Kindsmutter kann das einstweilige Näherungsverbot gegenüber dem Stiefvater des Kindes nicht anfechten
OLG Rostock v. 21.10.2025 - 10 UF 84/25
Der Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin ist die alleinsorgeberechtigte Mutter eines im Mai 2014 geborenen Mädchens. Die Tochter lebt zusammen mit seinen zwei (Halb-)Geschwistern bei der Mutter. Bis zu seiner Wegweisung durch die Polizei im Juli 2024 hat dort auch der Ehemann bzw. Stiefvater der Tochter gewohnt. Zu ihrem leiblichen Vater hat das Mädchen seit ihrem zweiten Lebensjahr keinen Kontakt.
Am 24.7.2024 hat das Jungendamt - nachdem es die Tochter am 18.7.2024 in Obhut genommen hatte - angeregt, kindesschutzrechtliche Maßnahmen nach § 1666 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 BGB zu prüfen, weil sich das Kind zuvor aufgrund eines Scheiden- und Dammrisses mehrere Tage in stationärer Behandlung in einem Krankenhaus befunden habe und der Verdacht bestehe, dass diese Verletzungen durch einen schweren sexuellen Missbrauch des Kindes verursacht worden seien. Dem Jungendamt sei bekannt, dass dem Stiefvater eine polizeiliche Wegweisung bis zum Ende der 30. Kalenderwoche (2024) erteilt worden sei.
Die Kindesmutter ist dieser Anregung entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, dass es an dem besagten Tag zu einem Unfall gekommen sei, in dessen Folge ihre Tochter die Verletzungen im Genitalbereich erlitten habe. Der Stiefvater habe sich mit dem Kind auf einer Baustelle befunden. Ihre Tochter sei beim Besteigen einer Leiter mit dem Genitalbereich auf eine Sprosse gefallen und habe sich dabei die Verletzungen in diesem Bereich zugezogen. Das Kind seit dann vom Stiefvater in die nächstgelegene Klinik gebracht worden.
Mit Schriftsatz vom 28.2.2025 hatte die Kindesmutter darauf hingewiesen, dass die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen den Stiefvater eingestellt habe. Mit Beschluss vom 19.8.20205 hat das AG dennoch dem Stiefvater im Wege der einstweiligen Anordnung verboten, die Wohnung zu betreten, sich im Umkreis von 100 m von dieser Wohnung aufzuhalten oder in irgendeiner Form Verbindung mit dem Kind aufzunehmen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Unterlassungsanordnungen nach § 1666 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 und 4 und Abs. 4 BGB zur Abwendung einer bestehenden Gefahr zu treffen seien, weil auch nach Abschluss des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens hinreichende Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vorlägen.
Das OLG hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Kindesmutter als unzulässig verworfen.
Die Gründe:
Die Beschwerde war nicht statthaft. Gem. § 57 Satz 1 FamFG sind Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen grundsätzlich nicht anfechtbar. Soweit § 57 Satz 2 FamFG hiervon eine Ausnahme macht, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges aufgrund mündlicher Erörterung "über die elterliche Sorge für ein Kind" entschieden hat, lag die zuletzt genannte Voraussetzung hier nicht vor.
Hinsichtlich der Beschwerdeberechtigung einer Kindesmutter gegen ein einstweiliges Näherungsverbot gem. § 1666 Abs. 3 Nr. 3 und 4 BGB, das gegenüber ihrem Ehemann ausgesprochen worden ist, bestehen Bedenken aufgrund des Erfordernisses einer unmittelbaren Rechtsbeeinträchtigung. Jedenfalls ist die Beschwerde aber nicht statthaft, weil die betreffenden Maßnahmen keine Entscheidung über die elterliche Sorge i.S.v. § 57 Satz 2 Nr. 1 FamFG darstellen.
Die Aufrechterhaltung des Näherungsverbotes im Rahmen des familiengerichtlichen Verfahrens ist zudem auch dann noch gerechtfertigt, wenn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren zwar nach § 170 Abs. 2 StPO mangels der Möglichkeit eines Tatnachweises eingestellt worden ist, aber dennoch erhebliche Indizien für eine fortbestehende Kindeswohlgefährdung gegeben sind. Würde die einstweilige Anordnung schon jetzt aufgehoben, würde das Kind angesichts der schwerwiegenden Anhaltspunkte für einen schweren sexuellen Missbrauch vergleichbar schweren Gefahren für sein Kindeswohl schutzlos ausgesetzt. Dagegen wiegen die Folgen - sollte die Hauptsache im Sinne der Kindesmutter und des Stiefvaters entschieden werden - weniger schwer, weil sie die von der Kindesmutter angestrebte Familienzusammenführung dann nur hinausgezögert hätten.
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Die Beschwerdeführerin ist die alleinsorgeberechtigte Mutter eines im Mai 2014 geborenen Mädchens. Die Tochter lebt zusammen mit seinen zwei (Halb-)Geschwistern bei der Mutter. Bis zu seiner Wegweisung durch die Polizei im Juli 2024 hat dort auch der Ehemann bzw. Stiefvater der Tochter gewohnt. Zu ihrem leiblichen Vater hat das Mädchen seit ihrem zweiten Lebensjahr keinen Kontakt.
Am 24.7.2024 hat das Jungendamt - nachdem es die Tochter am 18.7.2024 in Obhut genommen hatte - angeregt, kindesschutzrechtliche Maßnahmen nach § 1666 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 BGB zu prüfen, weil sich das Kind zuvor aufgrund eines Scheiden- und Dammrisses mehrere Tage in stationärer Behandlung in einem Krankenhaus befunden habe und der Verdacht bestehe, dass diese Verletzungen durch einen schweren sexuellen Missbrauch des Kindes verursacht worden seien. Dem Jungendamt sei bekannt, dass dem Stiefvater eine polizeiliche Wegweisung bis zum Ende der 30. Kalenderwoche (2024) erteilt worden sei.
Die Kindesmutter ist dieser Anregung entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, dass es an dem besagten Tag zu einem Unfall gekommen sei, in dessen Folge ihre Tochter die Verletzungen im Genitalbereich erlitten habe. Der Stiefvater habe sich mit dem Kind auf einer Baustelle befunden. Ihre Tochter sei beim Besteigen einer Leiter mit dem Genitalbereich auf eine Sprosse gefallen und habe sich dabei die Verletzungen in diesem Bereich zugezogen. Das Kind seit dann vom Stiefvater in die nächstgelegene Klinik gebracht worden.
Mit Schriftsatz vom 28.2.2025 hatte die Kindesmutter darauf hingewiesen, dass die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen den Stiefvater eingestellt habe. Mit Beschluss vom 19.8.20205 hat das AG dennoch dem Stiefvater im Wege der einstweiligen Anordnung verboten, die Wohnung zu betreten, sich im Umkreis von 100 m von dieser Wohnung aufzuhalten oder in irgendeiner Form Verbindung mit dem Kind aufzunehmen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Unterlassungsanordnungen nach § 1666 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 und 4 und Abs. 4 BGB zur Abwendung einer bestehenden Gefahr zu treffen seien, weil auch nach Abschluss des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens hinreichende Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vorlägen.
Das OLG hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Kindesmutter als unzulässig verworfen.
Die Gründe:
Die Beschwerde war nicht statthaft. Gem. § 57 Satz 1 FamFG sind Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen grundsätzlich nicht anfechtbar. Soweit § 57 Satz 2 FamFG hiervon eine Ausnahme macht, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges aufgrund mündlicher Erörterung "über die elterliche Sorge für ein Kind" entschieden hat, lag die zuletzt genannte Voraussetzung hier nicht vor.
Hinsichtlich der Beschwerdeberechtigung einer Kindesmutter gegen ein einstweiliges Näherungsverbot gem. § 1666 Abs. 3 Nr. 3 und 4 BGB, das gegenüber ihrem Ehemann ausgesprochen worden ist, bestehen Bedenken aufgrund des Erfordernisses einer unmittelbaren Rechtsbeeinträchtigung. Jedenfalls ist die Beschwerde aber nicht statthaft, weil die betreffenden Maßnahmen keine Entscheidung über die elterliche Sorge i.S.v. § 57 Satz 2 Nr. 1 FamFG darstellen.
Die Aufrechterhaltung des Näherungsverbotes im Rahmen des familiengerichtlichen Verfahrens ist zudem auch dann noch gerechtfertigt, wenn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren zwar nach § 170 Abs. 2 StPO mangels der Möglichkeit eines Tatnachweises eingestellt worden ist, aber dennoch erhebliche Indizien für eine fortbestehende Kindeswohlgefährdung gegeben sind. Würde die einstweilige Anordnung schon jetzt aufgehoben, würde das Kind angesichts der schwerwiegenden Anhaltspunkte für einen schweren sexuellen Missbrauch vergleichbar schweren Gefahren für sein Kindeswohl schutzlos ausgesetzt. Dagegen wiegen die Folgen - sollte die Hauptsache im Sinne der Kindesmutter und des Stiefvaters entschieden werden - weniger schwer, weil sie die von der Kindesmutter angestrebte Familienzusammenführung dann nur hinausgezögert hätten.
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