06.12.2019

Öffentliche Zustellung: Kein Fristbeginn für Beschwerde bei Unwirksamkeit wegen Nachforschungspflichtverletzung des Gerichts

Die öffentliche Zustellung eines Beschlusses kann nur dann angeordnet werden, wenn der Aufenthaltsort des Empfängers nicht angegeben wurde und das Gericht seiner Nachforschungspflicht genüge tat, indem es insbesondere an der letzten bekannten Adresse des Empfängers Nachforschungen betreibt. Der Antragsteller verstößt dahingehend schwerwiegend gegen seine Mitwirkungspflicht gem. § 27 FamFG, wenn er zwar lediglich eine Ahnung von dem Aufenthaltsort der Antragsgegnerin hat, diese dem Gericht jedoch erst auf Nachfrage und nach öffentlicher Zustellung mitteilt.

OLG Brandenburg v. 16.10.2019 - 13 UF 98/19
Der Sachverhalt:
Antragsteller und Antragsgegnerin sind die nicht verheirateten Eltern des beteiligten 2012 geborenen Kindes. Sorgeerklärungen gaben sie nicht ab. Sie lebten bis 2016 gemeinsam in einem Haushalt, bis sich die Eltern trennten und die Antragsgegnerin mit dem Kind auszog. Sie ging zunächst zu ihren Eltern, zog jedoch daraufhin ins Ausland.

Der Antragsteller beantragte im Dezember 2017, ihm die elterliche Sorge allein zu übertragen. Er gab dabei die Adresse der Eltern der Antragsgegnerin an, da die Antragsgegnerin "untergetaucht" sei und ihm ihr Aufenthaltsort nicht bekannt sei. Er vermutete sie jedoch in M im Ausland, wo die Antragsgegnerin auch tatsächlich mit dem Kind gemeldet war. Das AG stellte die Antragsschrift öffentlich zu, weil die Adresse der Antragsgegnerin unbekannt sei. Es änderte den Beschluss mangels Antwort der Antragsgegnerin dahingehend ab, dass der Antragsteller die alleinige elterliche Sorge übertragen ist.

Im März 2019 ging der Antragsgegnerin der angefochtene Beschluss zu. Sie legte Beschwerde ein und beantragte, die elterliche Sorge ihr allein zu übertragen. Der Antragsteller beantragte, den Antrag abzuweisen und das Kind an ihn herauszugeben. Das OLG wies die Beschwerde der Antragsgegnerin, wie auch den Antrag des Antragstellers zurück.

Die Gründe:
Sowohl der Antrag des Antragstellers als auch die darauf gerichtete Beschwerde sind abzuweisen. Weder das AG noch das OLG sind zuständig.

Die Beschwerde ist zulässig. Die Antragsgegnerin hielt die Beschwerdefrist von einem Monat ein. Die vom AG veranlasste öffentliche Zustellung hat die Beschwerdefrist nicht beginnen lassen. Sie hätte bei sorgfältiger Prüfung der Akten nicht angeordnet werden dürfen, weil ein Sorgfaltsmangel schwerwiegend gegen die §§ 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG, 185 ZPO verstieß. Bereits aus den Akten des Gerichts war erkennbar, dass die Antragsgegnerin zunächst bei ihren Eltern unterkam, mithin es nicht auszuschließen ist, dass diese ihren aktuellen Wohnsitz kennen. Das Gericht fragte jedoch nicht nach, missachtete mithin seine Nachforschungspflicht gem. § 26 FamFG.

Der Antragsteller verstieß ebenfalls schwerwiegend gegen seine Mitwirkungspflicht gem. § 27 FamFG. Die Pflicht, für das Verfahren erhebliche Umstände wahrheitsgemäß und vollständig mitzuteilen, trifft ihn keineswegs nur auf Nachfrage des Gerichts. Der Antragsteller war sich zwar nicht sicher bezüglich des Aufenthaltsorts der Antragsgegner, hatte jedoch eine Ahnung. Da dies offensichtlich für die Verfahrensführung von Bedeutung war, um der Antragsgegnerin ihr rechtliches Gehör in Form der Möglichkeit einer fristgemäßen Beschwer zu gewähren, hätte der Antragstellerin jedoch jede relevante Information dem Gericht mitzuteilen, die zur Ermittlung des Aufenthaltsorts der Antragsgegnerin führt. Die Beschwerdefrist begann mithin erst mit Kenntnis der Antragsgegnerin von dem Beschluss.

Deutsche Gerichte sind zur Entscheidung über die Zuordnung der Sorge in diesem Fall nicht zuständig. Dafür ist ein Gericht in dem Land zuständig, in dem das Kind zu Verfahrensbeginn seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Die Antragsgegnerin zog mit dem Kind im Februar 2017 ins Ausland und wohnt seither dort. Eine Zuständigkeit könnte sich nur ergeben, wenn die Antragsgegnerin das Kind widerrechtlich mit ins Ausland nahm. Dabei kommt es nach Art. 2 Nr. 11 Brüssel II a-VO allein auf das Sorgerecht zur Zeit des Verbringens in einen anderen Staat an. Im Februar 2017 hatte die Antragsgegnerin jedoch noch unstreitig das alleinige Sorgerecht für das Kind.

Eine Verweisung an ein zuständiges Gericht am Wohnsitz der Antragsgegnerin kommt nicht in Betracht. Eine Verweisung ist nur von einem zuständigen an ein anderes Gericht vorgesehen (Art. 15 Brüssel II a-VO). Art. 17 Brüssel II a-VO schreibt hingegen allein die Erklärung als unzuständig vor, weil eine Bindung des als zuständig erkannten Gerichts nicht geregelt ist.
Berlin-Brandenburg Recht online
Zurück