14.08.2023

Können unter "Verwaltungskosten" auch die Prozesskosten der WEG aus einem Vorprozess gegen einen Eigentümer fallen?

Entscheidungserheblich ist die Frage, welche Bedeutung eine Regelung über die Verwaltungskosten in einer Gemeinschaftsordnung hat, die vor Inkrafttreten des WEMoG vereinbart worden ist. Ihre Beantwortung wirft entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfragen auf, die sich über den Einzelfall hinaus in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen können und deshalb für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind. Eine höchstrichterliche Entscheidung steht - soweit ersichtlich - aus.

LG Rostock v. 16.6.2023 - 1 S 109/22
Der Sachverhalt:
Die Kläger sind Eigentümer jeweils einer von acht Wohnungen, deren Eigentümer die Beklagte bilden. Mit dem Sondereigentum ist jeweils ein Miteigentumsanteil von 1/8 verbunden. Nach § 9 Ziff. 3 Abs. 3 der Gemeinschaftsordnung vom 14.5.2019 werden die Verwaltungskosten zu gleichen Teilen auf die WE-Einheiten umgelegt.

Im Jahr 2021 hatten die Kläger erfolgreich einen Wohnungseigentümerbeschluss angefochten. Infolgedessen musste die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits tragen. Zugunsten der Kläger wurden gegen die Beklagte Kosten i.H.v. rund 3.721,12 € festgesetzt. Außerdem musste die Beklagte außergerichtliche Kosten i.H.v. 2.672,50 € zahlen.

Im Rahmen der Eigentümerversammlung vom 27.4.2022 fassten die Wohnungseigentümer mit 5 zu 3 Stimmen folgenden Beschluss:

"Die Eigentümer beschließen die Finanzierung der Kosten des Rechtsstreits i.H.v. 6.393,62 € durch eine Sonderumlage. Jedes Sondereigentum hat hierfür einen Betrag von 799,21 € zu zahlen. Der Betrag ist 14 Tage nach Beschlussfassung fällig. Eine Erstattung des überzahlten Betrages durch Herrn ... wird an die Eigentümer wieder ausgezahlt."

Die Kläger haben den Beschluss angefochten und insbesondere gerügt, eine Beteiligung der im Vorprozess obsiegenden Eigentümer an den Prozesskosten sei unbillig. Das AG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das LG die Entscheidung abgeändert und den Beschluss zur Sonderumlage der Kosten des Rechtsstreits für ungültig erklärt. Allerdings wurde die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim BGH unter dem Az.: V ZR 139/23 anhänhig.

Die Gründe:
Der streitgegenständliche Wohnungseigentümerbeschluss entsprach nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.

Es bedurfte der Auslegung des § 9 Ziffer 3 Abs. 3 der Gemeinschaftsordnung, ob unter "Verwaltungskosten" auch die Prozesskosten der Beklagten aus dem Vorprozess fielen. Unter Berücksichtigung des dargestellten und zum Zeitpunkt der Vereinbarung am 14.5.2019 maßgeblichen Meinungsstands ging die Kammer davon aus, dass einem in einem Beschlussanfechtungsprozess obsiegenden Kläger keine Prozesskosten entgegen der Kostengrundentscheidung in diesem Prozess haben auferlegt werden dürfen. Es fehlten Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien seinerzeit ein anderes Verständnis der Bestimmung gehabt hatten. Dies fand auch Anklang in der Aussage im Beschlussprotokoll, wo es hieß:

"Seit 01.12.2020 richten sich Klagen von Miteigentümern immer gegen die WEG insgesamt. Somit müssen auch alle Eigentümer, einschließlich der Kläger, für die Kosten des Verfahrens aufkommen, im Verhältnis der Anteile gemäß Teilungserklärung."

Hieraus ließ sich im Umkehrschluss folgern, dass die Wohnungseigentümer für den früheren Zeitraum ein gegenteiliges Verständnis gehabt hatten. Ein solches Verständnis von § 9 Ziffer 3 Abs. 3 der Gemeinschaftsordnung entsprach auch dem Verständnis aller billig und gerecht denkenden. Es ist schwerlich einsehbar, dass ein Wohnungseigentümer in Mithaftung genommen wird dafür, dass er gegen einen gesetzwidrigen Beschluss erfolgreich vorgeht und für eine ordnungsgemäße Verwaltung sorgt. Entscheidend war, ob durch das zum 1.12.2020 in Kraft getretene WEMoG § 9 Ziffer 3 Abs. 3 der Gemeinschaftsordnung nunmehr dahin verstanden werden kann und muss, dass sich ein in einem Beschlussanfechtungsprozess obsiegender Kläger entgegen der Kostengrundentscheidung an den Kosten dieses Prozesses beteiligen muss. Die Kammer verneinte die Frage.

Gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO war die Revision zuzulassen. Entscheidungserheblich ist die Frage, welche Bedeutung eine Regelung über die Verwaltungskosten in einer Gemeinschaftsordnung hat, die vor Inkrafttreten des WEMoG vereinbart worden ist. Ihre Beantwortung wirft entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfragen auf, die sich über den Einzelfall hinaus in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen können und deshalb für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind. Eine höchstrichterliche Entscheidung steht - soweit ersichtlich - aus.

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Kommentierung | WEG
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Suilmann in Jennißen (Hrsg.), Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl. 2022

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