26.04.2023

Präjudizielle Bedeutung der rechtskräftigen Entscheidung zur Nichtigkeit eines Grundstückskaufvertrags für Entscheidung über Grundbuchberichtigung

Die rechtskräftige Entscheidung, mit der die Nichtigkeit eines Grundstückskaufvertrags festgestellt wird, hat präjudizielle Bedeutung für die Entscheidung über die Berichtigung des Grundbuchs wegen Erlöschens des durch Vormerkung gesicherten Anspruchs aus diesem Vertrag; mit Rechtskraft des Feststellungsurteils steht fest, dass die Auflassungsvormerkung nicht entstanden und das Grundbuch hinsichtlich deren Eintragung unrichtig ist. Ist in einem Vorprozess eine Klage auf Bewilligung der Löschung einer Auflassungsvormerkung im Wege der Grundbuchberichtigung rechtskräftig abgewiesen worden, ist ein mit dem Klageantrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrags verbundener erneuter Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs hinsichtlich der Vormerkung nur dann zulässig, wenn die Klageanträge dergestalt in ein Eventualverhältnis gestellt werden, dass der auf Grundbuchberichtigung gerichtete Antrag nur hilfsweise für den Fall gestellt wird, dass der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrags Erfolg hat.

BGH v. 17.2.2023 - V ZR 22/22
Der Sachverhalt:
Die Parteien schlossen am 18.2.2014 einen Kaufvertrag zu einem beurkundeten Kaufpreis von 200.000 € über ein im Eigentum des Klägers stehendes Grundstück. Der Vertrag war aufschiebend bedingt davon abhängig, dass der Kläger oder der Beklagte gegenüber der jeweils anderen Partei erklärte, der Kauf bzw. Verkauf solle zustande kommen. Zugunsten des Beklagten wurde eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen. Eine Auflassung des Grundstücks an ihn ist bislang nicht erfolgt.

Im Vorfeld des Vertrags kam es zu einem Treffen der Parteien, in dessen Anschluss der Beklagte einen Barbetrag von 50.000 € an den Kläger zahlte. Der Kläger erhob 2016 Klage auf Bewilligung der Löschung der Vormerkung und machte geltend, der Beklagte habe das Optionsrecht nicht wirksam ausgeübt. Die Klage wurde mit Urteil des LG Heilbronn vom 22.3.2017 rechtskräftig abgewiesen (erster Vorprozess). In einem weiteren Vorprozess mit umgekehrtem Rubrum vor dem LG Heilbronn (zweiter Vorprozess) wurde der hiesige Kläger rechtskräftig zur Rückzahlung von 50.000 € verurteilt, gestützt auf ein von dem Beklagten gewährtes Darlehen. Mit der Behauptung, es sei tatsächlich ein Kaufpreis von 350.000 € vereinbart worden, verlangt der Kläger - soweit von Interesse - die Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrags und erneut die Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkung.

Das LG stellte die Nichtigkeit des Kaufvertrags fest und wies die Klage im Übrigen als unzulässig ab. Das OLG wies die Berufungen beider Parteien zurück und ließ für den Kläger die Revision zu. Mit dieser verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkung weiter. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH Erfolg.

Die Gründe:
Rechtsfehlerfrei geht das OLG davon aus, dass der Zulässigkeit der Klage auf Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkung nicht die materielle Rechtskraft des in dem zweiten Vorprozess ergangenen Urteils entgegensteht. Der Streitgegenstand des Anspruchs auf Grundbuchberichtigung gem. § 894 BGB ist nicht identisch mit dem in dem zweiten Vorprozess geltend gemachten Anspruch des Beklagten auf Zahlung von 50.000 €. Entgegen der Auffassung des OLG steht er Verurteilung des Beklagten zur Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkung auch nicht das in dem ersten Vorprozess ergangene Urteil vom 22.3.2017 entgegen.

Die rechtskräftige Entscheidung, mit der die Nichtigkeit eines Grundstückskaufvertrags festgestellt wird, hat präjudizielle Bedeutung für die Entscheidung über die Berichtigung des Grundbuchs wegen Erlöschens des durch Vormerkung gesicherten Anspruchs aus diesem Vertrag. Mit Rechtskraft des Feststellungsurteils steht fest, dass die Auflassungsvormerkung nicht entstanden und das Grundbuch hinsichtlich deren Eintragung unrichtig ist. Diese Auswirkungen des Feststellungsurteils verändern nachträglich die Tatsachengrundlage des in dem Vorprozess ergangenen Urteils, mit dem der Anspruch auf die Berichtigung des Grundbuchs gem. § 894 BGB rechtskräftig verneint wurde. Bei der eingetragenen Auflassungsvormerkung handelt es sich nur noch um eine "leere Hülle", die keinen Anspruch sichert. Von einer solchen Eintragung ist das Grundbuch freizumachen.

Wenn der Kläger aber trotz der Rechtskraft des Urteils in dem ersten Vorprozess sukzessive Klagen auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrags und auf Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkung gem. § 894 BGB erheben könnte, muss es ihm entsprechend dem Rechtsgedanken des § 259 ZPO aus prozessökonomischen Gründen auch gestattet sein, beide Klageanträge in einer Klage zu verbinden. Allerdings steht erst mit Eintritt der Rechtskraft des Feststellungsurteils fest, dass das Grundbuch hinsichtlich der Auflassungsvormerkung unrichtig ist. Da der Kläger aufgrund der zuvor entgegenstehenden Rechtskraft erst dann die Löschung der Vormerkung bewirken kann, ist es nicht zulässig, den Antrag auf Grundbuchberichtigung neben dem Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrags als weiteren Hauptantrag zu stellen (kumulativ), wie es hier der Kläger getan hat. Zulässig ist es in dieser Situation nur, die Anträge im Wege einer Eventualklagehäufung in der Weise zu verknüpfen, dass nur bei Erfolg der Feststellungsklage über den auf Grundbuchberichtigung gerichteten Antrag zu entscheiden ist.

Ist in einem Vorprozess eine Klage auf Bewilligung der Löschung einer Auflassungsvormerkung im Wege der Grundbuchberichtigung rechtskräftig abgewiesen worden, ist ein mit dem Klageantrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrags verbundener erneuter Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs hinsichtlich der Vormerkung nur dann zulässig, wenn die Klageanträge dergestalt in ein Eventualverhältnis gestellt werden, dass der auf Grundbuchberichtigung gerichtete Antrag nur hilfsweise für den Fall gestellt wird, dass der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrags Erfolg hat. Der auf die Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkung gerichtete Klageantrag muss also unter die innerprozessuale Rechtsbedingung gestellt werden, dass die Feststellungsklage Erfolg hat. Es kann dem Kläger in einem solchen Fall nicht zugemutet werden, zwei Prozesse hintereinander zu führen. Dem Beklagten entstehen aus einer solchen sog. uneigentlichen Eventualklagehäufung keine Nachteile.

An einer solchen Eventualklagehäufung fehlt es hier zwar. Der Kläger hat die Klageanträge nebeneinander (kumulativ) und nicht in Abhängigkeit voneinander als Haupt- und Hilfsantrag gestellt. Das führt aber nicht dazu, dass seine Revision zurückzuweisen wäre. Im Ausgangspunkt müsste es dem Kläger nämlich gem. § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO durch gerichtlichen Hinweis ermöglicht werden, seine Anträge umzustellen; das könnte grundsätzlich auch in der Revisionsinstanz geschehen. Hier ist es aber deshalb anders, weil sich der Fehler bei der Antragstellung in der Revisionsinstanz prozessual überholt hat; denn beide Klageanträge sind Gegenstand der Entscheidung des Senats. Mit der Zurückweisung der Anschlussrevision durch den Senat ist rechtskräftig festgestellt, dass der Kaufvertrag vom 18.2.2014 nichtig ist. Weil damit feststeht, dass die Auflassungsvormerkung nicht entstanden ist, ist auch der Grundbuchberichtigungsanspruch gegeben.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | BGB
§ 883 Voraussetzungen und Wirkung der Vormerkung
Artz in Erman, BGB, 16./17. Aufl. 2020/2023

Kommentierung | BGB
§ 894 Berichtigung des Grundbuchs
Artz in Erman, BGB, 16./17. Aufl. 2020/2023

Kommentierung | ZPO
§ 259 Klage wegen Besorgnis nicht rechtzeitiger Leistung
Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022

Kommentierung | ZPO
§ 260 Anspruchshäufung
Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022

Kommentierung | ZPO
§ 322 Materielle Rechtskraft
G. Vollkommer in Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022

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