18.06.2025

Maßgebliche Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Sicherungsnehmers im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung

Macht ein Sicherungsgeber nach einem Verkehrsunfall einen an dem sicherungsübereigneten Fahrzeug entstandenen Sachschaden allein als fremden Schaden des Sicherungsnehmers in gewillkürter Prozessstandschaft gegenüber dem Unfallgegner geltend, sind im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Sicherungsnehmers maßgeblich.

BGH v. 25.3.2025 - VI ZR 174/24
Der Sachverhalt:
Der Kläger nimmt den beklagten Haftpflichtversicherer auf Ersatz restlichen Sachschadens aus einem Verkehrsunfall vom 22.10.2021 in Hilden in Anspruch, bei dem ein Pkw der Marke Seat beschädigt wurde. Die volle Haftung der beklagten Haftpflichtversicherers des gegnerischen Pkw steht dem Grunde nach außer Streit. Der Kläger hatte das Fahrzeug bei der Seat Bank, einer Zweigniederlassung der Volkswagen Bank GmbH, gekauft und im Rahmen der Finanzierung an diese zur Sicherheit übereignet. Zum Zeitpunkt des Unfalls lief die Finanzierung noch. Die Beklagte regulierte den vom Kläger geltend gemachten Schaden zum überwiegenden Teil. Die Parteien streiten nur noch darum, in welcher Höhe sich der Kläger bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungsaufwands den Restwert des unfallbeschädigten Wagens anrechnen lassen muss.

Der von der Ehefrau des Klägers mit der Schadensermittlung beauftragte Schadensgutachter nahm einen wirtschaftlichen Totalschaden an. Er ermittelte für das Fahrzeug einen Schaden von insgesamt rd. 15.800 €, wobei er einen Restwert des Fahrzeugs i.H.v. 7.100 € zugrunde legte. Dabei führte der Gutachter drei regionale Restwertangebote auf, deren höchstes sich auf 7.100 € belief. Die Beklagte ging dagegen aufgrund eines von ihr über eine internetbasierte Restwertbörse eingeholten Angebots der S. GmbH in Berlin von einem Restwert i.H.v. rd. 10.300 € aus und errechnete auf dieser Basis einen um 3.200 € geringeren Entschädigungsbetrag. Die Sicherungseigentümerin teilte dem Kläger mit Schreiben vom 10.1.2022 mit, dass die Finanzierung seit dem 22.11.2021 erledigt sei und ermächtigte ihn dazu, sämtliche Schadensersatzansprüche aus dem Unfall im eigenen Namen geltend zu machen. Mit Schreiben vom 14.9.2022 teilte sie mit, der Kläger sei berechtigt, Zahlungen aus dem Schadensereignis in Anspruch zu nehmen oder zu verlangen. Mit der Klage begehrt der Kläger den Differenzbetrag zwischen dem von der Beklagten zugrunde gelegten Restwert von 10.300 € und dem vom Gutachter ermittelten höchsten Restwert i.H.v. 7.100 €, also 3.200 €. 

Das AG gab der Klage statt; das LG wies sie ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das LG hat der Schadensberechnung zu Recht einen Restwert des Unfallfahrzeugs i.H.v. 10.300 € zugrunde gelegt. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf weiteren Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB, § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG wegen des durch den Unfall verursachten Fahrzeugschadens zu. Die Beurteilung des LG, dass der Kläger hinsichtlich des von ihm nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB geltend gemachten Ersatzanspruchs die Erforderlichkeit eines über den bereits auf den Totalschaden geleisteten Schadensersatzes hinausgehenden Betrages nicht dargelegt hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Bei der Geltendmachung des fremden Schadens des Sicherungsnehmers durch den Sicherungsgeber bei der Beschädigung eines finanzierten Kfz ist danach im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung auf die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Sicherungseigentümers als Geschädigtem abzustellen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist Sicherungseigentum echtes Eigentum i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB. Die Volkswagen Bank GmbH als Sicherungseigentümerin des Fahrzeugs hat daher gegen die Beklagte wegen Beschädigung des Fahrzeugs dem Grunde nach Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB und aus § 7 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG.

Die vom LG hier aufgeworfene Frage, ob bei der subjektbezogenen Schadensbetrachtung beim finanzierten Kauf auf die Einfluss- und Erkenntnismöglichkeiten der Sicherungsnehmerin abzustellen ist, wird in der Rechtsprechung teilweise verneint: Bei einem darlehensfinanzierten Kauf eines Fahrzeugs erfolge die Anschaffung allein im wirtschaftlichen Interesse des Darlehensnehmers. Der Darlehensgeber erhalte vom Darlehensnehmer keine Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung des Fahrzeugs, sondern für die Zurverfügungstellung des für die Anschaffung des Fahrzeugs benötigten Geldes. Es sei bei nicht ersichtlich, warum eine finanzierende Bank bei einer Beschädigung des sicherungsübereigneten Fahrzeugs gehalten sein sollte, im Interesse des Schädigers und seines Haftpflichtversicherers die Regulierung des Unfallschadens an sich zu ziehen und bemüht sein müsste, bessere Restwertangebote als der Darlehensnehmer zu finden. Vielmehr sei es für den Schädiger und seine Haftpflichtversicherung zumutbar, wenn im Fall eines finanzierten und sicherungsübereigneten Fahrzeugs die (hypothetische) Veräußerung durch den Darlehensnehmer nach den gleichen Maßstäben erfolge, die auch anzuwenden wären, wenn das Fahrzeug im Unfallzeitpunkt im Eigentum des Geschädigten gestanden hätte.

Gegen diese Auffassung spricht bereits, dass die finanzierende Bank bei Beschädigung des Sicherungsgutes regelmäßig daran interessiert sein wird, den (Rest-)Wert des Sicherungsgutes zur Abschätzung ihres eigenen Risikos zu bewerten. Es erscheint auch nicht fernliegend, dass sie über die Verwertung von Sicherungsgut Erfahrungen im Verkauf gebrauchter Fahrzeuge hat. Es ist darauf abzustellen, ob es sich bei dem konkreten geschädigten Sicherungsnehmer um ein Unternehmen handelt, welches sich jedenfalls auch mit dem Verkauf von gebrauchten Fahrzeugen befasst. Dies mag zwar bei den meisten Finanzdienstleistern nicht der Fall sein, kann jedoch für die in den VW-Konzern als Tochtergesellschaft eingebundene Automobil-Bank ohne weitere Aufklärung im Tatsächlichen nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Dass das Eigentum an dem Fahrzeug nach dem Unfall mit Zahlung der letzten Rate im November 2021 bereits wieder auf den Kläger übergegangen sein soll, ändert nichts daran, dass der Kläger einen Schadensersatzanspruch allein als fremden Schaden wegen Verletzung des Sicherungseigentums geltend macht und für die subjektbezogene Schadensbetrachtung auf die Erkenntnismöglichkeiten der Sicherungseigentümerin abzustellen ist.

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