07.08.2023

Keine Hinweispflicht des Reisebüros auf Notwendigkeit eines Reisepasses für Auslandsreisen

Der Hinweis auf die Notwendigkeit des "Vorhandenseins" eines (gültigen) Reisepasses ist nicht von Art. 250 § 3 Nr. 6 EGBGB umfasst, da es sich um eine Selbstverständlichkeit handelt. Dies ergibt sich insbesondere aus den hinter Art. 250 § 3EGBGB stehenden teleologischen Erwägungen. Die Gültigkeit betrifft insofern nationale Vorschriften, die der Reisende einzuhalten hat. Die Annahme einer solchen Selbstverständlichkeit muss daher erst Recht für das "Vorhandensein" eines Reisepasses gelten.

AG München v. 12.7.2023, 171 C 3319/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte bei dem beklagten Reiseunternehmen für 2.200 € eine einwöchige Pauschalreise für sich und eine Mitreisende im November 2022 nach Dubai gebucht. Mangels gültigen Reisepasses konnte der Kläger die Reise nicht antreten und forderte das Reiseunternehmen zur Rückzahlung des Reisepreises auf. Er sei durch das Reisebüro nicht explizit über Pass- und Visumserfordernisse oder Fristen zur Erlangung entsprechender Dokumente informiert worden.

Das AG hat die Klage auf Schadensersatz abgewiesen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Der Kläger konnte weder einen Anspruch aus §§ 651i Abs. 1, 3 Nr. 7, 651n Abs. 2 BGB i.V.m. § 651d Abs. 1 BGB noch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB i.V.m. § 651dAbs. 1 BGB geltend machen, da es bereits an einer Verletzung von Informationspflichten i.S.d. § 651dAbs. 1 BGB durch die Beklagte bzw. das vermittelnde Reisebüro fehlte.

In Art. 250 § 3 Nr. 6 EGBGB findet sich zwar die explizite Regelung einer vorvertraglichen Unterrichtungspflicht, wonach der Reiseveranstalter den Reisenden über "allgemeine Pass- und Visumserfordernisse des Bestimmungslandes", einschließlich der ungefähren Fristen für die Erlangung von Visa informieren muss. Ist der Hinweis hinreichend und rechtzeitig gegeben, muss wiederum der Reisende entsprechend seiner Mitwirkungspflicht die erforderlichen Dokumente vorhalten. Der Hinweis auf die Notwendigkeit des "Vorhandenseins" eines (gültigen) Reisepasses ist allerdings nicht von Art. 250 § 3 Nr. 6 EGBGB umfasst, da es sich um eine Selbstverständlichkeit handelt. Dies ergibt sich insbesondere aus den hinter Art. 250 § 3EGBGB stehenden teleologischen Erwägungen.

Demnach sollen die den Reiseveranstalter treffenden Informationspflichten den Reisenden auf Umstände hinweisen, die ihm möglicherweise unbekannt sind, weil dieser mit der Reise gerade auch unbekanntes Terrain erkunden möchte. Der Reiseveranstalter hat die hierfür erforderliche Organisation übernommen und somit ein Informationsgefälle gegenüber dem Reisenden auszugleichen. Mit den reiserechtlichen Informationspflichten soll der Reisekunde deshalb vornehmlich über Umstände informiert werden, die ihm unbekannte Gegebenheiten am Reiseziel sowie den Transport dorthin betreffen und für das Gelingen der Reise erforderlich sind, wozu auch aufenthaltsrechtliche Bestimmungen gehören, ohne deren Beachtung der Reisende das Reiseziel nicht betreten darf.

Die Gültigkeit betrifft insofern nationale Vorschriften, die der Reisende einzuhalten hat. Die Annahme einer solchen Selbstverständlichkeit muss daher erst Recht für das "Vorhandensein" eines Reisepasses gelten. Der Umstand, dass ein Reisedokument benötigt wird, ist nicht allein reiseerfahrenen Touristen bekannt und für solche offenkundig. Schon die allgemeine Lebenserfahrung lässt durch den Begriff "Reise"-Pass darauf schließen, dass ein entsprechendes Dokument grundsätzlich für Reisen erforderlich ist. Auch inländische Bestimmungen, insbesondere die Passpflicht (vgl. §§ 1, 3 PaßG), zeugen davon, dass sich die Notwendigkeit des Vorhandenseins eines Reisepasses nicht erst aus den Erfordernissen des Reiselandes - hier den Vereinigten Arabischen Emiraten - ergibt, sondern vielmehr aus nationalen Bestimmungen.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Pauschalreiserecht: Die COVID-19-Pandemie und das Recht zum kostenlosen Rücktritt vor Reisebeginn
Klaus Tonner, MDR 2023, 1

Aufsatz:
Die Entwicklungen des Pauschalreiserechts im Jahr 2021
Charlotte Achilles-Pujol, MDR 2022, 1377

Alles auch aufzurufen im Aktionsmodul Zivilrecht:
Sie können Tage nicht länger machen, aber effizienter. Recherchieren Sie hier mit den führenden Kommentaren, Handbüchern und Zeitschriften für die zivilrechtliche Praxis. Topaktuelle Online-Aktualisierungen im Erman BGB; Updates im Zöller ZPO. Zahlreiche, bewährte Formulare mit LAWLIFT bearbeiten! Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. 4 Wochen gratis nutzen!

BGH online

AG München - Pressemitteilung v. 7.8.2023
Zurück