15.11.2019

Herzschlag verwechselt: 500.000 € Schmerzensgeld für Geburtsschaden

Verwechselt ein Ärzteteam bei einer Geburt, bei der die Herzfrequenz des Kindes zunächst stark abfällt, jedoch einige Minuten später eine stabile Herzfrequenz im CTG angezeigt wird, diese mit der nicht angezeigten Herzfrequenz des Kindes und entsteht dem Kind dadurch ein schwerer Hirnschaden, stellt dies einen groben Behandlungsfehler dar, der zu einem erheblichen Schmerzensgeldanspruch des Kindes führt.

OLG Oldenburg v. 13.11.2019 - 5 U 108/18
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein 8-jähriges Mädchen. Bei ihrer Geburt erlitt sie infolge einer Sauerstoffunterversorgung einen schweren Hirnschaden. Sie ist schwerstbehindert und lebenslang auf fremde Hilfe angewiesen.

Zu der Schädigung war es gekommen, weil ca. 45 Minuten vor der Entbindung die Herzfrequenz des Kindes sehr stark abgefallen war (sog. Bradykardie). In diesem Zeitraum zeichnete indessen das CTG (sog. Wehenschreiber) für ca. 10 Minuten keinen Herzschlag auf, weder den des Kindes noch den der Mutter. Als nach 10 Minuten im CTG ein Herzschlag mit normgerechter Frequenz wieder erfasst werden konnte, hielten die Ärzte dies für den Herzschlag des Kindes in der Annahme, es habe sich wieder erholt. Tatsächlich handelte es sich allerdings um den Herzschlag der Mutter. Als man den Irrtum später bemerkte, war die Klägerin durch die Sauerstoffunterversorgung bereits erheblich geschädigt.

Das LG gab der Klage auf Schmerzensgeld recht. Die hiergegen gerichtete Berufung blieb vor dem OLG erfolglos.

Die Gründe:
Das Vorgehen der Ärzte stellt einen groben Behandlungsfehler dar. Der Klägerin steht ein Schmerzensgeld i.H.v. 500.000 € zu sowie die Übernahme vom sämtlichen folgenden Vermögensschäden, die kausal auf dem Hirnschaden der Klägerin beruhen.

Die behandelnden Ärzte hätten sich angesichts des Verdachts auf einen kindlichen Herzfrequenzabfall auf andere Weise davon überzeugen müssen, dass sich der Herzschlag des Kindes tatsächlich stabilisiert hat. Dies genügt bereits für die Haftung der Beklagten. Daher müssen weitere Vorwürfe gegen die Beklagte, wie die Verzögerung der Reanimation nach der Geburt, das Fehlen eines Beatmungsbeutels und die Verspätung des verständigten Notarztes um 10 Minuten, nicht weiter bewertet werden.
OLG Oldenburg PM vom 13.11.2019
Zurück