Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten i.R.d. Verkaufs eines gebrauchten Pkw auf einem Parkplatz
OLG Celle v. 28.2.2025 - 14 U 183/24
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um einen VW T 6 Multivan, der dem Kläger von einem Nichtberechtigten verkauft wurde. Die Beklagte betreibt eine Autovermietung, bei der der Nichtberechtigte das Fahrzeug lediglich gemietet hatte. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Herausgabe des Fahrzeugs.
Das LG gab der Klage statt. Der Kläger habe von dem nichtberechtigten Verkäufer S. D. gutgläubig gemäß § 932 BGB das Eigentum an dem Pkw erworben.
Die Beklagte ist der Ansicht, das LG habe nicht berücksichtigt, dass eine Häufung sog. Verdachtsmomente ausreiche, um die Pflicht auszulösen, sich der Eigentümerstellung des Verkäufers zu vergewissern. So habe ein Zweitschlüssel aufgrund eines angeblichen Urlaubs des Bruders gefehlt. Dem Kläger hätte zudem spätestens bei Besichtigung des Fahrzeuges auffallen müssen, dass abweichend von der Anzeige kleinere Schäden vorhanden gewesen seien und die im Foto erkennbare Chromzierleiste gänzlich gefehlt habe. Auch die gefälschten Zulassungsbescheinigungen, Teil I und II, hätten einen verständigen Menschen, auch einen Laien, zu der Frage veranlassen müssen, ob das in Angriff genommene Geschäft wirklich das sei, was es zu sein vorgebe. Zwar seien die Fälschungen von höherer Qualität, dennoch hätte man erkennen können, dass verschiedene Schriftarten zum Ausfüllen der Zulassungsbescheinigung Teil II verwendet worden und dass Siegelung und Aussteller der Zulassungsbehörde unterschiedlich seien.
Das OLG hat die Berufung zurückgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Obwohl das Fahrzeug unstreitig nicht Herrn S. D. gehörte, hat der Kläger dennoch gutgläubig Eigentum gem. § 932 BGB hieran erworben, da die Beklagte ohne Erfolg eine fehlende Gutgläubigkeit des Klägers einwendet.
Nach der Rechtsprechung des BGH müssen dem Erwerber "beim Erwerb der Sache Umstände bekannt gewesen sein, die mit auffallender Deutlichkeit dafür sprachen, dass der Veräußerer nicht Eigentümer bzw. nicht Verfügungsberechtigter war."
Im Falle des Erwerbs eines gebrauchten Fahrzeugs - wie hier - begründet nach der Rechtsprechung des BGH der Besitz des Fahrzeugs allein noch nicht den für den Gutglaubenserwerb nach § 932 BGB erforderlichen Rechtsschein. Vielmehr gehört es regelmäßig zu den Mindesterfordernissen für einen gutgläubigen Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeugs, dass sich der Erwerber den Kraftfahrzeugbrief bzw. die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen. Auch wenn der Veräußerer im Besitz des Fahrzeugs und des Briefs ist, kann der Erwerber gleichwohl bösgläubig sein, wenn besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese unbeachtet lässt. Eine allgemeine Nachforschungspflicht des Erwerbers besteht hingegen nicht.
Gemessen an dem Vorstehenden hat das LG zutreffend angenommen, dass der Kläger nicht grob fahrlässig gehandelt hat.
Dass das Fahrzeug bei Übergabe keine Chromzierleisten wie in dem Angebot aufwies, vermag keine grobe Fahrlässigkeit des Klägers zu begründen, insbesondere, weil diese bei dem auf dem Angebot abgebildeten Fahrzeug lediglich unten angebracht sind und dem Käufer somit in der konkreten Übergabesituation nicht ohne weiteres sofort ins Auge hätten fallen müssen.
Der Preis, zu welchem der Kläger das Fahrzeug erworben hat, war unstreitig für ein solches Fahrzeug üblich. Auch hat das LG zutreffend ausgeführt, dass der Kläger sich die wesentlichen Unterlagen zum Fahrzeug, insbesondere die beiden Zulassungsbescheinigungen, aushändigen lassen, die Dokumente eingesehen und die Fahrgestellnummer abgeglichen hat. Somit bestand für den Kläger zunächst kein Anlass zu einer weiteren Nachforschung. Zudem war sowohl im Fahrzeugbrief als auch im Fahrzeugschein der Veräußerer S. D. Genannt.
Insbesondere bestand hier deshalb kein Anlass zu einem Misstrauen, weil es sich bei den Papieren um im Nachhinein unbefugt bearbeitete Originaldokumente handelte, deren fehlende Echtheit selbst den bei der Sicherstellung eingesetzten Polizeibeamten nicht aufgefallen ist.
Auch hinsichtlich des Treffpunkts für die Übergabe des streitgegenständlichen Pkw war vorliegend nichts dafür ersichtlich, dass der Parkplatz aufgrund von Besonderheiten, etwa seiner Lage, den Kläger zu weiteren Nachforschungen hätte veranlassen müssen.
Zuzugeben ist der Beklagten jedoch, dass ein fehlender Zweitschlüssel ein Indiz für das Vorliegen grober Fahrlässigkeit sein kann. Die Angabe des Veräußerers, der Zweitschlüssel befinde sich bei seinem Bruder, der zurzeit im Urlaub sei, ist jedoch nicht derart abwegig, dass dies eine grobe Fahrlässigkeit des Klägers begründet, zumal dieser unstreitig mit dem Einbehalt eines Teilbetrages des Kaufpreises hierauf reagiert hat.
Anders als die Beklagte meint, lag hier somit gerade keine "Vielzahl kleinerer Auffälligkeiten" vor, die ein Misstrauen begründen musste.
Einem gutgläubigen Erwerb des Beklagten stand auch nicht die Vorschrift des § 935 Abs. 1 BGB entgegen. Demnach tritt der gutgläubige Erwerb des Eigentums bei einer Veräußerung gem. § 932 BGB nicht ein, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhandengekommen war. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Eigentümer den unmittelbaren Besitz an ihr unfreiwillig verliert.
Zutreffend hat das Landgericht insoweit angenommen, dass die Beklagte, indem sie das Fahrzeug vermietet hat, den unmittelbaren Besitz freiwillig aufgegeben hat.
Das LG hat somit zutreffend angenommen, dass die Beklagte als Besitzerin des streitgegenständlichen Pkw nach § 985 BGB verpflichtet ist, dieses mit den zugehörigen Fahrzeugpapieren an den Kläger als Eigentümer herauszugeben.
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Die Parteien streiten um einen VW T 6 Multivan, der dem Kläger von einem Nichtberechtigten verkauft wurde. Die Beklagte betreibt eine Autovermietung, bei der der Nichtberechtigte das Fahrzeug lediglich gemietet hatte. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Herausgabe des Fahrzeugs.
Das LG gab der Klage statt. Der Kläger habe von dem nichtberechtigten Verkäufer S. D. gutgläubig gemäß § 932 BGB das Eigentum an dem Pkw erworben.
Die Beklagte ist der Ansicht, das LG habe nicht berücksichtigt, dass eine Häufung sog. Verdachtsmomente ausreiche, um die Pflicht auszulösen, sich der Eigentümerstellung des Verkäufers zu vergewissern. So habe ein Zweitschlüssel aufgrund eines angeblichen Urlaubs des Bruders gefehlt. Dem Kläger hätte zudem spätestens bei Besichtigung des Fahrzeuges auffallen müssen, dass abweichend von der Anzeige kleinere Schäden vorhanden gewesen seien und die im Foto erkennbare Chromzierleiste gänzlich gefehlt habe. Auch die gefälschten Zulassungsbescheinigungen, Teil I und II, hätten einen verständigen Menschen, auch einen Laien, zu der Frage veranlassen müssen, ob das in Angriff genommene Geschäft wirklich das sei, was es zu sein vorgebe. Zwar seien die Fälschungen von höherer Qualität, dennoch hätte man erkennen können, dass verschiedene Schriftarten zum Ausfüllen der Zulassungsbescheinigung Teil II verwendet worden und dass Siegelung und Aussteller der Zulassungsbehörde unterschiedlich seien.
Das OLG hat die Berufung zurückgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Obwohl das Fahrzeug unstreitig nicht Herrn S. D. gehörte, hat der Kläger dennoch gutgläubig Eigentum gem. § 932 BGB hieran erworben, da die Beklagte ohne Erfolg eine fehlende Gutgläubigkeit des Klägers einwendet.
Nach der Rechtsprechung des BGH müssen dem Erwerber "beim Erwerb der Sache Umstände bekannt gewesen sein, die mit auffallender Deutlichkeit dafür sprachen, dass der Veräußerer nicht Eigentümer bzw. nicht Verfügungsberechtigter war."
Im Falle des Erwerbs eines gebrauchten Fahrzeugs - wie hier - begründet nach der Rechtsprechung des BGH der Besitz des Fahrzeugs allein noch nicht den für den Gutglaubenserwerb nach § 932 BGB erforderlichen Rechtsschein. Vielmehr gehört es regelmäßig zu den Mindesterfordernissen für einen gutgläubigen Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeugs, dass sich der Erwerber den Kraftfahrzeugbrief bzw. die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen. Auch wenn der Veräußerer im Besitz des Fahrzeugs und des Briefs ist, kann der Erwerber gleichwohl bösgläubig sein, wenn besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese unbeachtet lässt. Eine allgemeine Nachforschungspflicht des Erwerbers besteht hingegen nicht.
Gemessen an dem Vorstehenden hat das LG zutreffend angenommen, dass der Kläger nicht grob fahrlässig gehandelt hat.
Dass das Fahrzeug bei Übergabe keine Chromzierleisten wie in dem Angebot aufwies, vermag keine grobe Fahrlässigkeit des Klägers zu begründen, insbesondere, weil diese bei dem auf dem Angebot abgebildeten Fahrzeug lediglich unten angebracht sind und dem Käufer somit in der konkreten Übergabesituation nicht ohne weiteres sofort ins Auge hätten fallen müssen.
Der Preis, zu welchem der Kläger das Fahrzeug erworben hat, war unstreitig für ein solches Fahrzeug üblich. Auch hat das LG zutreffend ausgeführt, dass der Kläger sich die wesentlichen Unterlagen zum Fahrzeug, insbesondere die beiden Zulassungsbescheinigungen, aushändigen lassen, die Dokumente eingesehen und die Fahrgestellnummer abgeglichen hat. Somit bestand für den Kläger zunächst kein Anlass zu einer weiteren Nachforschung. Zudem war sowohl im Fahrzeugbrief als auch im Fahrzeugschein der Veräußerer S. D. Genannt.
Insbesondere bestand hier deshalb kein Anlass zu einem Misstrauen, weil es sich bei den Papieren um im Nachhinein unbefugt bearbeitete Originaldokumente handelte, deren fehlende Echtheit selbst den bei der Sicherstellung eingesetzten Polizeibeamten nicht aufgefallen ist.
Auch hinsichtlich des Treffpunkts für die Übergabe des streitgegenständlichen Pkw war vorliegend nichts dafür ersichtlich, dass der Parkplatz aufgrund von Besonderheiten, etwa seiner Lage, den Kläger zu weiteren Nachforschungen hätte veranlassen müssen.
Zuzugeben ist der Beklagten jedoch, dass ein fehlender Zweitschlüssel ein Indiz für das Vorliegen grober Fahrlässigkeit sein kann. Die Angabe des Veräußerers, der Zweitschlüssel befinde sich bei seinem Bruder, der zurzeit im Urlaub sei, ist jedoch nicht derart abwegig, dass dies eine grobe Fahrlässigkeit des Klägers begründet, zumal dieser unstreitig mit dem Einbehalt eines Teilbetrages des Kaufpreises hierauf reagiert hat.
Anders als die Beklagte meint, lag hier somit gerade keine "Vielzahl kleinerer Auffälligkeiten" vor, die ein Misstrauen begründen musste.
Einem gutgläubigen Erwerb des Beklagten stand auch nicht die Vorschrift des § 935 Abs. 1 BGB entgegen. Demnach tritt der gutgläubige Erwerb des Eigentums bei einer Veräußerung gem. § 932 BGB nicht ein, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhandengekommen war. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Eigentümer den unmittelbaren Besitz an ihr unfreiwillig verliert.
Zutreffend hat das Landgericht insoweit angenommen, dass die Beklagte, indem sie das Fahrzeug vermietet hat, den unmittelbaren Besitz freiwillig aufgegeben hat.
Das LG hat somit zutreffend angenommen, dass die Beklagte als Besitzerin des streitgegenständlichen Pkw nach § 985 BGB verpflichtet ist, dieses mit den zugehörigen Fahrzeugpapieren an den Kläger als Eigentümer herauszugeben.
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