Prüfungsfrist für Haftpflichtversicherer nach Verkehrsunfall
OLG Frankfurt a.M. 17.6.2025 - 30 W 73/25
Der Sachverhalt:
Das bei der Beklagten zu 2) versicherte Fahrzeug war im Jahr 2022 rechtsseitig auf den hinteren Stoßfänger des auf die Klägerin zugelassenen Fahrzeugs aufgefahren. In einem von der Klägerin in Auftrag gegebenen Privatgutachten wurden Reparaturkosten i.H.v. 3.621 € netto, eine unfallbedingte Wertminderung i.H.v. 500 €, eine Reparaturdauer von vier bis fünf Arbeitstagen sowie ein Nutzungsausfall i.H.v. 175 € pro Tag festgestellt. Zudem vermerkte der Gutachter einen reparierten Vorschaden hinten rechts. Der Klägerin entstanden für dieses Gutachten Kosten i.H.v. 812 € netto. Sie forderte mit anwaltlichem Schreiben vom 3.11.2022 die Beklagte zu 2) auf, den Schaden i.H.v. 5.113 € zu ersetzen.
Mit Schreiben vom 24.11.2022 teilte die Beklagte zu 2) unter Verweis auf den Vorschaden mit, den Ausgleich der Forderung zurückzustellen, da aufgrund des Vorschadens nicht bestimmt werden könne, welcher Schaden auf dem streitgegenständlichen Unfall beruhe. Nachdem die Klägerin die Reparatur des Fahrzeugs veranlasst hatte, forderte sie die Beklagte zu 2) mit weiterem anwaltlichem Schreiben vom 4.1.2023 auf, unter Berücksichtigung der tatsächlichen Reparaturkosten i.H.v. 3.604 € den Gesamtbetrag von 5.181 € bis zum 10.1.2023 zu begleichen. Mit Schreiben vom 10.2.2023 forderte die Klägerin die Beklagte zu 2) unter Fristsetzung bis zum 20.2.2023 zur Zahlung auf. Sie wies darauf hin, dass das Fahrzeug im Unfallzeitpunkt ohne Vorbeschädigung gewesen sei. Für die außergerichtlichen Schreiben entstanden der Klägerin Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 527 €.
Mit Schreiben vom 25.3.2023 forderte die Beklagte zu 2) erneut weitere Informationen und Nachweise zu dem reparierten Vorschaden. Die Klägerin behauptete, auf den Bildern des Gutachtens sei offensichtlich erkennbar gewesen, dass der Vorschaden nicht mehr vorhanden gewesen sei. Zudem seien die Beschädigungen des neuen Unfallereignisses nicht ansatzweise deckungsgleich mit denjenigen aus dem Vorunfallereignis gewesen.
Nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom 20.8.2023, der am 7.9.2023 an die Beklagten weitergeleitet worden ist, die Rechnung für die Reparaturkosten des Vorschadens eingereicht hat, haben die Beklagten die Klageforderung am 20.9.2025 ausgeglichen. Daraufhin haben die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitige Kostenanträge gestellt. Das LG hat der Klägerin die Kosten auferlegt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin blieb vor dem OLG erfolglos.
Die Gründe:
Das LG hat die Kosten mit Recht der Klägerin auferlegt.
Zwar hätte die Klägerin nach dem bisherigen Sach- und Streitstandes obsiegt. Entgegen ihrer Ansicht hatten die Beklagten jedoch keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben. Ein Beklagter gibt Anlass zur Klageerhebung, wenn er sich vor Prozessbeginn so verhält, dass der Kläger bei vernünftiger Würdigung davon ausgehen muss, er werde anders als durch eine Klage nicht zu seinem Recht kommen. Von einer Klageveranlassung seitens der Versicherung kann grundsätzlich dann ausgegangen werden, wenn sich die Versicherung zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage in Verzug befindet. Ein solcher lag hier allerdings nicht vor.
Gem. § 286 Abs.4 BGB kommt der Schuldner nicht in Verzug, solange die Leistung in Folge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. Zwar muss ein Versicherer die Schadensprüfung beschleunigen, dennoch ist ihm bei der Regulierung eines Haftpflichtschadens eine angemessene Frist zur Prüfung von Grund und Umfang der Ersatzpflicht zuzubilligen, vor deren Ablauf gem. § 286 Abs.4 BGB kein Verzug eintritt. Ein Anlass zur Klage besteht regelmäßig dann nicht, wenn der bei einem Kfz-Unfall Geschädigte es unterlässt, berechtigt angeforderte Auskünfte zu erteilen oder Belege zur Verfügung zu stellen. Bei Vorschäden sind zumindest die Mitteilung von Ort und Ausmaß der Beschädigung und Angaben zur durchgeführten Reparatur erforderlich, um der Darlegungslast gegenüber dem Haftpflichtversicherer zu genügen.
Gemessen an diesen Maßstäben hatte die Klägerin ihrer Darlegungslast nicht Genüge getan. Zwar hatte sie - was nicht erforderlich war - ein Sachverständigengutachten vorgelegt. In dem Gutachten war indes hinsichtlich des Vorbeschädigung nur festgehalten, dass das Fahrzeug einen reparierten Vorschaden hinten rechts aufwies. Aus dem Gutachten ergab sich allerdings nicht der genaue Ort und das Ausmaß des Schadens. Es wurde nicht konkretisiert, dass der Schaden überwiegend den Bereich der rechten hinteren Fahrzeugseite betraf. Dies ergab sich erst aus der mit klägerischem Schriftsatz aus August 2023 vorgelegten Reparaturrechnung nebst Lichtbild.
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LaReDa Hessen
Das bei der Beklagten zu 2) versicherte Fahrzeug war im Jahr 2022 rechtsseitig auf den hinteren Stoßfänger des auf die Klägerin zugelassenen Fahrzeugs aufgefahren. In einem von der Klägerin in Auftrag gegebenen Privatgutachten wurden Reparaturkosten i.H.v. 3.621 € netto, eine unfallbedingte Wertminderung i.H.v. 500 €, eine Reparaturdauer von vier bis fünf Arbeitstagen sowie ein Nutzungsausfall i.H.v. 175 € pro Tag festgestellt. Zudem vermerkte der Gutachter einen reparierten Vorschaden hinten rechts. Der Klägerin entstanden für dieses Gutachten Kosten i.H.v. 812 € netto. Sie forderte mit anwaltlichem Schreiben vom 3.11.2022 die Beklagte zu 2) auf, den Schaden i.H.v. 5.113 € zu ersetzen.
Mit Schreiben vom 24.11.2022 teilte die Beklagte zu 2) unter Verweis auf den Vorschaden mit, den Ausgleich der Forderung zurückzustellen, da aufgrund des Vorschadens nicht bestimmt werden könne, welcher Schaden auf dem streitgegenständlichen Unfall beruhe. Nachdem die Klägerin die Reparatur des Fahrzeugs veranlasst hatte, forderte sie die Beklagte zu 2) mit weiterem anwaltlichem Schreiben vom 4.1.2023 auf, unter Berücksichtigung der tatsächlichen Reparaturkosten i.H.v. 3.604 € den Gesamtbetrag von 5.181 € bis zum 10.1.2023 zu begleichen. Mit Schreiben vom 10.2.2023 forderte die Klägerin die Beklagte zu 2) unter Fristsetzung bis zum 20.2.2023 zur Zahlung auf. Sie wies darauf hin, dass das Fahrzeug im Unfallzeitpunkt ohne Vorbeschädigung gewesen sei. Für die außergerichtlichen Schreiben entstanden der Klägerin Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 527 €.
Mit Schreiben vom 25.3.2023 forderte die Beklagte zu 2) erneut weitere Informationen und Nachweise zu dem reparierten Vorschaden. Die Klägerin behauptete, auf den Bildern des Gutachtens sei offensichtlich erkennbar gewesen, dass der Vorschaden nicht mehr vorhanden gewesen sei. Zudem seien die Beschädigungen des neuen Unfallereignisses nicht ansatzweise deckungsgleich mit denjenigen aus dem Vorunfallereignis gewesen.
Nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom 20.8.2023, der am 7.9.2023 an die Beklagten weitergeleitet worden ist, die Rechnung für die Reparaturkosten des Vorschadens eingereicht hat, haben die Beklagten die Klageforderung am 20.9.2025 ausgeglichen. Daraufhin haben die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitige Kostenanträge gestellt. Das LG hat der Klägerin die Kosten auferlegt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin blieb vor dem OLG erfolglos.
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Das LG hat die Kosten mit Recht der Klägerin auferlegt.
Zwar hätte die Klägerin nach dem bisherigen Sach- und Streitstandes obsiegt. Entgegen ihrer Ansicht hatten die Beklagten jedoch keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben. Ein Beklagter gibt Anlass zur Klageerhebung, wenn er sich vor Prozessbeginn so verhält, dass der Kläger bei vernünftiger Würdigung davon ausgehen muss, er werde anders als durch eine Klage nicht zu seinem Recht kommen. Von einer Klageveranlassung seitens der Versicherung kann grundsätzlich dann ausgegangen werden, wenn sich die Versicherung zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage in Verzug befindet. Ein solcher lag hier allerdings nicht vor.
Gem. § 286 Abs.4 BGB kommt der Schuldner nicht in Verzug, solange die Leistung in Folge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. Zwar muss ein Versicherer die Schadensprüfung beschleunigen, dennoch ist ihm bei der Regulierung eines Haftpflichtschadens eine angemessene Frist zur Prüfung von Grund und Umfang der Ersatzpflicht zuzubilligen, vor deren Ablauf gem. § 286 Abs.4 BGB kein Verzug eintritt. Ein Anlass zur Klage besteht regelmäßig dann nicht, wenn der bei einem Kfz-Unfall Geschädigte es unterlässt, berechtigt angeforderte Auskünfte zu erteilen oder Belege zur Verfügung zu stellen. Bei Vorschäden sind zumindest die Mitteilung von Ort und Ausmaß der Beschädigung und Angaben zur durchgeführten Reparatur erforderlich, um der Darlegungslast gegenüber dem Haftpflichtversicherer zu genügen.
Gemessen an diesen Maßstäben hatte die Klägerin ihrer Darlegungslast nicht Genüge getan. Zwar hatte sie - was nicht erforderlich war - ein Sachverständigengutachten vorgelegt. In dem Gutachten war indes hinsichtlich des Vorbeschädigung nur festgehalten, dass das Fahrzeug einen reparierten Vorschaden hinten rechts aufwies. Aus dem Gutachten ergab sich allerdings nicht der genaue Ort und das Ausmaß des Schadens. Es wurde nicht konkretisiert, dass der Schaden überwiegend den Bereich der rechten hinteren Fahrzeugseite betraf. Dies ergab sich erst aus der mit klägerischem Schriftsatz aus August 2023 vorgelegten Reparaturrechnung nebst Lichtbild.
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