Stehende Position im Linienbus kann Konsequenzen bei der Haftungsfrage haben
AG München v. 18.10.2024, 338 C 15281/24
Der Sachverhalt:
Der zum maßgeblichen Zeitpunkt 76-jährige Kläger war im April 2023 gegen 18:30 Uhr als Fahrgast in einem Linienbus unterwegs. Dieser fuhr auf der Rechtsabbiegespur auf eine rote Ampel zu, als ein PKW kurz vor ihm auf dieselbe Abbiegespur wechselte, weshalb der Busfahrer eine Vollbremsung durchführen musste.
Der Kläger behauptete später, er sei hierdurch gestürzt und habe Prellungen im Bereich der Brustwirbelsäule und des Beckens erlitten. Zudem sei sein Daumensattelgelenk überdehnt worden. Er habe vier Wochen unter Schmerzen gelitten und sei bis heute nicht beschwerdefrei. Er verlangte vom Fahrer des überholenden PKW sowie dessen Versicherung Zahlung von 2.000 € Schmerzensgeld sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Das Video der Businnenkamera zeigte, dass der Kläger während der Fahrt gestanden hatte, obwohl ausreichend freie Sitzplätze zur Verfügung standen. Außerdem war zu sehen, dass der Kläger sich lediglich mit der linken Hand an dem Handlauf festhielt und seine rechte Hand auf dem mitgeführten Einkaufstrolley ruhte. Andere Fahrgäste waren durch das Bremsmanöver nicht zu Schaden gekommen.
Das AG hat die Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Zwar konnte davon ausgegangen werden, dass die Fahrweise des beklagten PKW-Fahrers zum Sturz des Klägers beigetragen hatte und dass die StVO ihm für den Spurwechsel ein Höchstmaß an Sorgfaltspflicht auferlegt hatte, gegen die er verstoßen hat. Die Haftung des PKW-Fahrers musste jedoch aufgrund des vollständigen Mitverschuldens des Klägers ausgeschlossen werden.
Die Stabilisierung im Stehen mit der linken Hand war zu schwach, um ruckartige Bremsungen auszugleichen. Der Trolley bot keinen Halt, da er selbst bei der Vollbremsung herumgewirbelt wurde. Er stellte eher eine Behinderung dar, da der Kläger ihn auch während des Sturzes nicht losgelassen hatte und sich daher auch mit der rechten Hand keinen festen Halt suchen konnte. Der Kläger war zudem die einzige Person, die im Bus gestürzt war. Eine ältere Dame, die direkt hinter dem Kläger gesessen hatte, hielt sich an der dortigen Stange fest und rutschte (im Gegensatz zu ihrer Tasche) nicht vom Sitz.
Dem Kläger war - auch aufgrund seines Alters und des Mitführens des Trolleys - vorzuwerfen, dass er sich nicht hingesetzt hatte, obwohl ausreichend Sitzplätze vorhanden waren. Dies war auf dem Video zu sehen. Dass er etwas anderes behauptet hatte, war insofern unerheblich. Es handelte sich hier auch nicht um eine völlig überraschende - wenn auch heftige - Vollbremsung, da im Stadtverkehr regelmäßig mit heftigen Bremsungen gerechnet werden muss. Hinzu kam, dass der Bus unstreitig bereits ca. 50 m vorher leicht gebremst hatte, wodurch der Kläger hätte feststellen können, dass seine Position nsicher war.
Mehr zum Thema:
Rechtsprechung:
Nachweis der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls durch Häufung typischer Umstände
OLG Hamm vom 16.10.2023 - 20 U 156/23
VersR 2024, 935
Rechtsprechung:
Nachweis eines versicherten Unfalls in der Kfz-Kaskoversicherung
OLG Karlsruhe vom 15.10.2024 - 12 U 12/24
Aufsatz:
Aktuelle Entwicklungen im zivilprozessualen Beweisrecht
Holger Jäckel, MDR 2024, 688
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AG München - Pressemitteilung v. 11.11.2024
Der zum maßgeblichen Zeitpunkt 76-jährige Kläger war im April 2023 gegen 18:30 Uhr als Fahrgast in einem Linienbus unterwegs. Dieser fuhr auf der Rechtsabbiegespur auf eine rote Ampel zu, als ein PKW kurz vor ihm auf dieselbe Abbiegespur wechselte, weshalb der Busfahrer eine Vollbremsung durchführen musste.
Der Kläger behauptete später, er sei hierdurch gestürzt und habe Prellungen im Bereich der Brustwirbelsäule und des Beckens erlitten. Zudem sei sein Daumensattelgelenk überdehnt worden. Er habe vier Wochen unter Schmerzen gelitten und sei bis heute nicht beschwerdefrei. Er verlangte vom Fahrer des überholenden PKW sowie dessen Versicherung Zahlung von 2.000 € Schmerzensgeld sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Das Video der Businnenkamera zeigte, dass der Kläger während der Fahrt gestanden hatte, obwohl ausreichend freie Sitzplätze zur Verfügung standen. Außerdem war zu sehen, dass der Kläger sich lediglich mit der linken Hand an dem Handlauf festhielt und seine rechte Hand auf dem mitgeführten Einkaufstrolley ruhte. Andere Fahrgäste waren durch das Bremsmanöver nicht zu Schaden gekommen.
Das AG hat die Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Zwar konnte davon ausgegangen werden, dass die Fahrweise des beklagten PKW-Fahrers zum Sturz des Klägers beigetragen hatte und dass die StVO ihm für den Spurwechsel ein Höchstmaß an Sorgfaltspflicht auferlegt hatte, gegen die er verstoßen hat. Die Haftung des PKW-Fahrers musste jedoch aufgrund des vollständigen Mitverschuldens des Klägers ausgeschlossen werden.
Die Stabilisierung im Stehen mit der linken Hand war zu schwach, um ruckartige Bremsungen auszugleichen. Der Trolley bot keinen Halt, da er selbst bei der Vollbremsung herumgewirbelt wurde. Er stellte eher eine Behinderung dar, da der Kläger ihn auch während des Sturzes nicht losgelassen hatte und sich daher auch mit der rechten Hand keinen festen Halt suchen konnte. Der Kläger war zudem die einzige Person, die im Bus gestürzt war. Eine ältere Dame, die direkt hinter dem Kläger gesessen hatte, hielt sich an der dortigen Stange fest und rutschte (im Gegensatz zu ihrer Tasche) nicht vom Sitz.
Dem Kläger war - auch aufgrund seines Alters und des Mitführens des Trolleys - vorzuwerfen, dass er sich nicht hingesetzt hatte, obwohl ausreichend Sitzplätze vorhanden waren. Dies war auf dem Video zu sehen. Dass er etwas anderes behauptet hatte, war insofern unerheblich. Es handelte sich hier auch nicht um eine völlig überraschende - wenn auch heftige - Vollbremsung, da im Stadtverkehr regelmäßig mit heftigen Bremsungen gerechnet werden muss. Hinzu kam, dass der Bus unstreitig bereits ca. 50 m vorher leicht gebremst hatte, wodurch der Kläger hätte feststellen können, dass seine Position nsicher war.
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Nachweis der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls durch Häufung typischer Umstände
OLG Hamm vom 16.10.2023 - 20 U 156/23
VersR 2024, 935
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