07.07.2014

Haftungsquote beim Zusammenstoß zweier verkehrswidrig fahrender Radfahrer

Stößt eine Radfahrerin, die den Radweg einer bevorrechtigten Straße entgegen der Fahrtrichtung befährt, mit einem aus einem verkehrsberuhigten Bereich auf den Radweg einbiegenden Radfahrer zusammen, kann eine Haftungsquote von 2/3 zu Lasten des Radfahrers und 1/3 zu Lasten der Radfahrerin gerechtfertigt sein. Auch die Radfahrerin muss in solchen Fällen eine Fahrweise wählen, bei der sie einem für sie von links kommenden Fahrzeug noch ausweichen kann.

OLG Hamm 6.6.2014, 26 U 60/13
Der Sachverhalt:
Die zum Unfallzeitpunkt 59 Jahre alte Klägerin war im September 2010 auf dem Fahrradweg neben einer Straße entgegen der Fahrtrichtung gefahren. Der seinerzeit 14 Jahre alte Beklagte kam mit seinem Fahrrad aus einem verkehrsberuhigten Bereich, um nach rechts auf den Radweg abzubiegen. Im Einmündungsbereich beider Straßen stießen die Fahrräder zusammen.

Die Klägerin stürzte und zog sich einen Bruch des Schienbein- und des Wadenbeinkopfes zu. Vom Beklagten forderte sie später 100%igen Schadensersatz. Sie war der Ansicht, er habe den Unfall allein verschuldet. Er hätte schließlich damit rechnen müssen, dass Radfahrern auf der bevorrechtigten Straße, den Radweg in falscher Richtung befahren würden.

Das LG verurteilte den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen u.a. zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 1.000 €. Der Beklagte habe den Unfall verursacht, in dem er ohne ausreichend auf den vorfahrtberechtigten Verkehr zu achten, auf den Fahrradweg an der Straße eingebogen sei. Die Klägerin treffe ein Mitverschulden von 50 %, da sie den Fahrradweg in die falsche Fahrtrichtung benutzt habe. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG unter Berücksichtigung eines bereits von der Haftpflichtversicherung des Beklagten gezahlten Schmerzensgeldes von 4.500 € ein Schmerzensgeld von 3.000 € ausgesprochen.

Die Gründe:
Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Schadensersatz sowie Schmerzensgeld gem. §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB, § 253 Abs. 2 BGB i.H. einer Quote von 2/3.

Der Beklagte hatte den Unfall überwiegend verschuldet. Er hat gegen § 10 der Straßenverkehrsordnung verstoßen. Er hätte vom verkehrsberuhigten Bereich nur so auf die Straße einbiegen dürfen, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen werden konnte. Dem war er allerdings nicht nachgekommen, weil er die Klägerin durch sein unachtsames Einbiegen auf den Radweg zu Fall gebracht hatte.

Die Klägerin traf jedoch ein Mitverschulden, da sie den Radweg entgegen der Fahrtrichtung benutzt und so gegen § 2 Abs. 4 Straßenverkehrsordnung verstoßen hatte. Bei der Abwägung der beiderseitigen Verschuldens- bzw. Mitverschuldensbeiträge wog der Verkehrsverstoß des Beklagten allerdings schwerer als der der Klägerin. Dem gem. § 10 der Straßenverkehrsordnung verpflichteten Beklagten gegenüber hatte der gesamte fließende Verkehr der Straße Vorrang, auch ein den Radweg in verkehrter Richtung benutzender Radfahrer.

Das Mitverschulden der Klägerin trat aber nicht vollständig hinter das Verschulden des Beklagten zurück. Die Klägerin hätte die Gefahrensituation voraussehen können, nachdem sie den Radweg vorsätzlich in der für sie nicht freigegebenen Fahrrichtung befahren hatte. Ausgehend hiervon hätte sie nicht darauf vertrauen dürfen, dass ihr grundsätzliches Vorfahrtsrecht beachtet werde. Sie hätte sich vielmehr auch auf dessen Missachtung einstellen müssen, zumal der Einmündungsbereich der Straße wegen Bewuchses nur schlecht einsehbar war. Infolgedessen hätte sie eine Fahrweise wählen müssen, bei der sie einem für sie von links kommenden Fahrzeug hätte ausweichen können. Es war daher angemessen, ihr Mitverschulden mit 1/3 zu berücksichtigen.

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OLG Hamm PM v. 3.7.2014
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