Paket im Verteilzentrum verschwunden - Verschulden des Versanddienstleisters?
OLG Saarbrücken v. 28.11.2025, 3 U 7/25
Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt in Saarbrücken Modegeschäfte. Sie hatte für 8.044 € Ware bei Z. bestellt. Diese wurde im Januar 2023 auch an sie ausgeliefert. Da die Ware nach Ansicht der Klägerin mangelhaft war, schickte sie diese mithilfe der Beklagten, einem Versanddienstleister, zurück. Der Z. verweigerte jedoch die Annahme. Die Ware ging sodann von dort wieder an die Klägerin, die ihrerseits am 22.3.2023 die Annahme verweigerte.
Daraufhin transportierte die Beklagte noch am selben Tag die Ware in ihr Verteilzentrum. Dort blieb sie trotz eingeleiteter Nachforschung unauffindbar. Die Klägerin gab am 23.8.2023 eine Schadensmeldung ab. Mit E-Mail vom selben Tage meldete sich die Beklagte bei der Klägerin und teilte wörtlich mit: "Guten Tag, der Fall wurde neu bewertet und die Fachabteilung schließt den Fall als "UPS-Fehler" (Vertragspartner-Fehler)". Am 29.8.2023 lehnte die Beklagte eine Erstattung des von der Klägerin zuvor geltend gemachten Schadens i.H.v. 8.044 € ab.
In einem vor dem LG München I geführten Rechtsstreit zwischen dem Z. und der Klägerin wegen des streitgegenständlichen Kaufs verpflichtete sich die Klägerin durch gerichtlichen Vergleich am 16.10.2023 zur Zahlung von 7.000 €. Mit ihrer Klage im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von 7.000 € in der Hauptsache sowie vorgerichtlichen Anwaltskosten in Anspruch genommen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG das Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte wird unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Klägerin 122,53 € zu zahlen.
Die Gründe:
Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis zu. Die Mitteilung der Beklagten, der Fall werde durch die Fachabteilung als "UPS-Fehler" eingestuft, ließ mangels weiterer Umstände nicht auf einen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen der Beklagten schließen, ihre Haftung gegenüber der Klägerin dem Grunde und/oder der Höhe nach anzuerkennen. Die Erklärung bezog sich schon ihrem Wortlaut nach nur auf die Bewertung eines internen Vorgangs, nicht aber auf die Frage, inwieweit aus diesem Vorgang eine Haftung im Außenverhältnis abgeleitet werden könnte. Ob in dieser Erklärung der Beklagten ein "Zeugnis gegen sich selbst" (Schuldeingeständnis, Schuldbekenntnis) lag, bedurfte keiner Vertiefung, da ein Schuldeingeständnis keine selbstständigen materiell-rechtlichen Ansprüche begründet.
Entgegen der Auffassung des LG steht der Klägerin gegen die Beklagte aber ein Anspruch aus § 425 Abs. 1 HGB zu. Denn aufgrund der unstreitigen dauerhaften Unauffindbarkeit des von der Beklagten zur Beförderung übernommenen Guts lag hier ein Verlust i.S.d. Regelung vor. Der durch den Verlust bedingte Schaden war auch in dem für § 425 Abs. 1 HGB maßgeblichen Haftungszeitraum eingetreten. Dem stand nicht entgegen, dass sowohl die Klägerin als Absenderin als auch die Verkäuferin als Empfängerin die Annahme des Gutes verweigert hatten. Kann nach Übernahme des Gutes aufgrund einer Annahmeverweigerung die Ablieferung nicht vertragsgemäß durchgeführt werden, so hat der Frachtführer nach § 419 Abs. 1 Satz 1 HGB Weisungen des nach § 418 HGB verfügungsberechtigten Absenders einzuholen.
Entgegen der Auffassung des LG konnte hier auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin (unaufgefordert) eine nachträgliche Weisung zum Entsorgen des Gutes getroffen hatte. Eine Weisung i.S.d. § 418 HGB kann zwar auch konkludent erfolgen. Allerdings kann in einer Annahmeverweigerung des Frachtgutes durch den Absender, das der Frachtführer aufgrund einer Annahmeverweigerung des Empfängers auf eigene Veranlassung und entgegen der gesetzlichen Pflicht zur Einholung von Weisungen (§ 419 Abs. 1 Satz 1 HGB) zum Absender zurückbefördert und bei diesem abliefern will, ohne das Vorliegen besonderer Umstände keine Weisung gesehen werden, das Frachtgut kostenschonend zu entsorgen.
War danach die Beförderung noch nicht beendet, haftet die Beklagte grundsätzlich nach den §§ 425 ff. HGB, ohne dass ihr eine Haftungsmilderung im Hinblick auf die Annahmeverweigerung zugutekommt. Der zu leistende Ersatz richtet sich nach den §§ 429 ff. HGB. Allerdings war die zu leistende Entschädigung ihrer Höhe nach gem. § 431 Abs. 1 HGB beschränkt. Danach ergab sich ein zu ersetzender Betrag von (8,33 SZR [Sonderziehungsrecht] x 12 kg =) 99,96 SZR, was einem Betrag von 122,53 € entsprach. Ein Wegfall der Haftungsbegrenzung nach § 435 HGB kam hier nicht in Betracht. Es konnte auch nicht von einem leichtfertigen Handeln der Beklagten im Bewusstsein der Schadenswahrscheinlichkeit ausgegangen werden.
Soweit die Klägerin dem entgegengehalten hatte, die Beklagte würde ihrer sekundären Darlegungslast nicht gerecht, hat sie die Verteilung der Darlegungslast im Rahmen des § 435 HGB verkannt. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist nämlich anerkannt, dass der Anspruchsteller grundsätzlich die Voraussetzungen für den Wegfall der zugunsten des Frachtführers bestehenden gesetzlichen oder vertraglichen Haftungsbegrenzungen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat. Er trägt daher die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Frachtführer oder seine Leute vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein gehandelt haben, es werde mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden eintreten.
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Die Klägerin betreibt in Saarbrücken Modegeschäfte. Sie hatte für 8.044 € Ware bei Z. bestellt. Diese wurde im Januar 2023 auch an sie ausgeliefert. Da die Ware nach Ansicht der Klägerin mangelhaft war, schickte sie diese mithilfe der Beklagten, einem Versanddienstleister, zurück. Der Z. verweigerte jedoch die Annahme. Die Ware ging sodann von dort wieder an die Klägerin, die ihrerseits am 22.3.2023 die Annahme verweigerte.
Daraufhin transportierte die Beklagte noch am selben Tag die Ware in ihr Verteilzentrum. Dort blieb sie trotz eingeleiteter Nachforschung unauffindbar. Die Klägerin gab am 23.8.2023 eine Schadensmeldung ab. Mit E-Mail vom selben Tage meldete sich die Beklagte bei der Klägerin und teilte wörtlich mit: "Guten Tag, der Fall wurde neu bewertet und die Fachabteilung schließt den Fall als "UPS-Fehler" (Vertragspartner-Fehler)". Am 29.8.2023 lehnte die Beklagte eine Erstattung des von der Klägerin zuvor geltend gemachten Schadens i.H.v. 8.044 € ab.
In einem vor dem LG München I geführten Rechtsstreit zwischen dem Z. und der Klägerin wegen des streitgegenständlichen Kaufs verpflichtete sich die Klägerin durch gerichtlichen Vergleich am 16.10.2023 zur Zahlung von 7.000 €. Mit ihrer Klage im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von 7.000 € in der Hauptsache sowie vorgerichtlichen Anwaltskosten in Anspruch genommen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG das Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte wird unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Klägerin 122,53 € zu zahlen.
Die Gründe:
Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis zu. Die Mitteilung der Beklagten, der Fall werde durch die Fachabteilung als "UPS-Fehler" eingestuft, ließ mangels weiterer Umstände nicht auf einen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen der Beklagten schließen, ihre Haftung gegenüber der Klägerin dem Grunde und/oder der Höhe nach anzuerkennen. Die Erklärung bezog sich schon ihrem Wortlaut nach nur auf die Bewertung eines internen Vorgangs, nicht aber auf die Frage, inwieweit aus diesem Vorgang eine Haftung im Außenverhältnis abgeleitet werden könnte. Ob in dieser Erklärung der Beklagten ein "Zeugnis gegen sich selbst" (Schuldeingeständnis, Schuldbekenntnis) lag, bedurfte keiner Vertiefung, da ein Schuldeingeständnis keine selbstständigen materiell-rechtlichen Ansprüche begründet.
Entgegen der Auffassung des LG steht der Klägerin gegen die Beklagte aber ein Anspruch aus § 425 Abs. 1 HGB zu. Denn aufgrund der unstreitigen dauerhaften Unauffindbarkeit des von der Beklagten zur Beförderung übernommenen Guts lag hier ein Verlust i.S.d. Regelung vor. Der durch den Verlust bedingte Schaden war auch in dem für § 425 Abs. 1 HGB maßgeblichen Haftungszeitraum eingetreten. Dem stand nicht entgegen, dass sowohl die Klägerin als Absenderin als auch die Verkäuferin als Empfängerin die Annahme des Gutes verweigert hatten. Kann nach Übernahme des Gutes aufgrund einer Annahmeverweigerung die Ablieferung nicht vertragsgemäß durchgeführt werden, so hat der Frachtführer nach § 419 Abs. 1 Satz 1 HGB Weisungen des nach § 418 HGB verfügungsberechtigten Absenders einzuholen.
Entgegen der Auffassung des LG konnte hier auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin (unaufgefordert) eine nachträgliche Weisung zum Entsorgen des Gutes getroffen hatte. Eine Weisung i.S.d. § 418 HGB kann zwar auch konkludent erfolgen. Allerdings kann in einer Annahmeverweigerung des Frachtgutes durch den Absender, das der Frachtführer aufgrund einer Annahmeverweigerung des Empfängers auf eigene Veranlassung und entgegen der gesetzlichen Pflicht zur Einholung von Weisungen (§ 419 Abs. 1 Satz 1 HGB) zum Absender zurückbefördert und bei diesem abliefern will, ohne das Vorliegen besonderer Umstände keine Weisung gesehen werden, das Frachtgut kostenschonend zu entsorgen.
War danach die Beförderung noch nicht beendet, haftet die Beklagte grundsätzlich nach den §§ 425 ff. HGB, ohne dass ihr eine Haftungsmilderung im Hinblick auf die Annahmeverweigerung zugutekommt. Der zu leistende Ersatz richtet sich nach den §§ 429 ff. HGB. Allerdings war die zu leistende Entschädigung ihrer Höhe nach gem. § 431 Abs. 1 HGB beschränkt. Danach ergab sich ein zu ersetzender Betrag von (8,33 SZR [Sonderziehungsrecht] x 12 kg =) 99,96 SZR, was einem Betrag von 122,53 € entsprach. Ein Wegfall der Haftungsbegrenzung nach § 435 HGB kam hier nicht in Betracht. Es konnte auch nicht von einem leichtfertigen Handeln der Beklagten im Bewusstsein der Schadenswahrscheinlichkeit ausgegangen werden.
Soweit die Klägerin dem entgegengehalten hatte, die Beklagte würde ihrer sekundären Darlegungslast nicht gerecht, hat sie die Verteilung der Darlegungslast im Rahmen des § 435 HGB verkannt. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist nämlich anerkannt, dass der Anspruchsteller grundsätzlich die Voraussetzungen für den Wegfall der zugunsten des Frachtführers bestehenden gesetzlichen oder vertraglichen Haftungsbegrenzungen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat. Er trägt daher die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Frachtführer oder seine Leute vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein gehandelt haben, es werde mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden eintreten.
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