17.11.2025

Selbständiges Beweisverfahren: Aufhebung der gegenüber dem Antragsteller ergangenen Entscheidung zur Auferlegung der dem Gegner entstandenen Kosten

Eine Entscheidung, mit der dem Antragsteller eines selbständigen Beweisverfahrens die dem Gegner entstandenen Kosten gem. § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO auferlegt werden, ist im Beschwerdeverfahren auch dann aufzuheben, wenn die Hauptsacheklage erst nach Erlass der erstinstanzlichen Kostenentscheidung erhoben wird. Wird eine Kostenentscheidung nach § 494a ZPO im Beschwerdeverfahren aufgehoben, weil die Hauptsacheklage erst nach Erlass der erstinstanzlichen Kostenentscheidung erhoben wird, sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens regelmäßig nach § 97 Abs. 2 ZPO dem Antragsteller des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen.

BGH v. 9.10.2025 - V ZB 67/24
Der Sachverhalt:
Die Antragsteller betrieben ein selbständiges Beweisverfahren gegen die Antragsgegner. Nach dessen Abschluss setzte das LG ihnen eine Frist von vier Wochen zur Klageerhebung. Am Tag des Fristablaufs reichten die Antragsteller die Hauptsacheklage bei Gericht ein, zahlten den angeforderten Kostenvorschuss aber zunächst nicht ein.

Das LG erlegte den Antragstellern die den Antragsgegnern im selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten auf. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsteller hob das OLG, nachdem die Hauptsacheklage inzwischen zugestellt worden war, den Beschluss des LG auf, wies den Antrag der Antragsgegner auf Auferlegung der Kosten zurück und erlegte den Antragstellern die Kosten des Beschwerdeverfahrens auf.

Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegner hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das Beschwerdegericht nimmt zutreffend an, dass die Kostenentscheidung des LG rechtmäßig ergangen ist, weil die Frist für die Erhebung der Hauptsacheklage im Entscheidungszeitpunkt abgelaufen und die Klage nur anhängig, aber noch nicht rechtshängig war. Richtig ist auch, dass die Entscheidung des LG gleichwohl im Beschwerdeverfahren keinen Bestand haben konnte, nachdem die Hauptsacheklage den Antragsgegnern zwischenzeitlich zugestellt und damit i.S.v. § 494a Abs. 1 ZPO erhoben worden war.

In der Rechtsprechung des BGH ist geklärt, dass ein Beschluss nach § 494a Abs. 2 ZPO nicht mehr in Betracht kommt, wenn die Hauptsacheklage nach Ablauf der gem. § 494a Abs. 1 ZPO gesetzten Frist, aber noch vor einer Entscheidung nach § 494a Abs. 2 ZPO erhoben wird. Ebenfalls ist geklärt, dass eine nach § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO getroffene, formell rechtskräftige Kostenentscheidung ihre Wirksamkeit verliert, wenn eine abweichende Kostenentscheidung in einem nachfolgenden Klageverfahren ergeht. Umstritten ist allerdings, ob eine Entscheidung, mit der dem Antragsteller eines selbständigen Beweisverfahrens die dem Gegner entstandenen Kosten gem. § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO auferlegt wurden, durch das Beschwerdegericht aufzuheben ist, wenn die Hauptsacheklage - wie hier - erst nach der erstinstanzlichen Kostenentscheidung erhoben wird.

Nach einer Auffassung soll § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO erfordern, dass der Antragsteller der Anordnung zur Klageerhebung bis zur erstmaligen Entscheidung über die Kosten nachkommt. Mit einer Beschwerde gegen die Kostenentscheidung könne lediglich überprüft werden, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO zum Zeitpunkt der Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts vorgelegen hätten. Einer erst nach Erlass der erstinstanzlichen Kostengrundentscheidung erfolgten Klageerhebung komme für die Anwendung des § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO keine Bedeutung mehr zu. Nach anderer Auffassung, der sich auch das OLG anschließt, ist für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung maßgeblich, sodass jede bis zu diesem Zeitpunkt erhobene Hauptsacheklage einer Kostenentscheidung gem. § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO entgegen steht. Die zuletzt genannte Auffassung trifft zu. Eine Entscheidung, mit der dem Antragsteller eines selbständigen Beweisverfahrens die dem Gegner entstandenen Kosten gem. § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO auferlegt werden, ist im Beschwerdeverfahren auch dann aufzuheben, wenn die Hauptsacheklage erst nach Erlass der erstinstanzlichen Kostenentscheidung erhoben wird.

Der Antragsgegner wird dadurch, dass die nach der erstinstanzlichen Entscheidung eingetretene Rechtshängigkeit der Hauptsacheklage im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen ist, auch nicht kostenmäßig unbillig benachteiligt. Wird die von ihm herbeigeführte Kostenentscheidung nach § 494a ZPO im Beschwerdeverfahren aufgehoben, weil die Hauptsacheklage erst nach Erlass der erstinstanzlichen Kostenentscheidung erhoben wird, sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens regelmäßig - wie es das OLG vorliegend getan hat - nach § 97 Abs. 2 ZPO dem Antragsteller des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen. Soweit die Rechtsbeschwerde einwendet, dass der Antragsgegner bei Aufhebung der isolierten Kostenentscheidung erst später einen Vollstreckungstitel erlange, als es § 494a ZPO ermögliche, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Die dadurch bedingte zeitliche Verzögerung muss der Antragsgegner hinnehmen. Dies gilt umso mehr, als eine nach § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO getroffene Kostenentscheidung ohnehin ihre Wirksamkeit verliert, wenn eine abweichende Kostenentscheidung in einem nachfolgenden Klageverfahren ergeht.

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