02.06.2025

Kein wucherähnliches Geschäft mit Faksimile-Büchern

Bei Sammlerobjekten hat der Käufer im Regelfall keinen direkten Zugang zu dem weit verstreuten Sammlermarkt und kann diesen nur auf äußerst aufwändige Weise finden. Unter Sammlerobjekten i.d.S. sind bewegliche Sachen zu verstehen, die nicht zum Weiterverkauf, sondern zum dauernden Besitz erworben werden, etwa, weil der Erwerber von dem ästhetischen Reiz angezogen wird oder weil er sonst eine affektive Neigung zu den Sachen hat.

OLG Düsseldorf v. 9.5.2025 - 22 U 98/24
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Insolvenzverwalterin über den Nachlass des 2022 verstorbenen Erblasser. Die Beklagte kauft, verkauft und vermittelt Kunstbücher und Faksimiles. Im Oktober 2018 hatte sich die Beklagte über einen ihrer Vermittler an den 1949 geborenen Erblasser gewandt und ihn zuhause besucht. Daraufhin hatte der Erblasser drei Bücher bestellt. Nach Lieferung der Bücher im November 2018 zahlte der Erblasser den Gesamtpreis vom 24.898 € im Januar 2019.

Mit Schreiben vom 28.11.2022 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten den Widerruf des Kaufvertrages und forderte sie zur Zahlung von 24.898 € gegen Übergabe der Bücher auf. Die Klägerin hat erstinstanzlich behauptet, die streitgegenständlichen Bücher hätten weder zum Zeitpunkt der Bestellung noch zu einem nachfolgenden Zeitpunkt einen Wert i.H.d. vereinbarten Preises gehabt. Vielmehr hätten die Bücher unmittelbar nach dem Kauf einen Wert von lediglich 2.800 € aufgewiesen. Der Kaufvertrag stelle sich somit als wucherähnliches Geschäft dar.

Das LG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die absolute Höchstfrist für den Widerruf nach § 356 Abs. 3 S. 2 BGB bereits vor der Widerrufserklärung abgelaufen gewesen sei. Ein wucherähnliches Geschäft könne nicht festgestellt werden.

Das OLG hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Gründe:
Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von 24.898 € Zug-um-Zug gegen die Rückgabe der drei Bücher aus §§ 357 Abs. 1, 355 Abs. 1, 312g Abs. 1, 312b BGB zu. Bei Erklärung des Widerrufs war die Widerrufsfrist bereits abgelaufen. Entgegen der Ansicht der Klägerin war der Kaufvertrag wirksam, weswegen auch kein Anspruch auf Rückzahlung aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Var. BGB bestand.

Der Kaufvertrag war insbesondere nicht nach § 138 BGB wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig. Ein vermeintlich wucherähnliches Geschäft war nicht zu erkennen. Ein solches liegt vor, wenn objektiv ein grobes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung gegeben ist und der begünstigte Verkäufer in verwerflicher Gesinnung handelt. Das setzt voraus, dass diesem bewusst ist oder er sich grob fahrlässig der Einsicht verschließt, dass der Käufer nur unter dem Zwang der Verhältnisse oder aus anderen, die freie Willensentschließung beeinträchtigenden Umständen, wie einem Mangel an Urteilsvermögen oder wegen einer erheblicher Willensschwäche, sich auf den für ihn ungünstigen Vertrag einlässt. Als wesentliches Indiz für ein besonders grobes Missverhältnis wird jedenfalls bei Grundstücken und höherwertigen beweglichen Sachen verbreitet das Erreichen des Doppelten des Wertes der Gegenleistung angenommen.

Ein solcher Vergleich des Kaufpreises mit dem objektiven Wert der Gegenleistung setzt voraus, dass letzterer bestimmt werden kann, somit ein Marktpreis oder Marktwert festgestellt werden kann. Unerheblich war hier, ob dies mit dem LG durch Verweis auf die Grundsätze des Kunstmarkts verneint werden konnte. Diese dürften nämlich nur beim Kauf eines Originalkunstwerks, eines Unikats, eingreifen. Die hier in Rede stehenden Faksimile-Bücher waren zwar in ihrer Zahl limitiert (ausweislich der Angaben in der Auftragsbestätigung auf höchstens 999 Exemplare), stellten aber keine Unikate dar; dementsprechend wurden die Bücher auch außerhalb des hier gegenständlichen Kaufs vertrieben, weswegen auch im Grundsatz ein Marktpreis festgestellt werden kann.

Der maßgebliche Markt war hier der sog. Primärmarkt. Denn der Verkauf erfolgte im Rahmen des Erstvertriebes der verlagsneuen Bücher an den Erblasser als ersten Endabnehmer. Gerade bei Sammlerstücken ist dieser Markt regelmäßig von dem Sekundärmarkt, in dem ein privater Erwerber die Bücher an eine andere Privatperson oder einen gewerblichen Buchhändler bzw. ein Antiquariat weiterverkauft, zu unterscheiden. Bei Sammlerobjekten hat der Käufer im Regelfall keinen direkten Zugang zu dem weit verstreuten Sammlermarkt und kann diesen nur auf äußerst aufwändige Weise finden. Unter Sammlerobjekten i.d.S. sind bewegliche Sachen zu verstehen, die nicht zum Weiterverkauf, sondern zum dauernden Besitz erworben werden, etwa, weil der Erwerber von dem ästhetischen Reiz angezogen wird oder weil er sonst eine affektive Neigung zu den Sachen hat. Und so war es auch hier bei den in Rede stehenden Büchern.

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