26.06.2023

Kein vereinfachtes Vollstreckungsantragsverfahren bei geänderter Parteibezeichnung der Gläubigerin nach Erlass des Vollstreckungsbescheids

Die Möglichkeit des vereinfachten Vollstreckungsantrags bei Vollstreckungsbescheiden gem. § 829a ZPO ist für eine Gläubigerin, deren Parteibezeichnung sich nach Erlass des Vollstreckungsbescheids geändert hat, nicht eröffnet, weil sie dem zuständigen Vollstreckungsorgan die Parteiidentität mit der Titelgläubigerin zweifelsfrei nachweisen muss. Die die Parteiidentität belegenden Urkunden müssen dem Vollstreckungsantrag beigefügt werden und schließen als vorlegungspflichtige andere Urkunden i.S.d. § 829a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Anwendung des vereinfachten Vollstreckungsantragsverfahrens gem. § 829a ZPO aus.

BGH v. 10.5.2023 - VII ZB 23/22
Der Sachverhalt:
Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid des AG M. vom 28.7.2014 über eine Hauptforderung i.H.v. 34,60 € nebst Zinsen und Kosten. Der Vollstreckungsbescheid, der als Antragstellerin die F. GbR ausweist, wurde der Schuldnerin am 30.7.2014 zugestellt.

Dem Vollstreckungsbescheid ist als Anhang folgender Vermerk beigefügt:

"Klarstellender Vermerk
Die Bezeichnung der Antragstellerin lautet aufgrund identitätswahrender Umwandlung nunmehr:
F. OHG
Amtsgericht M.
Gemeinsames Mahngericht der Länder
R. und S.
M. , den 07.05.2019"

Der Vermerk ist mit Unterschrift und Siegel des AG M. versehen.

Die Gläubigerin beantragte im Frühjahr 2021 mit vereinfachtem Vollstreckungsantrag nach § 829a ZPO beim AG H. - Vollstreckungsgericht (AG) - den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, mit dem Arbeitseinkommen und Kontoguthaben der Schuldnerin gepfändet werden sollte. Als Gläubigerin ist im Antrag die "F. OHG (vormals F. GbR)" bezeichnet.

Das AG erließ den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss antragsgemäß am 11.5.2021. Auf die Erinnerung der Schuldnerin hob das AG den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auf und schob die Wirksamkeit der Entscheidung bis zur Rechtskraft hinaus. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hatte Erfolg. Das LG hob den Beschluss des AG auf und wies die Erinnerung der Schuldnerin zurück. Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin hob der BGH den Beschluss des LG auf und wies die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des AG mit der Maßgabe zurück, dass das Rubrum dieses Beschlusses dahingehend berichtigt wird, dass Frau K. G. als Schuldnerin und die F. OHG als Gläubigerin zu bezeichnen sind.

Die Gründe:
Die Voraussetzungen für den Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses liegen nicht vor, er war deshalb auf die Erinnerung der Schuldnerin aufzuheben. Es mangelt an einem formwirksamen Vollstreckungsantrag, denn die Gläubigerin hat dem Antrag an das zuständige AG - Vollstreckungsgericht (§§ 828, 764 ZPO) - keine Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids beigefügt. Die Vorlage des Vollstreckungstitels war nicht nach § 829a Abs. 1 ZPO entbehrlich, weil die Voraussetzungen zur Nutzung des vereinfachten Vollstreckungsantragsverfahrens bei Vollstreckungsbescheiden nach § 829a Abs. 1 ZPO nicht vorlagen.

Nach § 829a Abs. 1 Satz 1 ZPO ist im Falle eines elektronischen Antrags zur Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid, der einer Vollstreckungsklausel nicht bedarf, bei Pfändung und Überweisung einer Geldforderung (§§ 829, 835 ZPO) die Übermittlung der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 829a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 ZPO entbehrlich. Danach setzt der vereinfachte Vollstreckungsantrag bei Vollstreckungsbescheiden u.a. voraus, dass die Vorlage anderer Urkunden als der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids nicht vorgeschrieben ist, § 829a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Hieran fehlt es, denn die Gläubigerin musste dem Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die Urkunden beifügen, die ihre Parteiidentität mit der Titelgläubigerin belegen. Ist aber eine weitergehende gerichtliche Prüfung anhand von Urkunden veranlasst, scheidet die Anwendung des vereinfachten Vollstreckungsantragsverfahrens nach § 829a ZPO aus.

Gem. § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 794 Abs. 1 Nr. 4, § 699 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 795 Satz 1 ZPO darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in dem Vollstreckungsbescheid namentlich bezeichnet sind. Das Vollstreckungsorgan hat eine formale Prüfung vorzunehmen, ob Gläubiger und Schuldner als Parteien des Zwangsvollstreckungsverfahrens mit den Personen identisch sind, für und gegen die der durch den Titel vollstreckbar gestellte Anspruch durchzusetzen ist. Fehlt es an der Identität des die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubigers und des Titelgläubigers oder lässt sich diese nicht zweifelsfrei feststellen, darf die Vollstreckung nicht durchgeführt werden. Besteht hingegen Parteiidentität, steht eine bloße Änderung des Namens oder der Firma des Gläubigers etwa aufgrund von Heirat, Umfirmierung etc. der Vollstreckung nicht entgegen. Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass eine kraft Gesetzes eingetretene Umwandlung einer GbR (§§ 705 ff. BGB) in eine OHG (§§ 105 ff. HGB), auf die sich die Gläubigerin beruft, eine solche parteiidentitätswahrende Umwandlung darstellt.

Die Parteiidentität muss dem für die beantragte Zwangsvollstreckung zuständigen Vollstreckungsorgan gegenüber nachgewiesen werden. Will eine mit der im Vollstreckungstitel bezeichneten Gläubigerin hinsichtlich der Rechtsform nicht namensgleiche OHG die Zwangsvollstreckung aus dem Titel betreiben und macht sie geltend, es liege eine Änderung der Rechtsform und eine Änderung der Firma vor, hat sie die Personenidentität dem zuständigen Vollstreckungsorgan zweifelsfrei nachzuweisen. Die Parteiidentität kann der Gläubiger durch Vorlage entsprechender Urkunden nachweisen; in Betracht kommt auch eine Beischreibung. Bei der Beischreibung handelt es sich um einen die Identität der betroffenen Partei klarstellenden Vermerk des Gerichts, welches den Titel erlassen hat, dass der Titelgläubiger nunmehr einen neuen Namen führt oder sich seine Rechtsform geändert hat. Die Beischreibung der geänderten Parteibezeichnung, auch klarstellender Zusatz genannt, wird dem Titel beigefügt. Die die Parteiidentität belegenden Urkunden bzw. die Beischreibung müssen dem Vollstreckungsantrag beigefügt werden und schließen deshalb als vorlegungspflichtige andere Urkunden iS.d. § 829a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Anwendung des vereinfachten Vollstreckungsantragsverfahrens des § 829a ZPO aus.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | ZPO
§ 829a Vereinfachter Vollstreckungsantrag bei Vollstreckungsbescheiden
Herget in Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022

Kommentierung | ZPO
§ 750 Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung
Seibel in Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022

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