15.09.2021

Illegales Online-Glücksspiel: Spieler können Einsätze zurückfordern

Die Rückforderung von Einsätzen bei illegalen Online-Glücksspielen ist nicht nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Die Norm ist aus Gründen des Verbraucherschutzes teleologisch einzuschränken, um den mit § 4 Abs. 4, Abs. 1 GlüStV a.F. verfolgten gesetzgeberischen Willen nicht zu unterlaufen.

LG Aachen v. 13.7.2021 - 8 O 582/20
Der Sachverhalt:
Die Beklagte bot auf ihrer deutschsprachigen Internetseite Online-Glücksspiele mit gibraltarischer Lizenz an. Sie verfügte bis Oktober 2020 über keine Konzession für das Veranstalten und Vermitteln von Online-Glücksspielen in Deutschland.

Der in Deutschland wohnhafte Kläger nutzte zwischen April 2017 und September 2018 die Internetseite der Beklagten und nahm an Online-Glücksspielen (Casinospiele, keine Sportwetten) teil. Nach Saldierung mit Spielgewinnen verlor der Kläger insgesamt 21.735 Euro.

Der Kläger beantragte, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 21.735 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Das LG gab der Klage in vollem Umfang statt.

Die Gründe:
Die Klage ist zulässig. Die internationale Zuständigkeit des LG Aachen folgt aus Art. 18 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO. Auf den Sachverhalt ist außerdem nach Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO und Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO materielles deutsches Zivilrecht anzuwenden. Das Angebot der Beklagten war von Deutschland aus zugänglich, der Vermögensschaden des Klägers trat an dessen Wohnsitz in Deutschland ein.

Der Kläger hat einen Wertersatzanspruch gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 818 Abs. 2 BGB sowie einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB. Die Einzahlungen des Klägers erfolgten ohne Rechtsgrund, der Glücksspielvertrag ist gem. § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4, Abs. 1 GlüStV a.F. nichtig.

§ 4 GlüStV a.F. war im Zeitpunkt der Spieleinsätze durch den Kläger geltendes Recht und mit Unions- sowie Verfassungsrecht vereinbar. Die Beklagte hat gegen das Verbots- und Schutzgesetz des § 4 Abs. 4, Abs. 1 GlüStV a.F. verstoßen, indem sie trotz des bestehenden Verbotes dem Kläger die Möglichkeit einräumte, an dem Online-Glücksspiel teilzunehmen. Eine später erteilte Konzession für Online-Sportwetten hat keine rechtliche Bedeutung für diese Beurteilung. Daran ändert auch eine etwaige behördliche Duldung nichts, denn diese würde jedenfalls den Veranstalter nicht von der Verantwortung gegenüber dem Verbraucher entbinden.

Die Rückforderung ist nicht gem. § 817 Satz 2 Halbsatz 1 BGB ausgeschlossen. Selbst wenn der Kläger durch die Teilnahme an dem Glücksspielangebot der Beklagten gegen § 285 StGB verstoßen haben sollte, ist die Rückforderung nicht ausgeschlossen. Alles andere würde zu einem mit der Rechtslage nicht in Einklang zu bringenden Ergebnis führen. Es wäre widersprüchlich, würde man einerseits den gesetzgeberischen Willen zum Schutz des Verbrauchers anerkennen und andererseits eine Handlung des Verbrauchers, mit der er sich in gerade diese Gefahr begibt, vor der er geschützt werden sollte, zum Ausschluss des Anspruchs führen lassen. Zudem fehlt es an dem für § 285 StGB erforderlichen Tatbestandsvorsatz des Klägers. Denn dieser wusste nicht, dass es sich bei dem Online-Glücksspiel um ein unerlaubtes Angebot handelte.

Hintergrund:
Das LG Gießen hat mit Urteil vom 21.1.2021 (Az. 4 O 84/20) in einem Fall mit ähnlichem Sachverhalt entschieden, siehe dazu unsere Newsmeldung.

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