03.02.2025

Keine konkludent beantragte Verlängerung der Frist für die Berufungsbegründung ohne konkrete Umstände

Beantragt ein Prozessbevollmächtigter in der Berufungsschrift allenfalls konkludent eine Verlängerung der Frist für die Berufungsbegründung und führt er hierfür keine Umstände an, muss er mit einer Ablehnung des Fristverlängerungsantrags rechnen. In einem solchen Fall ist es Sache des Prozessbevollmächtigten, von sich aus bei Gericht rechtzeitig nachzufragen, ob die Frist möglicherweise dennoch verlängert worden ist, so dass er andernfalls noch vor Fristablauf die Berufungsbegründung oder einen begründeten Verlängerungsantrag einreichen kann.

BGH v. 19.12.2024 - IX ZB 16/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger wendet sich im Wege der Drittwiderspruchsklage gem. § 262 Abs. 1 AO gegen eine Pfändung durch das Finanzamt des beklagten Landes. Dieses pfändete am 11.8.2021 gegenüber der D. GmbH (Schuldnerin) verschiedene Gegenstände in den an diese vom Kläger vermieteten Geschäftsräumen. Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 15.11.2021 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Das LG wies die Klage ab. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers legte gegen das ihm am 29.11.2022 zugestellte landgerichtliche Urteil am 28.12.2022 Berufung ein. In der Berufungsschrift heißt es: "Anträge und die Begründung bleiben einem besonderen Schriftsatz vorbehalten, welcher binnen einer Frist von sechs Wochen und somit bis zum 07.02.2023 erfolgen wird.". Auf den Hinweis des Senatsvorsitzenden des OLG vom 2.2.2023, dass die Frist für die Berufungsbegründung am Montag, den 30.1.2023 abgelaufen sei, begründete der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Berufung am 6.2.2023 und beantragte hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist, weil die Berufungsschrift einen Antrag auf Fristverlängerung enthalten habe. Das OLG verwarf unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags die Berufung des Klägers als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat dem Kläger mit Recht die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 233 Satz 1 ZPO versagt und seine Berufung als unzulässig verworfen, weil die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten beruht, das ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.

Vorliegend bedarf es keiner Entscheidung, ob der Berufungsschrift überhaupt ein konkludenter Antrag auf Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung zu entnehmen ist. Denn mangels Darlegung eines erheblichen Grundes i.S.v. § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO durfte der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht auf die Gewährung einer Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung vertrauen. Im Übrigen kann einem (unterstellten) Verlängerungsantrag auch keine konkludente Darlegung eines erheblichen Grundes entnommen werden. Die Rechtsbeschwerde beruft sich im Zusammenhang mit einem von ihr für erforderlich gehaltenen Hinweis darauf, der Prozessbevollmächtigte des Klägers sei wegen einer Häufung von Fristsachen im Januar 2023 an der rechtzeitigen Prüfung der Erfolgsaussichten der Berufung und der Fertigstellung der Berufungsbegründung gehindert gewesen.

Unter Umständen kann zwar auch eine konkludente Darlegung der für eine Fristverlängerung erforderlichen Voraussetzungen genügen und zu den erheblichen Gründen i.S.d. § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO zählt insbesondere die Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten. Einer Auslegung des Fristverlängerungsantrags dahingehend, dass sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers konkludent auf eine Arbeitsüberlastung berufen habe, steht jedoch auch unter Beachtung der Interessenlage des Klägers entgegen, dass im Antrag überhaupt keine Umstände genannt werden, aus denen der Anlass der begehrten Fristverlängerung hätte entnommen und aus denen somit ein Rückschluss auf den erheblichen Grund hätte gezogen werden können. Allein aus der unterbliebenen Angabe anderer Hinderungsgründe folgt nicht, dass sich der Klägervertreter zur Begründung seines Fristverlängerungsantrags (konkludent) auf eine Arbeitsüberlastung berufen habe. Denn eine solche ist nicht ohne weiteres als erheblicher Grund i.S.d. § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO zu vermuten.

Für die Versäumung der Frist war bei wertender Betrachtung eine eventuell nicht dem Kläger zuzurechnende Verzögerung in Bezug auf die ablehnende Verfügung des Senatsvorsitzenden des Berufungsgerichts nicht ursächlich. Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, die späte Reaktion des Gerichts verletze den Grundsatz eines fairen Verfahrens, greift dies nicht durch. Im Streitfall war kein gerichtlicher Hinweis geboten. Denn für das OLG war aufgrund der nicht einwandfreien Formulierung und der unterbliebenen Angabe von Gründen für eine Fristverlängerung weder ohne Weiteres zu erkennen, dass in der Berufungsschrift um Verlängerung der Frist für die Berufungsbegründung ersucht werden sollte, noch, dass der Verfahrensbevollmächtigte aufgrund eines Versehens auf die Bewilligung einer Fristverlängerung vertraute. Daher war es Sache des Klägervertreters, den eine Ablehnung seines nicht ausdrücklich als solchen bezeichneten und nicht mit einer Begründung versehenen Verlängerungsantrags nicht hätte überraschen dürfen, von sich aus bei Gericht rechtzeitig nachzufragen, ob die Frist möglicherweise dennoch verlängert worden war, so dass er im nicht fernliegenden Fall der Ablehnung noch vor Fristablauf die Berufungsbegründung oder jedenfalls einen begründeten Verlängerungsantrag hätte einreichen können.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | ZPO
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Kommentierung | ZPO
§ 520 Berufungsbegründung
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