Kostenbeteiligung eines minderjährigen Kindes bei Antragsrücknahme in Vaterschaftsfeststellungsverfahren?
OLG Brandenburg v. 24.4.2025 - 13 WF 25/25
Der Sachverhalt:
Die minderjährige Antragstellerin, vertreten durch das Jugendamt als Amtsvormund, hatte am 3.9.2024 die Feststellung beantragt, dass der Beteiligte zu 2) ihr Vater sei. Die Mutter, deren Aufenthalt nicht bekannt sei, habe während der gesetzlichen Empfängniszeit mit dem Beteiligten zu 2) Geschlechtsverkehr gehabt, habe aber ihre Zustimmung zu einer außergerichtlichen Vaterschaftsanerkennung durch den Beteiligten zu 2) verweigert. Dieser hat mitgeteilt, von seiner leiblichen Vaterschaft auszugehen und deren gerichtliche Feststellung zu befürworten.
Das aufgrund des Beweisbeschlusses des AG eingeholte Abstammungsgutachten hat den Beteiligten zu 2) als Vater ausgeschlossen. Die Antragstellerin hat daraufhin ihren Antrag auf Vaterschaftsfeststellung zurückgenommen. Das AG hat die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin auferlegt. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hat das OLG die Entscheidung abgeändert und die Hälfte der Gerichtskosten dem Beteiligten zu 2) auferlegt. Im Übrigen hat es die Gerichtskosten nicht weiter erhoben und entschieden, dass außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden.
Die Gründe:
Die Beschwerde war zulässig und in der Sache begründet.
Da die Spezialregelung des § 183 FamFG bei Anträgen auf Feststellung der Vaterschaft nach § 169 Nr. 1 FamFG nicht eingreift, richtete sich die Kostenentscheidung hier nach § 81 FamFG. Dies gilt auch (wie hier) im Fall der Antragsrücknahme. Nach § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG kann das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. § 81 Abs. 1 S. 1 und 2 FamFG räumt dem Gericht einen weiten Gestaltungsspielraum dahingehend ein, welchem Beteiligten welche Kosten des Verfahrens auferlegt werden.
Das Gericht kann etwa die Kosten ganz oder teilweise zwischen den Beteiligten aufteilen, sie gegeneinander aufheben oder die Kostenregelung getrennt in Bezug auf die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten vornehmen. Die Vorschrift erlaubt es auch, nur bestimmte Kosten einem der Beteiligten aufzuerlegen oder von der Erhebung der Kosten ganz oder teilweise abzusehen (§ 81 Abs. 1 S. 2 FamFG). Dieses weite Ermessen des Gerichts bei der Entscheidung der Gerichtskosten erfährt nur eine Einschränkung in Abs. 2, wonach in den dort genannten Fällen die Verfahrenskosten einem Beteiligten ganz oder teilweise auferlegt werden sollen. Das Gericht hat in jedem konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher maßgeblicher Umstände die Kostenentscheidung zu treffen:
Infolgedessen konnte die vom AG getroffene Kostenentscheidung keinen Bestand haben. Dabei kam es auf die in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Kommentarliteratur umstrittene Auffassung darüber, ob das Beschwerdegericht eine eigene Ermessenentscheidung zu treffen oder nur die erstinstanzliche Entscheidung auf Ermessensfehler zu überprüfen hat, vorliegend nicht an. Das AG hatte ohne jegliche Begründung nur auf die Vorschrift des § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG hingewiesen und somit kein Ermessen ausgeübt.
Die Beteiligung eines minderjährigen Kindes - dem nach § 81 Abs. 3 FamFG nur in seine Person betreffenden Kindschaftssachen, nicht hingegen in Abstammungssachen generell keine Kosten auferlegt werden können - an den Gerichtskosten wäre unbillig, wenn es keinen Einfluss auf das Verhalten der in Frage kommenden Elternteile hat. In derartigen Fällen entspricht eine Belastung des Kindes mit den daraus entstehenden Kosten regelmäßig nicht der Billigkeit. Und so lag der Fall auch hier: Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Klärung ihrer Abstammung. Da jedenfalls allein auf Grund des Verhaltens der anderen Beteiligten Unklarheiten darüber bestehen, wer ihr Vater ist, und eine (kostengünstigere) außergerichtliche Klärung scheiterte, ohne dass diesbezüglich eine Verantwortung der Antragstellerin festgestellt werden konnte, war sie gezwungen, ein Verfahren zur Klärung ihrer Abstammung einzuleiten.
Die Auferlegung der Hälfte der Gerichtskosten auf den Beteiligten zu 2) war angemessen. Der Umstand, dass er zu einer außergerichtlichen Vaterschaftsanerkennung bereit gewesen wäre, vermochte ihn nicht von der Beteiligung der Kosten zu befreien, da die Durchführung des Feststellungsverfahrens jedenfalls für die von der Antragstellerin erstrebte Klärung der Vaterschaft unerlässlich war. Anhaltspunkte dafür, dass der Beteiligte zu 2) zu einer außergerichtlichen Durchführung einer genetischen Untersuchung nicht in der Lage gewesen und deshalb die Antragstellerin ausschließlich durch das Verhalten ihrer Mutter zur Antragstellung gezwungen worden sein könnte waren nicht ersichtlich, und dazu hatte der Beteiligte zu 2) auch nichts vorgetragen.
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Landesrecht Brandenburg
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