30.06.2025

Indizien für einen manipulierten Verkehrsunfall

Typisch für einen gestellten Verkehrsunfall sind etwa das Preissegment, das Alter und die Abnutzung bzw. die Vorschäden der beteiligten Fahrzeuge. Typisch für einen manipulierten Verkehrsunfall ist insbesondere, dass trotz beträchtlichen Schädigungspotenzials lediglich ein geringes Verletzungsrisiko besteht.

LG Mönchengladbach v. 7.6.2025 - 12 0 282/19
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte Ansprüche auf Schadensersatz aus einem vermeintlichen Verkehrsunfall vom 16.1.2019 geltend gemacht, bei dem es zu einer Beschädigung seines Fahrzeugs durch das vom Beklagten zu 2) gehaltene und bei der Beklagten zu 3) versicherte Fahrzeug gekommen sein soll. Der Kläger behauptete, dass das Beklagten-Fahrzeug beim Vorbeifahren gegen die linke Fahrzeugseite seines auf der rechten Straßenseite in Fahrrichtung geparkten Fahrzeugs gestoßen sei. Das klägerische Fahrzeug aus dem gehobenen Preissegment war zum Unfallzeitpunkt über 12 Jahre alt und wies einen tatsächlichen Kilometerstand von 220.000 km auf.

Mit klägerischen Anwaltsschreiben vom 28.1.2019 wurde die Beklagte zu 3) zur Zahlung von Schadensersatz i.H.v. insgesamt 6.942 € gemäß Gutachten aufgefordert. Eine Schadensregulierung erfolgte nicht. Die beklagte Versicherung behauptete, dass es sich um einen manipulierten Verkehrsunfall handele. Es lägen genügend Anhaltspunkte vor, die den Verdacht eines manipulierten Ereignisses erhärteten. Zudem entsprächen die geltend gemachten Reparaturkosten nicht dem erforderlichen Aufwand. Es sei in erheblichem Umfang von unreparierten Altschäden auszugehen. Es fehle die gebotene Abgrenzung zwischen Alt- und Neuschäden.

Das LG hat die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 823 BGB, 7 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WG aus dem behaupteten Unfallereignis vom 16.1.2019.

Das Gericht war bei Gesamtwürdigung aller Umstände davon überzeugt, dass das vom Kläger behauptete Unfallereignis abgesprochen war und eine dahingehende Einwilligung des Klägers vorgelegen hatte. Das Vorliegen einer solchen Einwilligung musste die Beklagte beweisen. Da die Beklagte einen direkten Einwilligungsbeweis nicht erbringen konnte, war sie auf einen Indizienbeweis angewiesen.

Vorliegend sprachen die Indizien für einen manipulierten Verkehrsunfall. Dies galt bereits im Hinblick auf die am Unfall beteiligten Fahrzeuge. Auffällig war insbesondere, dass es sich bei dem klägerischen PKW um ein Fahrzeug aus dem gehobenen Preissegment handelte, das zum Unfallzeitpunkt über 12 Jahre alt war, mit 220.000 km über einen hohen Kilometerstand verfügte und Vorschäden aufwies. Bei einem Fahrzeug wie dem des Klägers fällt bei einer Abrechnung auf Gutachterbasis selbst bei geringen Schäden eine hohe Schadenssumme an, wobei die Schäden in der Regel notdürftig für geringe Kosten ausgebessert werden können.

Typisch für einen gestellten Verkehrsunfall war zudem die Beteiligung eines unfallverursachenden Fahrzeugs mit deutlich geringerem Wert. Zwar handelte es sich bei dem Beklagten-Fahrzeug ebenfalls um ein Fahrzeug aus dem gehobenen Preissegment, jedoch war dieses zum Unfallzeitpunkt über 20 Jahre alt und über 390.000 km gefahren. Bezeichnenderweise - und für einen manipulierten Unfall sprechend - war das Fahrzeug erst kurz vor dem Unfall am 1.1.2019 bei der Beklagten zu 3) versichert worden. Nach den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen war das Beklagten-Fahrzeug darüber hinaus im Kontaktbereich stark vorgeschädigt.

Auch die Unfallörtlichkeit und die Unfallzeit waren letztlich typisch für einen manipulierten Verkehrsunfall. Solche Unfälle werden nämlich üblicherweise in wenig befahrenden und wenig bewohnten Gegenden zur Abend- bzw. Nachtzeit gestellt. Vorliegend erfolgte der Unfall in den Abendstunden des Wintermonats Januar, d.h. nach Sonnenuntergang. Die Unfallstelle lag in einer Seitenstraße der vielbefahren Verkehrsachsen. Schon dadurch, dass der Unfall durch Kollision eines fahrenden PKW gegen ein geparktes Fahrzeug geschehen sein soll, erschien die Verursachungs- und Verschuldensfrage eindeutig. Typisch für einen manipulierten Verkehrsunfall ist insbesondere, dass trotz beträchtlichen Schädigungspotenzials lediglich ein geringes Verletzungsrisiko besteht.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Peter Reusch
VersR REPORT: Ausgewählte neue Rechtsprechung zur Sachversicherung
VersR 2025, 463

Beratermodul VersR - Zeitschrift für Versicherungsrecht
Otto Schmidt Answers optional dazu buchen und die KI 4 Wochen gratis nutzen! Die Answers-Lizenz gilt für alle Answers-fähigen Module, die Sie im Abo oder im Test nutzen. Mit dem Beratermodul VersR haben Sie Zugriff auf das Archiv der Zeitschrift VersR seit 1970 mit jeweils 24 Ausgaben pro Jahr. 4 Wochen gratis nutzen!
Justiz NRW