21.10.2025

Nicht-qualifiziert elektronisch signierter Schriftsatz über das beA einer prozessbevollmächtigten anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft

Der BGH hat sich vorliegend mit der Formwirksamkeit der Einreichung eines nicht-qualifiziert elektronisch signierten Schriftsatzes über das besondere elektronische Anwaltspostfach einer prozessbevollmächtigten anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft befasst.

BGH v. 16.9.2025 - VIII ZB 25/25
Der Sachverhalt:
Das AG wies die auf Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung nebst Stellplatz gerichtete Klage ab. Hiergegen legte die Klägerin durch eine von ihr zur Prozessbevollmächtigten bestellte Rechtsanwaltsgesellschaft, eine Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung, frist- und formgerecht Berufung ein. Innerhalb der Berufungsbegründungsfrist ging beim LG eine über das beA der prozessbevollmächtigten Rechtsanwaltsgesellschaft (Gesellschaftspostfach) übermittelte Berufungsbegründung ein. Diese schloss mit dem Namenszug eines Rechtsanwalts, der vertretungsberechtigter Partner der prozessbevollmächtigten Rechtsanwaltsgesellschaft ist. In dem Prüfvermerk betreffend die Nachricht, mit der die Berufungsbegründung übermittelt wurde, wird bestätigt, dass die Nachricht auf einem sicheren Übermittlungsweg aus einem besonderen elektronischen Postfach übermittelt wurde. Als Absender ist die Rechtsanwaltsgesellschaft benannt. Zudem wurde ein vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis (VHN) erstellt. Weder aus dem Prüfvermerk noch aus dem VHN ist ersichtlich, welche natürliche Person die Übermittlung mittels des Gesellschaftspostfachs vorgenommen hat. 

Nach einem Hinweis des LG auf Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung im Hinblick darauf, dass zwischen dem Absender der Nachricht (Rechtsanwaltsgesellschaft) und der signierenden Person (Rechtsanwalt) keine Identität bestehe, trug die Klägerin mit Schriftsatz vom 17.3.2025 vor, der - für die prozessbevollmächtigte Rechtsanwaltsgesellschaft vertretungsberechtigte - Rechtsanwalt, der die Berufungsbegründung (einfach) signiert habe, habe deren Versand über seine Zugangsberechtigung aus dem Gesellschaftspostfach veranlasst, was sich aus dem beigefügten Nachrichtenjournal ergebe. 

Das LG verwarf die Berufung als unzulässig. Die Berufung sei unzulässig, da sie nicht formgerecht begründet worden sei. Denn sie sei nicht in elektronischer Form mit qualifizierter Signatur oder mit einfacher Signatur auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden. Letzteres scheitere daran, dass laut Prüfvermerk der Absender der Berufungsbegründungsschrift nicht der in dem Schriftsatz genannte Rechtsanwalt, sondern die Rechtsanwaltsgesellschaft sei. Der sichere Übermittlungsweg gewährleiste die Identität des Absenders nur dann, wenn die verantwortende Person, also der Rechtsanwalt als Inhaber des beA, den Versand selbst vornehme. Da vorliegend die Kanzlei als Absender genannt sei und ein konkreter Rechtsanwalt als Absender nicht ermittelt werden könne, fehle es an dieser Voraussetzung. 

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin hob der BGH den Beschluss des LG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Berufungsbegründung der Klägerin in einer den Anforderungen des § 130a Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 ZPO entsprechenden Weise wirksam als elektronisches Dokument bei dem zuständigen Gericht eingegangen. 
Eine einfache Signatur der Berufungsbegründung von einem für die prozessbevollmächtigte Berufsausübungsgesellschaft vertretungsberechtigten und postulationsfähigen Rechtsanwalt lag vor. Hierfür genügt es, wenn am Ende des Schriftsatzes der Name des Verfassers maschinenschriftlich wiedergegeben ist. Die Berufungsbegründung wurde auch wirksam über einen sicheren Übermittlungsweg eingereicht. Die Voraussetzungen für eine wirksame Einreichung auf dem sicheren Übermittlungsweg des Gesellschaftspostfachs liegen hinsichtlich der Berufungsbegründung vor. Diese wurde über das Gesellschaftspostfach der von der Klägerin als Prozessbevollmächtigte bestellten Berufsausübungsgesellschaft eingereicht. Ein vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis und damit der Nachweis der Einreichung durch eine hierzu nach § 23 Abs. 3 Satz 7 RAVPV berechtigte Person, liegt vor.

Rechtsfehlerhaft hat das LG eine wirksame Einreichung der Berufungsbegründungschrift deshalb verneint, weil diese durch den einfach signierenden Rechtsanwalt versandt werden müsse, aus dem Prüfvermerk sowie dem vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis jedoch kein konkreter Rechtsanwalt als Absender ermittelt werden könne. Der Umstand, dass das Dokument von einem Rechtsanwalt einfach signiert wurde, der sichere Übermittlungsweg ihn jedoch nicht als Absender ausweist, hindert als solcher eine wirksame Übermittlung bei der Versendung über ein Gesellschaftspostfach nicht. Denn dies ist systemimmanent dadurch bedingt, dass Postfachinhaberin des nicht personengebundenen Gesellschaftspostfachs die prozessbevollmächtigte Berufsausübungsgesellschaft ist, die dementsprechend auch als Absenderin der Nachricht ausgewiesen wird. Diese muss sich jedoch notwendigerweise sowohl bei der Signatur als auch bei der Durchführung des Versands durch eine - nicht als Absender der Nachricht erscheinende - natürliche Person vertreten lassen. Würde dennoch gefordert, dass der signierende Rechtsanwalt als Absender der Nachricht ausgewiesen wird, wäre eine Einreichung eines nicht-qualifiziert elektronisch signierten Schriftsatzes über ein Gesellschaftspostfach stets unzulässig. Dies widerspräche dem Willen des Gesetzgebers, der diese Möglichkeit ausdrücklich eröffnen wollte.

Vieles spricht dafür, dass im Fall der Bevollmächtigung einer Berufsausübungsgesellschaft und der Nutzung von deren Gesellschaftspostfach eine Identität zwischen dem Rechtsanwalt, der den Schriftsatz für die prozessbevollmächtigte Berufsausübungsgesellschaft einfach signiert, und dem die Versendung vornehmenden Rechtsanwalt nicht erforderlich ist. Die Frage, ob im Fall der Prozessbevollmächtigung einer Berufsausübungsgesellschaft und der Nutzung von deren Gesellschaftspostfach für die Einreichung eines nicht-qualifiziert elektronisch signierten Dokuments derselbe Rechtsanwalt, der in Vertretung der Gesellschaft das Dokument einfach signiert hat, auch die Versendung unter Anmeldung an dem Gesellschaftspostfach und Nutzung seiner VHN-Berechtigung vornehmen muss, wird unterschiedlich beurteilt und ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt. 

Nach einhelliger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist es bei der Einreichung eines nicht-qualifiziert elektronisch signierten Dokuments über ein persönliches elektronisches Anwaltspostfach Wirksamkeitsvoraussetzung, dass der das Dokument einfach signierende verantwortliche Prozessbevollmächtigte die Übermittlung über sein beA selbst vornimmt. Diese Rechtsprechung kann jedoch - was das LG verkannt hat - nicht ohne Weiteres auf die Übermittlung eines nicht-qualifiziert elektronisch signierten Dokuments mittels des Gesellschaftspostfachs einer prozessbevollmächtigten Berufsausübungsgesellschaft übertragen werden. Zum einen handelt es sich bei dem Gesellschaftspostfach - wie bei einem besonderen Behördenpostfach (§ 130a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ZPO) und anders als bei dem einem Anwalt persönlich zugeordneten elektronischen Anwaltspostfach - um ein nicht personengebundenes beA. Zum anderen müssen bei der Prozessbevollmächtigung einer Berufsausübungsgesellschaft sowohl die Signatur als auch der Versand notwendigerweise durch vertretungsberechtigte Rechtsanwälte ausgeführt werden. Auf Grund dieser Unterschiede entsprechen die Anforderungen zur Sicherstellung der Authentizität und Integrität des auf dem sicheren Übermittlungsweg eines Gesellschaftspostfachs eingereichten Dokuments nicht denjenigen für die Einreichung über ein persönliches elektronisches Anwaltspostfach eines prozessbevollmächtigten Rechtsanwalts. 

Eine als Prozessbevollmächtigte beauftragte Berufsausübungsgesellschaft hat zwar gem. § 59l Abs. 1 Satz 2 BRAO die Rechte und Pflichten eines Rechtsanwalts und trägt damit letztlich die Verantwortung für die Erfüllung der anwaltlichen Pflichten, sie muss sich hierbei aber notwendigerweise durch natürliche Personen vertreten lassen, die ihrerseits postulationsfähig sein müssen (§ 59l Abs. 2 BRAO). Diese Rechtslage wird im Rahmen der Bestimmungen über die Berechtigungen zur Nutzung des beA für die Einreichung nicht-qualifiziert elektronisch signierter Dokumente nachvollzogen. Die Berufsausübungsgesellschaft als Postfachinhaberin darf - und muss - zur Ermöglichung einer Einreichung, die nur eine natürliche Person vornehmen kann, dieses Recht auf natürliche Personen übertragen. Die Übertragung darf hierbei nur auf vertretungsberechtigte Rechtsanwälte, die ihren Beruf in der Berufsausübungsgesellschaft ausüben, erfolgen (§ 23 Abs. 3 Satz 7 RAVPV). Die Bundesrechtsanwaltskammer hat zu gewährleisten, dass der Empfänger diese Vorgaben überprüfen kann (§ 20 Abs. 3 Nr. 2 RAVPV).

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