftliche Beziehungen oder gar eine enge Freundschaft zwischen Richter und Partei Umstände sein, die Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters begründen können.

An entsprechenden Anhaltspunkten fehlt es hier indes. So ist schon dem Vortrag der Klägerin kein Sachverhalt zu entnehmen, der auf ein Näheverhältnis des Vorsitzenden Richters und des Beklagtenvertreters hindeutet. Allein die - noch dazu zeitlich versetzte - Tätigkeit in verschiedenen Funktionen an ein und derselben Universität vermögen ein solches Näheverhältnis jedenfalls nicht zu belegen und geben damit einem objektiven Dritten keinen Anlass dazu, an der Unvoreingenommenheit des Vorsitzenden zu zweifeln.

3) Gleiches gilt hinsichtlich der mit der Beschwerdebegründung erfolgten Ablehnung der Richterin ... Insoweit fehlt es schon an einem nachvollziehbaren Vortrag dazu, woraus sich ein über den bloßen beruflichen Kontakt hinausgehendes Verhältnis der Richterin zum Beklagtenvertreter ergeben könnte. Der bloße Umstand, dass sich nach ihrem LinkedIn-Profil "Kontakte in Richtung Anwaltschaft der Beklagten" nicht ausschließen lassen, genügt in Ansehung des vorgenannten Maßstabs erkennbar nicht.

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Link zum Volltext der Entscheidung

Weitere Rechtsprechung:
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OLG Jena vom 16.06.2025 - 1 WF 38/25
MDR 2025, 1288

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