Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft trifft ausgeschiedenen Geschäftsführer nur im Ausnahmefall
BGH v. 22.10.2025 - I ZB 47/25
Der Sachverhalt:
Die Gläubiger betreiben gegen die Schuldnerin, eine GmbH, die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil vom 6.5.2021 und einem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.6.2021. Nachdem die Gläubiger einen Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft vom 29.9.2023 erwirkt hatten, beantragten sie am 18.4.2024 die Vollstreckung des Haftbefehls und die Abnahme der Vermögensauskunft. Die für den Geschäftssitz der Schuldnerin zuständige Gerichtsvollzieherin leitete den Antrag an den Gerichtsvollzieher eines anderen Gerichtsbezirks weiter, da die Geschäftsführerin der Schuldnerin in den Geschäftsräumen der Schuldnerin nicht anzutreffen sei und sie ihren privaten Wohnsitz in dessen Zuständigkeitsbezirk habe.
Die Geschäftsführerin der Schuldnerin erteilte diesem Gerichtsvollzieher am 8.7.2024 eine Vermögensauskunft, die sich im Wesentlichen darauf beschränkte, dass sie keine Angaben machen könne. Daraufhin beantragten die Gläubiger die Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft durch den alleinigen Gesellschafter der Schuldnerin und ehemaligen Geschäftsführer M.T. Dieser sei der faktische Geschäftsführer der Schuldnerin.
Die für den Geschäftssitz der Schuldnerin zuständige Gerichtsvollzieherin lehnte diesen Antrag ab. Hiergegen legten die Gläubiger Erinnerung ein, mit der sie in der Hauptsache die Anweisung der Gerichtsvollzieherin begehren, dem Antrag der Gläubiger auf Abnahme der Vermögensauskunft gegen die Schuldnerin, vertreten durch ihren faktischen Geschäftsführer und alleinigen Gesellschafter, zu entsprechen, sowie die Kostenrechnung der Gerichtsvollzieherin i.H.v. 19,80 € über die nicht erledigte Amtshandlung aufzuheben. Hilfsweise beantragen die Gläubiger, den für den Wohnort der aktuellen Geschäftsführerin zuständigen Gerichtsvollzieher anzuweisen, dem Antrag der Gläubiger auf Nachbesserung der von ihr abgegebenen Vermögensauskunft zu entsprechen.
Das AG wies die Erinnerung im Hauptantrag als unbegründet, im Hilfsantrag als unzulässig zurück. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubiger hatte vor dem LG keinen Erfolg. Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubiger hob der BGH den Beschluss des LG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Mit der vom LG gegebenen Begründung kann der Hauptantrag der Gläubiger, die Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO durch den alleinigen Gesellschafter und ehemaligen Geschäftsführer der Schuldnerin T. zu erzwingen, nicht zurückgewiesen werden. Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Vermögensauskunft nach § 802c ZPO für eine juristische Person durch ihren gesetzlichen Vertreter abzugeben ist, bei einer GmbH demgemäß durch ihren Geschäftsführer (§ 35 GmbHG). Die Rechtsbeschwerde wendet sich aber mit Erfolg gegen die Beurteilung des LG, die Vermögensauskunft sei im Streitfall nicht auch von dem Gesellschafter der Schuldnerin, der früher ihr Geschäftsführer war, abzugeben, sondern allein von der aktuellen bestellten Geschäftsführerin der Schuldnerin.
Zur Abgabe der Vermögensauskunft für eine GmbH ist grundsätzlich diejenige Person verpflichtet, die im Zeitpunkt des für die Abgabe der Vermögensauskunft bestimmten Termins ihr Geschäftsführer ist. Die Geschäftsführerin der Schuldnerin ist im Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft erschienen und hat Auskunft erteilt. Diese Vermögensauskunft ist jedoch unzureichend. Sie erschöpft sich im Wesentlichen in der Aussage, dass die Geschäftsführerin die erfragten Angaben mangels Kenntnis nicht machen könne, dass sie vom ehemaligen Geschäftsführer keine Geschäftsunterlagen erhalten habe und zuständig für weitere Auskünfte der Allein-Gesellschafter und ehemalige Geschäftsführer sei.
Die Beurteilung des LG, der Allein-Gesellschafter der Schuldnerin T. sei nicht ausnahmsweise als früherer Geschäftsführer der Schuldnerin zur Abgabe der Vermögensauskunft verpflichtet, hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand. Der Senat hat entschieden, dass der einzige Vorstand eines eingetragenen Vereins, der sein Amt erst nach der Ladung zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung niedergelegt hat, ohne dass ein neuer gesetzlicher Vertreter bestellt worden ist, verpflichtet bleibt, für den Verein die Vermögensauskunft abzugeben, wenn die Berufung auf die Amtsniederlegung rechtsmissbräuchlich wäre. Auf diese Rechtsprechung können sich die Gläubiger im Streitfall nicht berufen. Die Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft trifft den ausgeschiedenen Geschäftsführer nur für den Fall, dass sich die Berufung auf die Beendigung der Organstellung als rechtsmissbräuchlich erweist. Dies kann der Fall sein, wenn Veränderungen in der gesetzlichen Vertretung der GmbH während des Zwangsvollstreckungsverfahrens erfolgen. So liegt der Fall hier aber nicht. Deshalb kann der Grundsatz von Treu und Glauben in seiner verfahrensrechtlichen Ausprägung vorliegend nicht zur Anwendung kommen.
Die von der Rechtsbeschwerde angegriffene Entscheidung kann jedoch deshalb keinen Bestand haben, weil das LG nicht in Betracht gezogen hat, dass der Allein-Gesellschafter der Schuldnerin T. als faktischer Geschäftsführer der Schuldnerin ebenfalls zur Abgabe der Vermögensauskunft verpflichtet sein könnte. Kann der gesetzliche Vertreter einer juristischen Person im Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nur angeben, dass er zur Erteilung von Auskünften zu dem zu offenbarenden Vermögen nicht in der Lage ist, weil er die ihm als gesetzlichem Vertreter übertragenen Aufgaben nicht ausführe, keine Kenntnisse über die geschäftliche Tätigkeit des Unternehmens habe und Auskünfte allein eine andere Person erteilen könne, ist auf Antrag des Gläubigers auch derjenige, der faktisch die Organstellung ausübt, zur Abgabe der Vermögensauskunft zu laden.
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Die Gläubiger betreiben gegen die Schuldnerin, eine GmbH, die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil vom 6.5.2021 und einem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.6.2021. Nachdem die Gläubiger einen Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft vom 29.9.2023 erwirkt hatten, beantragten sie am 18.4.2024 die Vollstreckung des Haftbefehls und die Abnahme der Vermögensauskunft. Die für den Geschäftssitz der Schuldnerin zuständige Gerichtsvollzieherin leitete den Antrag an den Gerichtsvollzieher eines anderen Gerichtsbezirks weiter, da die Geschäftsführerin der Schuldnerin in den Geschäftsräumen der Schuldnerin nicht anzutreffen sei und sie ihren privaten Wohnsitz in dessen Zuständigkeitsbezirk habe.
Die Geschäftsführerin der Schuldnerin erteilte diesem Gerichtsvollzieher am 8.7.2024 eine Vermögensauskunft, die sich im Wesentlichen darauf beschränkte, dass sie keine Angaben machen könne. Daraufhin beantragten die Gläubiger die Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft durch den alleinigen Gesellschafter der Schuldnerin und ehemaligen Geschäftsführer M.T. Dieser sei der faktische Geschäftsführer der Schuldnerin.
Die für den Geschäftssitz der Schuldnerin zuständige Gerichtsvollzieherin lehnte diesen Antrag ab. Hiergegen legten die Gläubiger Erinnerung ein, mit der sie in der Hauptsache die Anweisung der Gerichtsvollzieherin begehren, dem Antrag der Gläubiger auf Abnahme der Vermögensauskunft gegen die Schuldnerin, vertreten durch ihren faktischen Geschäftsführer und alleinigen Gesellschafter, zu entsprechen, sowie die Kostenrechnung der Gerichtsvollzieherin i.H.v. 19,80 € über die nicht erledigte Amtshandlung aufzuheben. Hilfsweise beantragen die Gläubiger, den für den Wohnort der aktuellen Geschäftsführerin zuständigen Gerichtsvollzieher anzuweisen, dem Antrag der Gläubiger auf Nachbesserung der von ihr abgegebenen Vermögensauskunft zu entsprechen.
Das AG wies die Erinnerung im Hauptantrag als unbegründet, im Hilfsantrag als unzulässig zurück. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubiger hatte vor dem LG keinen Erfolg. Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubiger hob der BGH den Beschluss des LG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Mit der vom LG gegebenen Begründung kann der Hauptantrag der Gläubiger, die Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO durch den alleinigen Gesellschafter und ehemaligen Geschäftsführer der Schuldnerin T. zu erzwingen, nicht zurückgewiesen werden. Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Vermögensauskunft nach § 802c ZPO für eine juristische Person durch ihren gesetzlichen Vertreter abzugeben ist, bei einer GmbH demgemäß durch ihren Geschäftsführer (§ 35 GmbHG). Die Rechtsbeschwerde wendet sich aber mit Erfolg gegen die Beurteilung des LG, die Vermögensauskunft sei im Streitfall nicht auch von dem Gesellschafter der Schuldnerin, der früher ihr Geschäftsführer war, abzugeben, sondern allein von der aktuellen bestellten Geschäftsführerin der Schuldnerin.
Zur Abgabe der Vermögensauskunft für eine GmbH ist grundsätzlich diejenige Person verpflichtet, die im Zeitpunkt des für die Abgabe der Vermögensauskunft bestimmten Termins ihr Geschäftsführer ist. Die Geschäftsführerin der Schuldnerin ist im Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft erschienen und hat Auskunft erteilt. Diese Vermögensauskunft ist jedoch unzureichend. Sie erschöpft sich im Wesentlichen in der Aussage, dass die Geschäftsführerin die erfragten Angaben mangels Kenntnis nicht machen könne, dass sie vom ehemaligen Geschäftsführer keine Geschäftsunterlagen erhalten habe und zuständig für weitere Auskünfte der Allein-Gesellschafter und ehemalige Geschäftsführer sei.
Die Beurteilung des LG, der Allein-Gesellschafter der Schuldnerin T. sei nicht ausnahmsweise als früherer Geschäftsführer der Schuldnerin zur Abgabe der Vermögensauskunft verpflichtet, hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand. Der Senat hat entschieden, dass der einzige Vorstand eines eingetragenen Vereins, der sein Amt erst nach der Ladung zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung niedergelegt hat, ohne dass ein neuer gesetzlicher Vertreter bestellt worden ist, verpflichtet bleibt, für den Verein die Vermögensauskunft abzugeben, wenn die Berufung auf die Amtsniederlegung rechtsmissbräuchlich wäre. Auf diese Rechtsprechung können sich die Gläubiger im Streitfall nicht berufen. Die Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft trifft den ausgeschiedenen Geschäftsführer nur für den Fall, dass sich die Berufung auf die Beendigung der Organstellung als rechtsmissbräuchlich erweist. Dies kann der Fall sein, wenn Veränderungen in der gesetzlichen Vertretung der GmbH während des Zwangsvollstreckungsverfahrens erfolgen. So liegt der Fall hier aber nicht. Deshalb kann der Grundsatz von Treu und Glauben in seiner verfahrensrechtlichen Ausprägung vorliegend nicht zur Anwendung kommen.
Die von der Rechtsbeschwerde angegriffene Entscheidung kann jedoch deshalb keinen Bestand haben, weil das LG nicht in Betracht gezogen hat, dass der Allein-Gesellschafter der Schuldnerin T. als faktischer Geschäftsführer der Schuldnerin ebenfalls zur Abgabe der Vermögensauskunft verpflichtet sein könnte. Kann der gesetzliche Vertreter einer juristischen Person im Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nur angeben, dass er zur Erteilung von Auskünften zu dem zu offenbarenden Vermögen nicht in der Lage ist, weil er die ihm als gesetzlichem Vertreter übertragenen Aufgaben nicht ausführe, keine Kenntnisse über die geschäftliche Tätigkeit des Unternehmens habe und Auskünfte allein eine andere Person erteilen könne, ist auf Antrag des Gläubigers auch derjenige, der faktisch die Organstellung ausübt, zur Abgabe der Vermögensauskunft zu laden.
Kommentierung | ZPO
§ 802c Vermögensauskunft des Schuldners
Seibel in Zöller, Zivilprozessordnung, 36. Aufl. 2026
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