19.11.2025

Rechtsanwalt bekommt Kosten für privates Rechtsgutachten nicht erstattet

Die Kosten für die Einholung eines privaten Rechtsgutachtens zur Brüssel Ia-VO sind nicht nach § 91 ZPO erstattungsfähig, weil es Sache des Rechtsanwalts ist, die Rechtslage zu beurteilen. Bei Fragen zur Auslegung des Europarechts sind die Gerichte der Mitgliedsstaaten verpflichtet, gem. Art. 267 AEU-Vertrag den EuGH anzurufen. Eines privaten Rechtsgutachtens einer Partei bedarf es dafür nicht.

OLG Hamburg v. 18.7.2025 - 4 W 87/25
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein Mietwagenunternehmen mit Sitz in Hamburg. Sie hatte die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherin wegen eines Verkehrsunfalls in Frankreich auf Schadensersatz i.H.v. 13.430 € in Anspruch genommen. Diese hat die Forderung nach Zustellung der Klage reguliert. Mit der Klageerwiderung hat die Beklagte mitgeteilt, sich einer Erledigungserklärung der Klägerin anzuschließen, aber die internationale Zuständigkeit des LG Hamburg gerügt und geltend gemacht, dass die Klägerin als international tätige Autovermietung in der Lage gewesen wäre, ihre Ansprüche in Frankreich geltend zu machen. Nach EuGH-Rechtsprechung komme es bei der gebotenen Einzelfallbetrachtung immer auch darauf an, ob der Geschädigte wirtschaftlich schwächer und rechtlich weniger erfahren sei, was auf die Klägerin nicht zutreffe.

Die Klägerin hat beantragt, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Sie hat argumentiert, dass das LG international zuständig sei, weil die Klägerin zum Adressatenkreis des Art. 13 Abs. 2 Brüssel Ia-VO gehöre und damit am Sitz ihres Unternehmens klagen könne. Nach einem Hinweis des LG, sich für international unzuständig zu halten, hat die Klägerin ein privates Rechtsgutachten zum Begriff des Geschädigten i.S.v. Art. 13 EuGVVO eingeholt. Das LG hat daraufhin seine internationale Zuständigkeit bejaht und die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt.

Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss hat das LG von der Beklagten an die Klägerin zu erstattende Kosten für die Einholung des Rechtsgutachtens i.H.v. 2.000 € € festgesetzt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten war vor dem OLG erfolgreich.

Die Gründe:
Das LG hat die Kosten für das von der Klägerin eingeholte Rechtsgutachten zu Unrecht als erstattungsfähig festgesetzt.

Die Kosten eines während des Rechtsstreits eingeholten Privatgutachtens sind nur ausnahmsweise erstattungsfähig, nämlich dann, wenn sie unmittelbar prozessbezogen und notwendig sind (BGH, Beschl. v. 1.2.2017 - VII ZB 18/14 u. Beschl. v. 12.9.2018 - VII ZB 56/15). Die Einholung eines Privatgutachtens ist notwendig, wenn eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Sachdienlichkeit kann insbesondere dann zu bejahen sein, wenn die Partei in Folge fehlender Sachkenntnisse ohne die Einholung des Privatgutachtens nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage war.

Diese Ausnahme lag hier allerdings nicht vor. Die Klägerin durfte die Einholung des Rechtsgutachtens zum Begriff des Geschädigten nach Art. 13 Abs. 2 Brüssel Ia-VO ex ante nicht als sachdienlich erachten, auch wenn das LG zunächst den Hinweis erteilt hatte, international nicht zuständig zu sein. Schließlich war es den Prozessbevollmächtigten der Klägerin durchaus möglich, sich in die Brüssel Ia-VO und die EuGH-Rechtsprechung, die auf Deutsch veröffentlicht sind, einzuarbeiten und zur Auslegung des Begriffs des Geschädigten unter Heranziehung von Fachliteratur vorzutragen.

Außerdem handelt es sich bei der Brüssel Ia-VO um europäisches Recht, das in den Mitgliedsstaaten unmittelbar gilt und von den Gerichten der Mitgliedsstaaten europarechtskonform anzuwenden ist. Bei Fragen zur Auslegung des Europarechts sind die Gerichte der Mitgliedsstaaten verpflichtet, gem. Art. 267 AEU-Vertrag den EuGH anzurufen. Eines privaten Rechtsgutachtens einer Partei bedarf es dafür nicht.

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