20.08.2025

Irreführende grafische Gestaltung bei Abschluss einer Ticketversicherung

Das OLG Bamberg hat die grafische Gestaltung bei Abschluss einer Ticketversicherung auf einer Internetseite für Ticketverkäufe für unzulässig gehalten und untersagt. Auf der Internetseite des Ticketverkäufers erschien beim Kauf die Empfehlung, eine Ticketversicherung abzuschließen. Wurde dieses Fenster weggeklickt, erschien ein weiterer Hinweis auf die Versicherung - diesmal versehen mit der auszuwählenden Option "Ich trage das volle Risiko" (ohne die Versicherung). Diese Gestaltung hielt das OLG für irreführend und daher unzulässig.

OLG Bamberg v. 5.2.2025 - 3 UKl 11/24 e
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die grafische Gestaltung bei Abschluss einer Ticketversicherung im Rahmen des Internetauftritts der Beklagten. Der Kläger ist der Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen.

Die Beklagte bietet auf ihrer Internetseite den Kauf von Tickets für Veranstaltungen an. Zusammen mit dem Ticketerwerb ist es möglich, eine kostenpflichtige Ticketversicherung über die X.-Versicherung abzuschließen. Dieses Angebot gestaltet die Beklagte in der Weise, dass gegenüber dem sonstigen Warenkorbinhalt dieses zentriert und mit blauer Farbe hervorgehoben ist, wobei das bei der Auswahl anzuklickende Kästchen in weißer Farbe gehalten ist ("Bestellseite").

Klickt der Besteller, ohne die Ticketversicherung durch Anklicken des weißen Kästchens im hellblauen Feld auszuwählen, auf den ebenfalls in blauer Farbe gehaltenen Button "Weiter zur Kasse", öffnet sich ein weiteres Fenster, in dem mit fetter Überschrift der Abschluss der Ticketversicherung empfohlen wird. Darin wird dem interessierten Käufer nochmals der Abschluss einer Ticketversicherung zur Vermeidung von "Ärger und Frust über ein verpasstes Event" angetragen und die Möglichkeit gegeben, zwischen einem weiß unterlegten Button mit der Beschriftung "ich trage das volle Risiko" und einem blau unterlegten Button auszuwählen, der eine Absicherung zu einem bestimmten Betrag anbietet ("Empfehlungsseite").

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte mit diesem Vorgehen gegen Art. 25 Abs. 1 DSA (= VO (EU) 2022/2065) verstößt. Die Klage auf Unterlassung der beschriebenen grafischen Gestaltung hatte Erfolg. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist anhängig beim BGH (Az.: I ZR 56/25).

Die Gründe:
Die Beklagte hat nicht durch das erstmalige, jedoch durch ihr weiteres Angebot auf Abschluss einer Ticketversicherung gegen die Vorschrift des Art. 25 Abs. 1 DSA verstoßen. Die Unzulässigkeit des Angebots ergibt sich noch nicht allein aus der wiederholten Nachfrage.

Jedoch gilt auch hier, dass das Angebot erst dann als unzulässig einzustufen ist, wenn die Schwelle zu einer maßgeblichen Beeinträchtigung überschritten ist. Bei "sanftem Nagging" ist diese Grenze noch nicht erreicht. Entscheidend ist auch insoweit die Sichtweise eines durchschnittlichen Nutzers im Hinblick auf die konkrete Gestaltung der Online-Plattform.

Hiernach kann vorliegend allein durch die Wiederholung der Nachfrage nach einer Ticketversicherung durch die Beklagte noch keine unzulässige Beeinträchtigung angenommen werden.

Auch ein unzulässiges "Framing" i.S.v. Art. 25 Abs. 3 lit. a) DSA kann in der Gestaltung der Webseite noch nicht gesehen werden. Zwar ist auch hier davon auszugehen, dass durch die farbliche Gestaltung der beiden zur Auswahl stehenden Alternativen die Ticketversicherung eher ins Auge fällt. Jedoch sind beide Alternativen gleich groß gestaltet, so dass einem aufmerksamen Nutzer die Alternative "ich trage das volle Risiko" nicht entgehen kann. Im Übrigen wird durch diesen Text die Aufmerksamkeit des Nutzers auf diesen Button gelenkt.

Allerdings führt gerade die Verwendung dieses Textes jedenfalls in Zusammenschau mit dem angesprochenen "Nagging" zu einer unzulässigen Beeinflussung des hiervon angesprochenen Nutzers.

Die Beklagte nutzt sowohl die wiederholte Anfrage als auch die visuelle Gestaltung dazu, um den Nutzer zum Abschluss einer Ticketversicherung zu bewegen. Dies mag, isoliert betrachtet, aus den vorstehenden Gründen bei einem durchschnittlichen informierten und aufmerksamen Nutzer trotz Verwirklichung zweier Regelbeispiele noch nicht als "maßgebliche" Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit einzuordnen sein. Im Zusammenhang mit dem ebenfalls bereits erwähnten, mit der Ablehnung der Versicherung einhergehenden Text auf dem Auswahlbutton "ich trage das volle Risiko" ist diese Schwelle jedoch überschritten. Der Text bewirkt zwar eine erhöhte Aufmerksamkeit. Diese wird jedoch dadurch hervorgerufen, dass hiermit ein Szenario aufgebaut wird, das Angst vor einem Totalverlust des Kaufpreises erzeugt und auf den durchschnittlichen Nutzer bedrohend wirkt. Außerdem wird dem durchschnittlichen Nutzer nahegebracht, dass er das Verlustrisiko sogar bei Umständen trägt, die nicht in seiner Sphäre liegen. Denn mit der Formulierung "das volle Risiko" verbindet der durchschnittliche Verbraucher die Vorstellung, dass er ohne Abschluss der Versicherung nunmehr den Verlust des Kaufpreises hinnehmen muss, wenn ein Besuch des Konzerts, gleich aus welchen Gründen, scheitert. Dass dies gerade bei einer Absage des Konzerts durch den Veranstalter nicht der Gesetzeslage entspricht, bedarf keiner weiteren Erörterung. Insoweit liegt eine Irreführung des Nutzers vor, die dazu führt, dass die Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt ist, weshalb die Gestaltung der Webseite gegen Art. 25 Abs. 1 DSA verstößt.

Dieser Verstoß begründet gleichzeitig eine Verletzung der Vorschriften der §§ 3 Abs. 2, 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3, S. 3 UWG. Das Vorgehen der Beklagten widerspricht den Anforderungen an eine geschäftliche Sorgfalt im Sinne von § 3 Abs. 2 UWG. Gleichzeitig stellt es eine unzulässige Beeinflussung des Verbrauchers gem. § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3, S. 3 UWG dar. Es ist auch dazu geeignet, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen. Die Beklagte handelt damit Vorschriften zuwider, die dem Schutz der Verbraucher dienen. Daher kann sie insoweit vom Kläger gem. § 2 Abs. 1 UKlaG im Interesse des Verbraucherschutzes auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

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