18.07.2025

Kein jederzeitiges Kündigungsrecht bei Online-Partnervermittlungsportalen

Das Kündigungsrecht des § 627 Abs. 1 BGB, das eine besondere persönliche Beziehung voraussetzt, besteht bei einem Vertrag über die Nutzung eines Online-Partnervermittlungsportals, bei dem die Leistung maßgeblich im Bereitstellen einer Online-Datenbank besteht und das die Partnersuche regelhaft ausschließlich durch vollständig automatisierte Vorgänge unterstützt, nicht.

BGH v. 17.7.2025 - III ZR 388/23
Der Sachverhalt:
Die Musterbeklagte betreibt ein Online-Partnervermittlungsportal. Die Nutzer des Portals können wählen zwischen einer kostenlosen Basis-Mitgliedschaft und einer kostenpflichtigen Premium-Mitgliedschaft. Im Rahmen der Premium-Mitgliedschaft bot die Beklagte den Abschluss von Verträgen mit einer Erstlaufzeit von sechs, zwölf oder 24 Monaten zu folgenden Standardpreisen an:

- sechs Monate für rd. 480 € (79,90 € mtl.),
- zwölf Monate für rd. 790 € (65,90 € mtl.),
- 24 Monate für rd. 1.100 € (45,90 € mtl.).

Die Verträge über die kostenpflichtige Premium-Mitgliedschaft enthielten Vertragsverlängerungsklauseln in Form von AGB, nach denen sich die Verträge automatisch um zwölf Monate verlängerten, wenn der Kunde nicht unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwölf Wochen vor Ablauf der Erstlaufzeit ordentlich kündigte.

Der Musterkläger, eine Verbraucherschutzorganisation, machte das vorliegende Musterfeststellungsverfahren vor dem OLG Hamburg anhängig. Das OLG entschied, dass die Verträge nicht jederzeit gem. § 627 Abs. 1 BGB gekündigt werden könnten und die Vertragsverlängerungsklausel beim Vertragsmodell mit einer bei Vertragsschluss gewählten Erstlaufzeit von 24 Monaten nicht gegen das bis zum 28.2.2022 gültige Recht verstoße. Bei den Vertragsmodellen mit Erstlaufzeiten von sechs und von zwölf Monaten seien die Vertragsverlängerungsklauseln hingegen nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Gegen das Urteil des OLG legten beide Parteien Revision ein.

Die Revision des Musterklägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg, die Revision der Musterbeklagten war teilweise erfolgreich.

Die Gründe:
Das Kündigungsrecht des § 627 Abs. 1 BGB, das eine besondere persönliche Beziehung voraussetzt, besteht bei einem Vertrag über die Nutzung eines Online-Partnervermittlungsportals, bei dem die Leistung maßgeblich im Bereitstellen einer Online-Datenbank besteht und das die Partnersuche regelhaft ausschließlich durch vollständig automatisierte Vorgänge unterstützt, nicht.

Bezogen auf die bis zum 28.2.2022 geltende Rechtslage benachteiligt die Vertragsverlängerungsklausel bei Verträgen mit einer bei Vertragsschluss gewählten Laufzeit von sechs Monaten die Kunden der Musterbeklagten nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen; sie ist daher unwirksam. Bei diesem Vertragsmodell ist die finanzielle Belastung für alle Kunden, die nicht (fristgerecht) kündigen, während der Vertragsverlängerung doppelt so hoch wie während der Erstlaufzeit des Vertrags. 

Außerdem kommt (ausschlaggebend) hinzu, dass die Musterbeklagte von diesen Kunden, die ihr durch das Unterlassen einer Kündigung finanzielle Planungssicherheit verschaffen, insgesamt mehr verlangt als von denjenigen, die fristgerecht kündigen, sie damit zunächst in finanzieller Ungewissheit lassen und erst bei Ablauf der sechsmonatigen Erstlaufzeit mit ihr einen zweiten Vertrag mit einer (weiteren) Erstlaufzeit von zwölf Monaten schließen. Bei den Vertragsmodellen mit Erstlaufzeiten von zwölf und von 24 Monaten ist das anders, weswegen bei ihnen eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht vorliegt.

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BGH PM Nr. 137 vom 18.7.2025