14.10.2021

Hauserwerb per Zwangsversteigerung: Ausgeschlossene Eigenbedarfskündigung steht Sonderkündigungsrecht des Erstehers nicht entgegen

Der Ausübung des Sonderkündigungsrechts des Erstehers nach § 57a ZVG stehen, wenn die Zuschlagserteilung zu den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen erfolgt, Kündigungsbeschränkungen - hier: Ausschluss der Eigenbedarfskündigung -, die zwischen dem Mieter und dem vormaligen Eigentümer (Vermieter) vereinbart worden sind, nicht entgegen.

BGH v. 15.9.2021 - VIII ZR 76/20
Der Sachverhalt:
Der Beklagte ist seit Mai 2005 Mieter einer Eigentumswohnung in München. In § 15.5 des mit dem damaligen Eigentümer abgeschlossenen Mietvertrag ist u.a. folgende Vereinbarung enthalten:

"Eine Eigenbedarfskündigung durch den Vermieter ist ausgeschlossen."

Die Kläger erwarben die Wohnung nach Durchführung eines Zwangsversteigerungsverfahrens gegen den vormaligen Eigentümer mit Zuschlagsbeschluss vom 16.10.2018. Mit Schreiben vom 20.10.2018 erklärten sie gegenüber dem Beklagten die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs, da die Wohnung für den volljährigen Sohn benötigt werde. Der Beklagte macht u.a. die Bindung der Kläger an den vertraglichen Ausschluss der Eigenbedarfskündigung geltend.

AG und LG gaben der auf Räumung und Herausgabe gerichteten Klage statt. Die Revision des Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das LG hat im Ergebnis rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Kündigung der Kläger wegen Eigenbedarfs (§ 57a ZVG, § 573d Abs. 1, § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) wirksam ist und diesen daher gegen den Beklagten ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Eigentumswohnung zusteht (§ 546 Abs. 1, § 985 BGB). Der im Mietvertrag zwischen dem Beklagten und dem vormaligen Eigentümer vereinbarte Ausschluss einer Eigenbedarfskündigung steht dem vorliegend nicht entgegen, da das den Klägern als Ersteher zustehende Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG hierdurch nicht eingeschränkt ist.

Im Rahmen der Zwangsversteigerung tritt der Ersteher nach der gem. § 57 ZVG entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 566 BGB - wenn der Mietgegenstand an den Mieter überlassen wurde - in ein zwischen dem Voreigentümer und dem Mieter bestehendes Mietverhältnis ein. Der Ersteher ist allerdings gem. § 57a ZVG berechtigt, das Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zu kündigen. Die Kündigung ist aber ausgeschlossen, wenn sie nicht für den ersten Termin erfolgt, für den sie zulässig ist. Nach § 573d Abs. 1 BGB finden auf diesen Fall der außerordentlichen Kündigung mit gesetzlicher Frist - von dem hier nicht gegebenen Fall der Kündigung gegenüber Erben des Mieters abgesehen - zudem die Vorschriften der §§ 573, 573a BGB entsprechende Anwendung. Der Eintritt des Erstehers in das Mietverhältnis bewirkt grundsätzlich nicht, dass das gesetzlich vorgesehene Sonderkündigungsrecht aufgrund von mietvertraglichen Kündigungsausschlüssen oder -beschränkungen entfiele. Dies ergibt sich - anders als das LG meint - jedoch nicht aus einem Vergleich mit der Vorschrift des § 1056 Abs. 2 Satz 1 BGB.

Hiernach ist der Eigentümer, der nach dem Ende des Nießbrauchs in ein zwischen dem Nießbraucher und dem Mieter geschlossenen Vertrag eintritt, berechtigt, das Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zu kündigen. Über den in § 2135 BGB angeordneten Verweis auf die Bestimmung des § 1056 BGB gilt Entsprechendes beim Eintritt des Nacherben in ein zwischen dem Vorerben und dem Mieter abgeschlossenes Mietverhältnis. Zwar ist der Wortlaut des § 1056 Abs. 2 Satz 1 BGB nahezu mit demjenigen des § 57a ZVG identisch und es ist anerkannt, dass der nach § 1056 Abs. 1, § 2135 BGB eintretende Eigentümer bzw. Nacherbe an vertragliche Kündigungsbeschränkungen, die der Nießbraucher bzw. der Vorerbe mit dem Mieter vereinbart hat, nicht gebunden ist. Jedoch liegen den beiden Sonderkündigungsrechten in § 1056 Abs. 2 Satz 1 BGB einerseits und in § 57a ZVG andererseits unterschiedliche Eintritts- bzw. Erwerbsvorgänge zu Grunde. Denn im Falle der Zwangsversteigerung erwirbt der Ersteher das Eigentum nicht rechtsgeschäftlich, sondern kraft staatlichen Hoheitsakts durch den Zuschlag. Es kommt somit nicht darauf an, ob der Vollstreckungsschuldner dem Nießbraucher bzw. dem Vorerben gleichzustellen sei, da diesen Personen die "Rechtsmacht" fehle, über ihre Besitz- bzw. Eigentumszeit hinausgehende Bindungen zu Lasten Dritter einzugehen.

Vielmehr ergibt sich das unbeschränkte Bestehen des gesetzlichen Sonderkündigungsrechts daraus, dass im Falle der Zwangsversteigerung allein der Zuschlag Inhalt und Umfang des Eigentumserwerbs des Erstehers festlegt. Als privatrechtsgestaltender Hoheitsakt bestimmt der Zuschlagsbeschluss die Rechtsstellung des Erstehers und die Änderungen, die durch den Zuschlag an den Rechten der Beteiligten eintreten. Davon ist auch das Verhältnis des Erstehers zum Mieter erfasst. Der Ersteher tritt zwar nach § 57 ZVG, § 566 BGB in das Mietverhältnis ein. Dieser Eintritt wird jedoch dergestalt modifiziert, dass er "nach Maßgabe" u.a. des § 57a ZVG erfolgt. Während der nach § 566 BGB infolge einer Veräußerung in das Mietverhältnis eintretende Erwerber kündigungseinschränkende Vereinbarungen zwischen dem Mieter und dem vormaligen Eigentümer grundsätzlich gegen sich gelten lassen muss, gilt dies somit für den Ersteher, dessen Eintritt in das Mietverhältnis mit der Zubilligung eines gesetzlichen Sonder-kündigungsrechts einhergeht, nicht.

Denn das Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG zählt zu den - gem. § 82 ZVG in den Zuschlagsbeschluss aufzunehmenden - gesetzlichen Versteigerungsbedingungen. Die staatliche Eigentumsverleihung erfolgt grundsätzlich zu diesen im Zwangsversteigerungsgesetz geregelten Bedingungen. Sie liegen der Zuschlagserteilung zu Grunde und sind daher für die Bestimmung von Inhalt und Umfang des Eigentumserwerbs des Erstehers maßgebend. Das (quasi dingliche) Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG ist somit grundsätzlich Bestandteil des Eigentumserwerbs. Der Zuschlag zu den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen gibt dem Ersteher die öffentliche Gewähr, dass er dieses Sonderkündigungsrecht ausüben darf, und zwar mit der im Gesetz geregelten Wirkung, dass das Grundstück bzw. das Wohnungseigentum ohne Rücksicht auf besondere schuldrechtliche Gestaltungen "von der Mietlast frei wird". Die öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Zwangsversteigerungsgesetzes überlagern insoweit das Zivilrecht. Das außerordentliche Kündigungsrecht - als gesetzliche Versteigerungsbedingung und damit als notwendiger Bestandteil des Zuschlagsbeschlusses - kann folglich nicht durch eine - wie hier - vertragliche Vereinbarung zwischen dem Vollstreckungsschuldner und dem Mieter ausgeschlossen oder eingeschränkt werden.

Nach diesen Grundsätzen steht den Klägern hier ein uneingeschränktes Sonderkündigungsrecht zu. Denn der Zuschlag an sie erfolgte auf Grundlage der gesetzlichen Versteigerungsbedingungen. Zwar hat der Beklagte im Zwangsversteigerungsverfahren sein Mietrecht angemeldet und versucht, - abweichend von den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen - einen Ausschluss des Sonderkündigungsrechts zu erreichen. Dies hatte jedoch keinen Erfolg.
BGH online
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