Inkasso-Unternehmen aus Litauen kann Ansprüche nach der Fluggastrechteverordnung geltend machen
LG Memmingen v. 26.11.2025 - 13 S 850/25
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein in Litauen zugelassener Rechtsdienstleister und ist spezialisiert auf die Durchsetzung von Fluggastrechten aus der EU-Fluggastrechteverordnung für Fluggäste gegen die jeweiligen Fluggesellschaften. Sie übernimmt das Risiko eines Forderungsausfalls nicht. Bei erfolgreicher Geltendmachung hingegen wird die Entschädigungszahlung an den Reisenden (abzüglich einer Provision von 44 bis 50%) ausgezahlt.
Der Fluggast im vorliegenden Fall war auf den Flug der Beklagten von Memmingen nach Timisoara gebucht. Der Flug sollte planmäßig am 21.8.2024 um 19:30 Uhr starten und am gleichen Tag um 22:10 Uhr landen. Die Flugdistanz beträgt 854 km. Das Flugzeug erreichte sein Ziel allerdings erst am nächsten Tag mit über 19 Stunden Verspätung.
Das AG hat die Klage abgewiesen. Es war der Ansicht, dass die Klägerin nicht aktivlegitimiert sei, da die erfolgte Abtretung wegen Verstoßes gegen § 134 BGB i.V.m. §§ 1 Abs. 2, 2 Abs. 2, 3, 10 Abs. 1 Nr. 1, 15 RDG nichtig sei. Die Klägerin als Inkassodienstleisterin verfüge nicht über die gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG erforderliche Registrierung im Rechtsdienstleistungsregister. Die Vorschrift sei auch nicht europarechtswidrig.
Auf die zugelassene Berufung der Klägerin hat das LG die Entscheidung des AG abgeändert und der Klage stattgegeben. Allerdings wurde die Revision zum BGH zugelassen.
Die Gründe:
Die Klägerin kann aus abgetretenem Recht eine Ausgleichszahlung i.H.v. 250 € aus Art. 7 Abs. 1 lit. a) der VO (EG) 261/2004 i.V.m. § 398 BGB verlangen.
Die Klägerin ist nach Auffassung der Kammer aktiv legitimiert. Im Ausgangspunkt bestimmte sich die Wirksamkeit der Abtretung nach deutschem Recht. Die Kammer hat sich dabei der Auffassung angeschlossen, dass Art. 14 Abs. 2 Rom I VO für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts zur Beurteilung der Wirksamkeit der Abtretung einschlägig ist. Eine Anwendung des RDG auf die Tätigkeit der Klägerin für den Fluggast war vorliegend bereits nach § 3 Abs. 2 DDG (zuvor: § 3 Abs. 2 TMG i.d.F. bis 13.5.2024) ausgeschlossen. Selbst bei (gedanklich unterstellter) Anwendbarkeit des RDG wäre der internationale Anwendungsbereich nach § 1 Abs. 2 RDG nicht eröffnet, weil die Rechtsdienstleistung der Klägerin zur Durchsetzung des Ausgleichszahlungsanspruchs des Zedenten aus der VO (EG) 261/2004 vorliegend zur Überzeugung der Kammer ausschließlich aus Litauen heraus erbracht wurde und auch kein deutsches Recht, sondern europäisches Recht betrifft.
Die Gesetzessystematik spricht gegen die Annahme, dass auch europäisches Recht als deutsches Recht i.S.v. § 1 Abs. 2 RDG verstanden werden soll, weil der Gesetzgeber im RDG dem Begriff des deutschen Rechts vielfach den Begriff des ausländischen Rechts gegenüberstellt, vgl. §§ 10 Abs. 1 Nr. 3, 11 Abs. 3, 13c Abs. 5 und 15 Abs. 7 S. 1 RDG. Auch die mit dem RDG verfolgten Regelungszwecke sprechen gegen eine Einordnung des Europarechts als deutsches Recht. Nach § 1 Abs. 1 S. 2 RDG sollen die Rechtssuchenden, der Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen geschützt werden. Eine mangelnde Qualifikation der in anderen EU-Staaten tätigen Inkassodienstleister kann nicht alleine deshalb angenommen werden, weil es in anderen EU Staaten nach deren Recht keine gesonderte Zulassungspflicht gibt und auch eine Zulassung in Deutschland nicht erwirkt worden ist. Der Schutz der deutschen Rechtsordnung kann durch das RDG nicht erreicht werden, soweit es um die Anwendung von Europarecht geht.
Schließlich spricht auch die Gesetzesbegründung gegen eine Erstreckung des RDG auf eine aus dem Ausland heraus erbrachte Dienstleistung, die europäisches Recht zum Gegenstand hat, vgl. BT-Drucksache 18/9521, S.203/204: "Als solche Fälle sollen nach § 1 Abs. 2 RDG-E grundsätzlich diejenigen gelten, in denen der ausländische Rechtsdienstleister allein aus dem Ausland heraus handelt, ohne selbst das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu betreten (also insbesondere diejenigen, in denen ein ausländischer Rechtsdienstleister mit seiner in Deutschland ansässigen Mandantschaft schriftlich korrespondiert).
Allerdings war die Revision zuzulassen. Die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO lagen vor. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Bereich der Fluggastrechte und es besteht bisher keine einheitliche instanzgerichtliche und keine obergerichtliche Rechtsprechung zu den in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen.
Mehr zum Thema:
Aktionsmodul Zivilrecht
Otto Schmidt Answers ist in diesem Modul mit 5 Prompts am Tag enthalten! Nutzen Sie die Inhalte in diesem Modul direkt mit der KI von Otto Schmidt. Topaktuelle Werke: Zöller ZPO mit Online-Aktualisierungen, Vorwerk Das Prozessformularbuch, Erman BGB uvm. Inklusive LAWLIFT Dokumentautomation Zivilprozessrecht, Beiträge zum Selbststudium nach § 15 FAO und Unterhaltsrechner.
Bayern.Recht
Die Klägerin ist ein in Litauen zugelassener Rechtsdienstleister und ist spezialisiert auf die Durchsetzung von Fluggastrechten aus der EU-Fluggastrechteverordnung für Fluggäste gegen die jeweiligen Fluggesellschaften. Sie übernimmt das Risiko eines Forderungsausfalls nicht. Bei erfolgreicher Geltendmachung hingegen wird die Entschädigungszahlung an den Reisenden (abzüglich einer Provision von 44 bis 50%) ausgezahlt.
Der Fluggast im vorliegenden Fall war auf den Flug der Beklagten von Memmingen nach Timisoara gebucht. Der Flug sollte planmäßig am 21.8.2024 um 19:30 Uhr starten und am gleichen Tag um 22:10 Uhr landen. Die Flugdistanz beträgt 854 km. Das Flugzeug erreichte sein Ziel allerdings erst am nächsten Tag mit über 19 Stunden Verspätung.
Das AG hat die Klage abgewiesen. Es war der Ansicht, dass die Klägerin nicht aktivlegitimiert sei, da die erfolgte Abtretung wegen Verstoßes gegen § 134 BGB i.V.m. §§ 1 Abs. 2, 2 Abs. 2, 3, 10 Abs. 1 Nr. 1, 15 RDG nichtig sei. Die Klägerin als Inkassodienstleisterin verfüge nicht über die gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG erforderliche Registrierung im Rechtsdienstleistungsregister. Die Vorschrift sei auch nicht europarechtswidrig.
Auf die zugelassene Berufung der Klägerin hat das LG die Entscheidung des AG abgeändert und der Klage stattgegeben. Allerdings wurde die Revision zum BGH zugelassen.
Die Gründe:
Die Klägerin kann aus abgetretenem Recht eine Ausgleichszahlung i.H.v. 250 € aus Art. 7 Abs. 1 lit. a) der VO (EG) 261/2004 i.V.m. § 398 BGB verlangen.
Die Klägerin ist nach Auffassung der Kammer aktiv legitimiert. Im Ausgangspunkt bestimmte sich die Wirksamkeit der Abtretung nach deutschem Recht. Die Kammer hat sich dabei der Auffassung angeschlossen, dass Art. 14 Abs. 2 Rom I VO für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts zur Beurteilung der Wirksamkeit der Abtretung einschlägig ist. Eine Anwendung des RDG auf die Tätigkeit der Klägerin für den Fluggast war vorliegend bereits nach § 3 Abs. 2 DDG (zuvor: § 3 Abs. 2 TMG i.d.F. bis 13.5.2024) ausgeschlossen. Selbst bei (gedanklich unterstellter) Anwendbarkeit des RDG wäre der internationale Anwendungsbereich nach § 1 Abs. 2 RDG nicht eröffnet, weil die Rechtsdienstleistung der Klägerin zur Durchsetzung des Ausgleichszahlungsanspruchs des Zedenten aus der VO (EG) 261/2004 vorliegend zur Überzeugung der Kammer ausschließlich aus Litauen heraus erbracht wurde und auch kein deutsches Recht, sondern europäisches Recht betrifft.
Die Gesetzessystematik spricht gegen die Annahme, dass auch europäisches Recht als deutsches Recht i.S.v. § 1 Abs. 2 RDG verstanden werden soll, weil der Gesetzgeber im RDG dem Begriff des deutschen Rechts vielfach den Begriff des ausländischen Rechts gegenüberstellt, vgl. §§ 10 Abs. 1 Nr. 3, 11 Abs. 3, 13c Abs. 5 und 15 Abs. 7 S. 1 RDG. Auch die mit dem RDG verfolgten Regelungszwecke sprechen gegen eine Einordnung des Europarechts als deutsches Recht. Nach § 1 Abs. 1 S. 2 RDG sollen die Rechtssuchenden, der Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen geschützt werden. Eine mangelnde Qualifikation der in anderen EU-Staaten tätigen Inkassodienstleister kann nicht alleine deshalb angenommen werden, weil es in anderen EU Staaten nach deren Recht keine gesonderte Zulassungspflicht gibt und auch eine Zulassung in Deutschland nicht erwirkt worden ist. Der Schutz der deutschen Rechtsordnung kann durch das RDG nicht erreicht werden, soweit es um die Anwendung von Europarecht geht.
Schließlich spricht auch die Gesetzesbegründung gegen eine Erstreckung des RDG auf eine aus dem Ausland heraus erbrachte Dienstleistung, die europäisches Recht zum Gegenstand hat, vgl. BT-Drucksache 18/9521, S.203/204: "Als solche Fälle sollen nach § 1 Abs. 2 RDG-E grundsätzlich diejenigen gelten, in denen der ausländische Rechtsdienstleister allein aus dem Ausland heraus handelt, ohne selbst das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu betreten (also insbesondere diejenigen, in denen ein ausländischer Rechtsdienstleister mit seiner in Deutschland ansässigen Mandantschaft schriftlich korrespondiert).
Allerdings war die Revision zuzulassen. Die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO lagen vor. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Bereich der Fluggastrechte und es besteht bisher keine einheitliche instanzgerichtliche und keine obergerichtliche Rechtsprechung zu den in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen.
Aktionsmodul Zivilrecht
Otto Schmidt Answers ist in diesem Modul mit 5 Prompts am Tag enthalten! Nutzen Sie die Inhalte in diesem Modul direkt mit der KI von Otto Schmidt. Topaktuelle Werke: Zöller ZPO mit Online-Aktualisierungen, Vorwerk Das Prozessformularbuch, Erman BGB uvm. Inklusive LAWLIFT Dokumentautomation Zivilprozessrecht, Beiträge zum Selbststudium nach § 15 FAO und Unterhaltsrechner.