08.12.2025

Pflicht zur Darlehensrückzahlung (aber nicht zur Unterhaltszahlung) nach Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft

Der Darlehensvertrag als ein Dauerschuldverhältnis kann sowohl vom Darlehensgeber als auch vom Darlehensnehmer gemäß den §§ 490 Abs. 3, 314BGB durch eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden. Nach Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gibt es keine fortwirkende Solidarität der früheren Lebenspartner in Form von Unterhaltszahlungen für den wirtschaftlich schwächeren Partner. Diese sind vom Gesetz nicht vorgesehen.

OLG Schleswig-Holstein v. 3.12.2025, 9 U 5/25
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist 63 Jahre, der Beklagte ist 82 Jahre alt. Die Parteien lebten von 1993 bis 2022 in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammen. Aus der Beziehung sind eine heute 32-jährige Tochter und ein 28-jähriger Sohn hervorgegangen. Der Beklagte hatte die Klägerin in einem 2014 errichteten notariellen Testament begünstigt, das er 2022 widerrief. Die Klägerin erhielt 2015 von ihrer Mutter 310.000 € geschenkt. Davon gewährte sie dem Beklagten im August 2018 ein Darlehen über 100.000 €, das er im März 2019 vorzeitig zurückzahlte. Im Oktober 2019 gewährte die Klägerin ihm erneut ein Darlehen i.H.v. 50.000 €. Vereinbart war wieder eine Laufzeit von 10 Jahren und eine Zinsbindung von 1,8% p.a.

Die Parteien trennten sich im Frühjahr 2022. Der Beklagte forderte die Klägerin zum Auszug aus der in seinem Alleineigentum stehenden Immobilie auf. Die Parteien leben beide nach wie vor dort, wobei sich der Beklagte weitgehend in einer weiteren, dem Beklagten gehörenden Immobilie aufhält. Auch die gemeinsame volljährige Tochter wohnt dort. Im September 2022 kündigte der Beklagte das zwischen ihm und der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 17.5.2023 verlangte die Klägerin vom Beklagten die Rückzahlung des Darlehensbetrages bis zum 15.6.2023. In der Klageschrift vom 18.12.2023 hat sie ausdrücklich unter Berufung auf die Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft den Darlehensvertrag aus wichtigem Grund "wiederholend" gekündigt, hilfsweise den Rücktritt wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage erklärt. Weiterhin hat die Klägerin unter Berufung auf eine behauptete Zusicherung des Beklagten, sie in Zukunft im Falle seines Vorversterbens oder im Falle einer Trennung wirtschaftlich und finanziell angemessen abzusichern, eine Stufenklage auf Zahlung von Versorgungsleistungen eingereicht.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Es sei keine wirksame Kündigung des Darlehensvertrags erfolgt. Eine Störung der Geschäftsgrundlage liege nicht vor. Die haupt- und hilfsweise geltend gemachten Versorgungsansprüche seien nicht begründet. Aus den behaupteten Versicherungen des Beklagten ergebe sich kein Rechtsbindungswille. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG die Entscheidung abgeändert und der Klage zum Teil stattgegeben.

Die Gründe:
Die Klägerin hatte gegen den Beklagten einen Darlehensrückzahlungsanspruch über 50.000 €, der durch Aufrechnung des Beklagten mit begründeten Gegenforderungen i.H.v. 17.550 € erloschen ist, so dass ein Rückzahlungsanspruch i.H.v. 32.450 € verblieben ist.

Der Klägerin stand ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 314 BGB i.V.m. § 490 Abs. 3 BGB zu. Die Voraussetzungen für eine Kündigung aus wichtigem Grund waren gegeben. Aus Sicht des Senats gibt es kein Vorrangverhältnis des Kündigungsrechts nach § 314 BGB aus wichtigem Grund zu dem Kündigungsrecht bei Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB oder umgekehrt. Aufgrund der Regelung in § 490 Abs. 3 BGB, die ausdrücklich sowohl die Regelung des § 313 BGB als auch des § 314 BGB unberührt lässt, kann kein Vorrang der einen oder anderen Regelung in das Gesetz hineininterpretiert werden. Die Regelungen des § 313 BGB und des § 314 BGB sind zumindest bei Darlehensverträgen selbstständig nebeneinander zu prüfen.

Der Darlehensvertrag als ein Dauerschuldverhältnis kann sowohl vom Darlehensgeber als auch vom Darlehensnehmer gemäß den §§ 490 Abs. 3, 314BGB durch eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden. § 314 Abs. 1 Satz 1 BGB sieht vor, dass jeder Vertragsteil das Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen kann. Ein wichtiger Grund liegt dabei vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung nicht zugemutet werden kann (§ 314 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der beiderseitigen Interessen führten im vorliegenden Verfahren dazu, dass der Klägerin eine Fortsetzung des Darlehensvertrages bis zum 31.10.2029 nach Beendigung der Lebensgemeinschaft nicht zugemutet werden konnte. Dabei handelte es sich auch um Gründe, die dem Einflussbereich des Beklagten zuzuordnen waren. Schließlich hatte dieser im Zuge der Trennung sowohl das Arbeitsverhältnis gekündigt als auch die Klägerin zum Auszug aus der bis dahin gemeinsam bewohnten Immobilie aufgefordert. Damit hatte er von seiner Seite aus Schritte hin zu einer wirtschaftlichen Entflechtung von der Klägerin vorgenommen.

Infolgedessen hielt der Senat es für die Klägerin nicht zumutbar, dass sie weiterhin ihr Vermögen dem Beklagten langfristig zur Verfügung stellen soll, während der Beklagte von seiner Seite aus eine wirtschaftliche Entflechtung vorgenommen hat. Dabei berücksichtigte der Senat auch, dass die Darlehensrückzahlung den Beklagten nicht in eine wirtschaftliche Notlage bringen wird. Vielmehr ist der Beklagte nach seinen eigenen Angaben in der Lage, den Kredit vorzeitig zurückzuzahlen.

Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten aus Versorgungszusagen bestehen nicht. Es gab weder eine vertragliche Zusage noch lag ein Ausgleichsanspruch nach Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft vor. Nach Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gibt es keine fortwirkende Solidarität der früheren Lebenspartner in Form von Unterhaltszahlungen für den wirtschaftlich schwächeren Partner. Diese sind vom Gesetz nicht vorgesehen.

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