Rechtspfleger für Festsetzung der Vergütung des Sachwalters auch bei Vorliegen eines Insolvenzplans zuständig
BGH v. 11.9.2025 - IX ZB 15/24
Der Sachverhalt:
Auf einen Eigenantrag des Schuldners, eines eingetragenen Vereins, eröffnete das AG im Februar 20218 das Insolvenzverfahren über dessen Vermögen, ordnete die Eigenverwaltung an und bestellte den weiteren Beteiligten zum Sachwalter. In der Folge bestätigte es den vom Schuldner vorgelegten Insolvenzplan. Auf die Erstellung einer Schlussrechnung verzichteten die Gläubiger. Im November 2018 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben.
Der Beteiligte beantragte zuletzt, die Vergütung für seine Tätigkeit als Sachwalter auf insgesamt rd. 420.000 € festzusetzen. Als Berechnungsgrundlage setzte er einen Betrag von rd. 5,2 Mio. € ein. Darin enthalten waren ein Betrag von rd. 1,5 Mio. € aus Kassen- und Bankguthaben des Schuldners, ein Betrag von rd. 1,6 Mio. € aus bereits realisierten Anfechtungsansprüchen und ein Betrag von rd. 750.000 € für einen weiteren, zum Zeitpunkt der Antragstellung noch rechtshängigen Anfechtungsanspruch gegen das Finanzamt. Im Hinblick auf Umfang und Schwierigkeit der Sache begehrte er eine Erhöhung des Regelsatzes von 60 % auf 265 %.
Das AG setzte durch den Rechtspfleger die Vergütung des Beteiligten einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer auf rd. 420.000 € fest. Das LG wies die vom Schuldner hiergegen erhobene sofortige Beschwerde zurück. Das BVerfG hob diese Entscheidung und den Beschluss der Kammer zur Übertragung des Rechtsstreits auf die Kammer auf und verwies die Sache an den Einzelrichter des LG zurück. Nach Übertragung des Rechtsstreits durch den Einzelrichter auf die Kammer ermäßigte das LG die Vergütung des Beteiligten auf insgesamt rd. 380.000 €. Die Rechtsbeschwerde des Schuldners mit dem Ziel der weitergehenden Herabsetzung der Vergütung des Beteiligten auf rd. 230.000 € hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet, soweit sie die Unwirksamkeit der Festsetzungsentscheidung wegen der funktionellen Unzuständigkeit des Rechtspflegers geltend macht.
Nach der Regelung des § 8 Abs. 4 RPflG ist eine Entscheidung des Rechtspflegers unwirksam, welche zur Zuständigkeit des Richters gehört und dem Rechtspfleger weder allgemein übertragen werden kann noch diesem im Einzelfall tatsächlich zugewiesen worden ist. Eine solchermaßen unwirksame Handlung ist im Rechtsmittelverfahren unabhängig von ihrer inhaltlichen Richtigkeit auch dann aufzuheben, wenn das Beschwerdegericht die Entscheidung in der Sache geprüft und gebilligt hat.
Der Rechtspfleger war zur Festsetzung der Vergütung des Beteiligten für seine Tätigkeit als Sachwalter im eröffneten Insolvenzverfahren funktionell zuständig. Gem. § 3 Nr. 2 Buchst. e RPflG sind dem Rechtspfleger in Verfahren nach der Insolvenzordnung die vom Richter wahrzunehmenden Geschäfte des AG zugewiesen, es sei denn, es liegt ein Richtervorbehalt vor. § 18 Abs. 1 Nr. 2 RPflG sieht wegen der wirtschaftlichen Bedeutung und den rechtlichen Implikationen des Insolvenzplanverfahrens vor, dass das Verfahren über einen Insolvenzplan nach den §§ 217 bis 256 und den §§ 258 bis 269 InsO dem Richter vorbehalten bleibt. In weiten Teilen der Literatur wird hieraus geschlossen, dass der Richter für die Festsetzung der Vergütung des Verwalters zuständig ist, wenn im Verfahren ein Insolvenzplan vorgelegt wird. Nach anderer Auffassung verbleibt es im eröffneten Insolvenzverfahren bei der Zuständigkeit des Rechtspflegers für die Festsetzung der Vergütung des Verwalters.
Zutreffend ist die zuletzt genannte Auffassung. Bereits der Wortlaut des § 18 Abs. 1 Nr. 2 RPflG spricht gegen eine Zuständigkeit des Richters; aus der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 18 Abs. 1 RPflG aus Anlass der Neugestaltung des Insolvenzplanverfahrens durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen lässt sich diese ebenfalls nicht ableiten. Und schließlich sprechen auch keine Gründe des Sachzusammenhangs für die Zuständigkeit des Richters für die Vergütungsfestsetzung nach Vorlage eines Insolvenzplans.
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Auf einen Eigenantrag des Schuldners, eines eingetragenen Vereins, eröffnete das AG im Februar 20218 das Insolvenzverfahren über dessen Vermögen, ordnete die Eigenverwaltung an und bestellte den weiteren Beteiligten zum Sachwalter. In der Folge bestätigte es den vom Schuldner vorgelegten Insolvenzplan. Auf die Erstellung einer Schlussrechnung verzichteten die Gläubiger. Im November 2018 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben.
Der Beteiligte beantragte zuletzt, die Vergütung für seine Tätigkeit als Sachwalter auf insgesamt rd. 420.000 € festzusetzen. Als Berechnungsgrundlage setzte er einen Betrag von rd. 5,2 Mio. € ein. Darin enthalten waren ein Betrag von rd. 1,5 Mio. € aus Kassen- und Bankguthaben des Schuldners, ein Betrag von rd. 1,6 Mio. € aus bereits realisierten Anfechtungsansprüchen und ein Betrag von rd. 750.000 € für einen weiteren, zum Zeitpunkt der Antragstellung noch rechtshängigen Anfechtungsanspruch gegen das Finanzamt. Im Hinblick auf Umfang und Schwierigkeit der Sache begehrte er eine Erhöhung des Regelsatzes von 60 % auf 265 %.
Das AG setzte durch den Rechtspfleger die Vergütung des Beteiligten einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer auf rd. 420.000 € fest. Das LG wies die vom Schuldner hiergegen erhobene sofortige Beschwerde zurück. Das BVerfG hob diese Entscheidung und den Beschluss der Kammer zur Übertragung des Rechtsstreits auf die Kammer auf und verwies die Sache an den Einzelrichter des LG zurück. Nach Übertragung des Rechtsstreits durch den Einzelrichter auf die Kammer ermäßigte das LG die Vergütung des Beteiligten auf insgesamt rd. 380.000 €. Die Rechtsbeschwerde des Schuldners mit dem Ziel der weitergehenden Herabsetzung der Vergütung des Beteiligten auf rd. 230.000 € hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet, soweit sie die Unwirksamkeit der Festsetzungsentscheidung wegen der funktionellen Unzuständigkeit des Rechtspflegers geltend macht.
Nach der Regelung des § 8 Abs. 4 RPflG ist eine Entscheidung des Rechtspflegers unwirksam, welche zur Zuständigkeit des Richters gehört und dem Rechtspfleger weder allgemein übertragen werden kann noch diesem im Einzelfall tatsächlich zugewiesen worden ist. Eine solchermaßen unwirksame Handlung ist im Rechtsmittelverfahren unabhängig von ihrer inhaltlichen Richtigkeit auch dann aufzuheben, wenn das Beschwerdegericht die Entscheidung in der Sache geprüft und gebilligt hat.
Der Rechtspfleger war zur Festsetzung der Vergütung des Beteiligten für seine Tätigkeit als Sachwalter im eröffneten Insolvenzverfahren funktionell zuständig. Gem. § 3 Nr. 2 Buchst. e RPflG sind dem Rechtspfleger in Verfahren nach der Insolvenzordnung die vom Richter wahrzunehmenden Geschäfte des AG zugewiesen, es sei denn, es liegt ein Richtervorbehalt vor. § 18 Abs. 1 Nr. 2 RPflG sieht wegen der wirtschaftlichen Bedeutung und den rechtlichen Implikationen des Insolvenzplanverfahrens vor, dass das Verfahren über einen Insolvenzplan nach den §§ 217 bis 256 und den §§ 258 bis 269 InsO dem Richter vorbehalten bleibt. In weiten Teilen der Literatur wird hieraus geschlossen, dass der Richter für die Festsetzung der Vergütung des Verwalters zuständig ist, wenn im Verfahren ein Insolvenzplan vorgelegt wird. Nach anderer Auffassung verbleibt es im eröffneten Insolvenzverfahren bei der Zuständigkeit des Rechtspflegers für die Festsetzung der Vergütung des Verwalters.
Zutreffend ist die zuletzt genannte Auffassung. Bereits der Wortlaut des § 18 Abs. 1 Nr. 2 RPflG spricht gegen eine Zuständigkeit des Richters; aus der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 18 Abs. 1 RPflG aus Anlass der Neugestaltung des Insolvenzplanverfahrens durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen lässt sich diese ebenfalls nicht ableiten. Und schließlich sprechen auch keine Gründe des Sachzusammenhangs für die Zuständigkeit des Richters für die Vergütungsfestsetzung nach Vorlage eines Insolvenzplans.
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