14.10.2025

Rechtsanwalts-Mandatsvertrag mit einer GmbH-Geschäftsführerin als Fernabsatzgeschäft?

Ist ein Rechtsanwalts-Mandatsvertrag als Fernabsatzgeschäft abgeschlossen worden, und ist der Mandant dabei nicht über sein Widerrufsrecht belehrt worden, so kann der Anwalt nach einem Widerruf keine Vergütung für seine bereits geleistete Tätigkeit verlangen, auch nicht nach Bereicherungsrecht, weil § 357 a BGB insoweit eine abschließende Regelung enthält.

LG Flensburg v. 9.10.2025 - 4 O 80/25
Der Sachverhalt:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Rechtsanwaltsvergütung aus einer Vergütungsvereinbarung. Die Beklagte war von Dezember 2020 bis Mai 2021 formal Geschäftsführerin von zwei GmbHs, hatte aber in deren Geschäftsbetrieb tatsächlich keinen Einblick. Am 15.10.2024 erhielt sie ein Anschreiben des Finanzamtes zur Anhörung wegen einer Mithaftung für anteilig auf ihre Zeit als Geschäftsführerin entfallende Säumniszuschläge, die die Finanzverwaltung gegen die beiden GmbHs geltend machte. Sie beauftragte daraufhin die Klägerin mit ihrer Vertretung, wobei die Kommunikation zwischen den Parteien ausschließlich auf elektronischem Wege erfolgte. Für die erkrankte Beklagte handelte dabei ihr damaliger Ehemann, für die Klägerin ihr Partner Prof. Dr. B. Die Parteien schlossen am 24.10.2024 eine Mandats- und Vergütungsvereinbarung.

Die Klägerin gab für die Beklagte gegenüber dem Finanzamt eine schriftliche Stellungnahme vom 4.12.2024 ab und erteilte ihr am gleichen Tage eine Honorarrechnung in Höhe der Klageforderung. Als der spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten für diese die Abrechnung telefonisch gegenüber der Klägerin als überhöht beanstandete, erklärte die Klägerin mit E-Mail vom 9.12.2024 zunächst dem Finanzamt und danach auch der Beklagten gegenüber, dass sie das Mandat niederlege. Die Beklagte beauftragte anschließend ihren Prozessbevollmächtigten mit der weiteren Vertretung gegenüber dem Finanzamt und zahlte dafür an ihn die gesetzlichen Gebühren i.H.v. rd. 1.500 €.

Die Beklagte erklärte mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 11.12.2024 und erneut mit der Klageerwiderung vom 3.6.2025 die Anfechtung, die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund und den Widerruf der Mandats- und Vergütungsvereinbarung. Die Klägerin hält die Mandats- und Vergütungsvereinbarung für wirksam und meint, die Beklagte habe sie als Unternehmerin beauftragt. Sie verlangt Zahlung von rd. 21.000 € nebst Zinsen und Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Hilfsweise begehrt sie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie die Gebühren für die Beauftragung vom 24.10.2024 und Vertretung gegen das Finanzamt nach dem RVG in der zum Zeitpunkt der Beauftragung gültigen Fassung zu zahlen.

Das LG wies die Klage ab. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Die Klägerin kann keine Stundenvergütung nach der Mandats- und Vergütungsvereinbarung verlangen, weil die Beklagte diese Vergütungsvereinbarung jedenfalls wirksam widerrufen hat. Auf die Anfechtung der Beklagten und die weiteren von ihr geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe kommt es deshalb nicht mehr an.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 11.12.2024 wirksam den Widerruf der Vergütungsvereinbarung erklärt. Ihr Widerrufsrecht ergibt sich aus §§ 312g Abs. 1, 355 Abs. 1 S. 1 BGB. Bei der Vereinbarung handelt es sich um ein Fernabsatzgeschäft gem. § 312c BGB, da die Kommunikation zwischen den Parteien ausschließlich auf elektronischem Wege erfolgte, nicht im Rahmen eines persönlichen Zusammentreffens.

Es handelt sich auch um ein Geschäft zwischen der Klägerin als Unternehmerin und der Beklagten als Verbraucherin. Zwar erfolgte die Mandatierung der Klägerin im Zusammenhang mit der früheren Tätigkeit der Beklagten als Geschäftsführerin zweier GmbHs, gerade in dieser Eigenschaft wurde sie ja von der Finanzverwaltung auf Mithaftung für Säumniszuschläge, die gegenüber den GmbHs festgesetzt worden waren, in Anspruch genommen. Entgegen der Auffassung der Klägerin begründet die Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH aber generell keine Unternehmereigenschaft i.S.d. § 14 BGB. Vielmehr ist ein GmbH-Geschäftsführer als solcher Verbraucher, auch wenn er eine Schuld seiner GmbH mitübernimmt oder sich dafür verbürgt.

Auch der Hilfsantrag der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Klägerin kann die gesetzlichen Gebühren nicht nach § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB aus dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung verlangen. Es fehlt bereits an einer Bereicherung der Beklagten. Im Übrigen ist ein Bereicherungsanspruch auch deswegen ausgeschlossen, weil § 357a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB eine Verpflichtung des Verbrauchers zum Wertersatz für vor dem Widerruf eines Fernabsatzvertrages erbrachte Dienstleistungen davon abhängig macht, dass der Verbraucher vorher über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist und gleichwohl verlangt hat, dass mit der Ausführung der Leistung schon vor Ablauf der Widerrufsfrist begonnen werden soll. Die Beklagte ist im vorliegenden Fall hingegen nicht über ihr Widerrufsrecht belehrt worden.

Die Regelung des § 357a Abs. 2 ZPO ist abschließend. Liegen ihre Voraussetzungen nicht vor, kann ein Wertersatz auch nicht aus dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung verlangt werden. Das folgt aus dem Zweck der Richtlinie 2011/83 EU, insbesondere von deren Art. 14 Abs. 4, dessen Umsetzung § 357a Abs. 2 BGB dient. Danach soll ein Verbraucher, der nicht über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist, im Falle der Ausübung seines Widerrufsrechts vor allen Kosten geschützt sein, die nicht ausdrücklich in der Richtlinie vorgesehen sind. Es soll ein hohes Verbraucherschutzniveau sichergestellt werden, der Ausschluss des Wertersatzanspruchs bei unterlassener Belehrung hat durchaus auch einen Sanktionscharakter gegenüber den Unternehmern.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | BGB
§ 357a Wertersatz als Rechtsfolge des Widerrufs von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen mit Ausnahme von Verträgen über Finanzdienstleistungen
Koch in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023

Aktionsmodul Zivilrecht
Otto Schmidt Answers ist in diesem Modul mit 5 Prompts am Tag enthalten! Nutzen Sie die Inhalte in diesem Modul direkt mit der KI von Otto Schmidt. Topaktuelle Werke: Zöller ZPO mit Online-Aktualisierungen, Vorwerk Das Prozessformularbuch, Erman BGB uvm. Inklusive LAWLIFT Dokumentautomation Zivilprozessrecht, Beiträge zum Selbststudium nach § 15 FAO und Unterhaltsrechner. 4 Wochen gratis nutzen!
Landesrechtsprechungsdatenbank Schleswig-Holstein