07.03.2024

Rückzahlung der Hotelkosten bei Beherbergungsverbot im Rahmen der Corona-Pandemie

Der BGH hat sich vorliegend mit der Frage befasst, ob ein Hotelgast die Rückzahlung des von ihm vorausgezahlten Beherbergungsentgelts verlangen kann, wenn nach der Buchung ein behördliches Verbot der Beherbergung zu touristischen Zwecken zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erlassen wird, das den gebuchten Zeitraum umfasst.

BGH v. 6.3.2024 - VIII ZR 363/21
Der Sachverhalt:
Die Klägerin buchte im Oktober 2019 zum Zweck einer touristischen Reise für sich und vier Mitreisende drei Doppelzimmer in einem Hotel der Beklagten in Lüneburg für den Zeitraum vom 14.5. bis zum 16.5.2020. Hierbei wählte sie einen nicht stornierbaren Tarif. Das Beherbergungsentgelt zahlte sie im Voraus. Mit E-Mail vom 7.5.2020 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten, sie "storniere" die Buchung und bitte um Rückzahlung. Sie bezog sich dabei auf einen Beschluss der Niedersächsischen Landesregierung, wonach die Einschränkungen für das touristische Reisen bis zum 25.5.2020 gälten. Die Beklagte lehnte eine Rückzahlung ebenso wie eine von der Klägerin zuvor unter Hinweis auf die Reisebeschränkungen angefragte Verschiebung der Buchung um ein Jahr ab und bot der Klägerin lediglich eine Umbuchung auf die Zeit nach Aufhebung der Beschränkungen, jedoch nicht später als bis zum 30.12.2020 an.

AG und LG gaben der auf Rückzahlung des Beherbergungsentgelts gerichteten Klage weitgehend statt. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte gem. § 346 Abs. 1 BGB auf Rückzahlung des Beherbergungsentgelts. Denn die Klägerin ist mit der E-Mail vom 7.5.2020 wirksam gem. § 326 Abs. 5, § 323 Abs. 4 BGB von dem Beherbergungsvertrag zurückgetreten.

Der Beklagten war es durch das in § 1 Abs. 4 Satz 1 der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus (in der Fassung von Art. 1 der Niedersächsischen Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom 8.5.2020) enthaltene generelle Verbot einer Beherbergung von Gästen zu touristischen Zwecken im Buchungszeitraum vom 14.5. bis zum 16.5.2020 untersagt, die Hotelzimmer an die Klägerin und ihre Mitreisenden zu überlassen.

Der Beklagten war damit die geschuldete Leistung rechtlich unmöglich geworden i.S.v. § 275 Abs. 1 BGB. Unter den hier gegebenen Umständen ist das in Rede stehende (bis zum 25.5.2020 befristete) Beherbergungsverbot einem - zur rechtlichen Unmöglichkeit führenden - dauernden Leistungshindernis gleichzuachten. Denn das Beherbergungsverbot stellte die Erreichung des Vertragszwecks in Frage, weil die Klägerin mit der Buchung für einen kalendermäßig konkret bestimmten Zeitraum gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht hatte, dass sich ihr Interesse an der Nutzung der Hotelzimmer - wegen des von ihr und den Mitreisenden mit der Buchung verfolgten Zwecks einer gemeinsamen touristischen Reise - auf diese Leistungszeit bezieht. Ein weiteres Abwarten konnte der Klägerin bei billiger Abwägung der Belange beider Vertragsparteien nicht zugemutet werden. Für die Klägerin war es wegen des wechselhaften Infektionsgeschehens im Rahmen der COVID-19-Pandemie und wegen der bisherigen Entwicklung der staatlichen Maßnahmen zu deren Bekämpfung nicht absehbar, ob das für den Buchungszeitraum verlängerte Verbot - wie in einem Stufenplan der Niedersächsischen Landesregierung vorgesehen - tatsächlich Ende Mai 2020 entfallen würde und unter welchen Bedingungen ggf. im Anschluss daran touristische Reisen einschließlich Übernachtungen in Hotels wieder erlaubt sein würden.

Die Klägerin konnte bereits am 7.5.2020 wirksam zurücktreten, obwohl die Verlängerung des Beherbergungsverbots für den Buchungszeitraum erst durch die Verordnung vom 8.5.2020 und mit Wirkung ab dem 11.5.2020 erfolgte. Gem. § 323 Abs. 4 BGB kann ein Gläubiger bereits vor Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts - insbesondere aufgrund eines unbehebbaren Leistungshindernisses - eintreten werden. Im Hinblick auf die bis dahin erfolgte Entwicklung der pandemiebedingten Beschränkungen des öffentlichen Lebens im Frühjahr 2020 und die in dem vorgenannten Stufenplan der Niedersächsischen Landesregierung erst für einen späteren Zeitpunkt vorgesehenen Öffnungsschritte betreffend touristische Hotelübernachtungen konnte die Klägerin im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass der Beklagten eine Überlassung der Hotelzimmer im Buchungszeitraum noch nicht wieder erlaubt sein würde.

Das Rücktrittsrecht der Klägerin war auch nicht gem. § 326 Abs. 5, § 323 Abs. 6 BGB ausgeschlossen. Insbesondere handelt es sich bei dem in Rede stehenden generellen Beherbergungsverbot nicht um einen in der Person des Gastes liegenden Umstand i.S.d. § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB, der die Pflicht zur Zahlung des Beherbergungsentgelts unberührt ließe. Denn das Verbot war nach epidemiologischen Gesichtspunkten ausgewählt. Es knüpfte dabei weder an die Person oder spezifische Eigenschaften des einzelnen Gastes noch an solche des Mietobjekts an. Die Unmöglichkeit der Überlassung der Hotelzimmer war vielmehr Folge umfangreicher staatlicher Eingriffe in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie, mit der sich ein die Gesellschaft als Ganzes treffendes allgemeines Lebensrisiko verwirklicht hat. Ein solches ist von der mietvertraglichen Risikoverteilung nach § 537 BGB jedoch nicht erfasst.

Schließlich konnte die Beklagte dem Rückabwicklungsbegehren der Klägerin nicht unter Berufung auf die Bestimmung zur Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) entgegenhalten, der Vertrag sei dahingehend anzupassen, dass der Beherbergungszeitraum verschoben werde. Das Gesetz regelt in den Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung (hier § 326 Abs. 5, § 323 Abs. 4 BGB) abschließend die Folgen der vorliegend in Rede stehenden Vertragsstörung. Daneben ist für eine Anwendung der Regelung über die Störung der Geschäftsgrundlage kein Raum.

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