05.02.2025

Rechtsanwalt muss in PDF umgewandelte Rechtsmittel(begründungs)schrift vor beA-Übermittlung auf Richtigkeit überprüfen

Eine aus einem anderen Dateiformat in eine PDF-Datei umgewandelte Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift ist durch den signierenden Rechtsanwalt vor der Übermittlung im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs an das Gericht per beA darauf zu überprüfen, ob ihr Inhalt dem Inhalt der Ausgangsdatei entspricht.

BGH v. 17.12.2024 - II ZB 5/24
Der Sachverhalt:
Die Parteien des Rechtsstreits waren zur gemeinsamen Berufsausübung verbundene Rechtsanwälte. Sie streiten über Erstattungsansprüche wegen versehentlicher Tilgung fremder Schulden durch die Klägerin. Sie beantragte die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von rd. 605 €. Zunächst erließ das AG ein klageabweisendes Versäumnisurteil. Nach Einspruch der Klägerin hielt es das Versäumnisurteil aufrecht, weil es die Klageforderung für unbegründet erachtete, nachdem der Beklagte in entsprechender Höhe mit einer Gegenforderung die Aufrechnung erklärt hatte. Das Urteil wurde der Klägerin am 14.9.2023 zugestellt.

Am Montag, den 16.10.2023 ging beim LG nach Dienstschluss eine über das beA durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin persönlich übersandte einfach signierte Nachricht ein, die neben dem Prüfvermerk zwei Anhänge im PDF-Format enthielt, nämlich das erstinstanzliche Urteil als PDF-Dokument und ein weiteres PDF-Dokument mit dem Namen "Schriftsatz.PDF". Die letztere Datei enthielt jedoch nur ein leeres Blatt. Auf diesen Umstand wurde die Klägerin am Folgetag hingewiesen. Am gleichen Tag übermittelte sie die Berufungsschrift und stellte einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Eine Störung im Empfangsbereich des LG wurde nicht festgestellt.

Die Klägerin begründete den Wiedereinsetzungsantrag damit, dass ihr Prozessbevollmächtigter auf die Softwares "MS-Word" als Textverarbeitungsprogramm und "RA-Micro" zurückgegriffen habe. Letztere bilde die Schnittstelle zwischen der Textverarbeitung und dem beA. Ihr Prozessbevollmächtigter habe am 16.10.2023 die Berufungsschrift erstellt und innerhalb der Textverarbeitung mit dem mit der Berufung angegriffenen Urteil verbunden, was ihm auch angezeigt worden sei. Nach Fertigstellung und Speicherung habe er die Dokumente in den Postausgang verschoben, einfach elektronisch signiert und an das LG versandt, wobei er sich davon überzeugt habe, dass der richtige Schriftsatz vorhanden gewesen sei. Hierbei habe er die in der Bedienungsanleitung vorgesehenen Arbeitsschritte eingehalten. Technisch sei es nicht anders möglich, als dass die Berufungsschrift Teil der bereitgestellten beA-Nachricht gewesen sei, da diese mit dem angegriffenen Urteilsdokument verbunden gewesen sei. Nach Übermittlung habe er sich über das Zustellungsprotokoll über die erfolgreiche Zustellung informiert.

Das LG wies den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück und verwarf die Berufung wegen Versäumung der Berufungsfrist als unzulässig. Die Rechtsbeschwerde der Klägerin blieb vor dem BGH ohne Erfolg.

Die Gründe:
Das Berufungsgericht hat zu Recht die Wiedereinsetzung versagt und die Berufung der Beklagten wegen Versäumung der Berufungsfrist als unzulässig verworfen.

Die Klägerin hat nicht gem. § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO glaubhaft gemacht, ohne ein - ihr gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares - Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten gem. § 233 Satz 1 ZPO an der Einhaltung der Berufungsfrist verhindert gewesen zu sein. Sie hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter vor der elektronischen Signatur der PDF-Datei und der Übersendung an das Gericht diese Datei hinreichend überprüft und kontrolliert hat. Eine aus einem anderen Dateiformat in eine PDF-Datei umgewandelte Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift ist durch den signierenden Rechtsanwalt vor der Übermittlung im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs an das Gericht per besonderem elektronischen Anwaltspostfach darauf zu überprüfen, ob ihr Inhalt dem Inhalt der Ausgangsdatei entspricht.

Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs über das beA entsprechen grundsätzlich denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Auch bei der Signierung eines ein Rechtsmittel oder eine Rechtsmittelbegründung enthaltenden fristwahrenden elektronischen Dokuments (§ 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO) gehört es daher zu den Pflichten eines Rechtsanwalts, das zu signierende Dokument zuvor selbst sorgfältig auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen. Entscheidend ist, dass das tatsächlich signierte Dokument überprüft wird, was insbesondere auch in den Fällen gilt, in denen eine Datei durch Scan-, Kopier- und Speichervorgänge erneut erstellt wird. Durch diese Vorgänge wird im elektronischen Bereich eine besondere Gefahrenquelle geschaffen, so dass es erforderlich ist, das letztlich zu signierende Dokument zu überprüfen.

Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass ihr Prozessbevollmächtigter eine entsprechende Überprüfung vorgenommen hat. Dieser hat die Berufungsschrift im Word-Programm erstellt. Diese ist als PDF-Dokument abgespeichert und übersendet worden. Dass vor der Signatur das PDF-Dokument von ihrem Prozessbevollmächtigten auf inhaltliche Richtigkeit überprüft worden ist, legt die Klägerin nicht dar. Sie beruft sich vielmehr darauf, dass durch die Umwandlung der DOC-Datei des Programms "MS-Word" in ein PDF-Format technisch leere Seiten erzeugt werden könnten aufgrund eines technischen Versagens, das ihrem Prozessbevollmächtigten nicht zuzurechnen sei. Hätte dieser jedoch die PDF-Datei nochmals geöffnet, hätte er sehen müssen, dass diese nur eine leere Seite enthielt. Die mangelnde Überprüfung hat dazu geführt, dass die Berufungsfrist wegen der Übersendung der Datei mit der leeren Seite versäumt wurde.

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