25.08.2025

Streitwert bei Kündigung einer Lebensversicherung

Der Streitwert einer Klage auf Feststellung, dass die Kündigung einer Lebensversicherung auf den Todes- oder Erlebensfall unwirksam und der Versicherungsvertrag beitragspflichtig fortzusetzen ist, beträgt 80 % der Differenz zwischen der ursprünglichen Versicherungssumme und der beitragsfreien Versicherungsleistung nach Kündigung (Abgrenzung zu BGH, Beschl. v. 23.7.1997 - IV ZR 38/97 und v. 29.6.1994 - IV ZR 9/94).

OLG Karlsruhe v. 21.8.2025, 12 W 14/25
Der Sachverhalt:
Die Parteien haben in der Hauptsache u.a. darüber gestritten, ob eine vom Kläger bei der Beklagten unterhaltene Lebensversicherung wirksam gekündigt worden war. Versicherungsbeginn war der 1.12.2000, die garantierte Versicherungsleistung auf den Todes- und Erlebensfall war 72.202 €. Über das Vermögen der ehemaligen Arbeitgeberin wurde das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet. Der Kläger schied bei der ehemaligen Arbeitgeberin und Insolvenzschuldnerin zum 14.10.2015 aus.

Am 13.4.2018 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis gem. § 38 Abs. 3 VVG wegen Zahlungsverzugs. Eine Nachzahlung gem. § 38 Abs. 3 VVG erfolgte nicht. Im Februar 2021 gab der Insolvenzverwalter den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag aus dem Insolvenzbeschlag frei und erklärte seine Zustimmung auf Übertragung der Versicherungsnehmereigenschaft auf den Kläger. Am 28.4.2021 bestätigte die Beklagte gegenüber dem Kläger, dass dieser neuer Versicherungsnehmer geworden ist und überließ ihm einen Nachtrag zum Versicherungsschein. Daraus ergab sich, dass die Versicherung seit 1.4.2018 beitragsfrei sei mit einer Versicherungssumme auf den Erlebens- und Todesfall i.H.v. 45.692 €. Die vom Kläger begehrte beitragspflichtige Wiederherstellung des streitgegenständlichen Vertrages lehnte die Beklagte ab.

Mit inzwischen rechtskräftigem Urteil hat das LG die Beklagte antragsgemäß verurteilt und den Streitwert auf 62.780,54 € festgesetzt. Hiergegen wandte sich die Beklagte. Das LG habe der Wertfestsetzung anscheinend 80 % der ursprünglichen beitragspflichtigen Versicherungssumme von 72.202 € zugrunde gelegt. Richtigerweise könnten aber nur 80 % der Differenz zwischen der ursprünglichen Versicherungssumme und der beitragspflichtigen Leistung nach Kündigung angesetzt werden. Denn die Verpflichtung der Beklagten im Umfang der beitragsfreien Leistung sei stets unstreitig gewesen.

Das LG hat der Beschwerde unter Hinweis auf den BGH-Beschl. v. 23.7.1997 - IV ZR 38/97 - nicht abgeholfen. Auf die Beschwerde der Beklagten hat das OLG den Beschluss abgeändert und den Streitwert für die erste Instanz auf 26.226,94 € festgesetzt.

Die Gründe:
Der Streitwert für die Feststellung, dass die Kündigung unwirksam und der Versicherungsvertrag beitragspflichtig fortzusetzen war, betrug lediglich 80 % der Differenz zwischen der ursprünglichen Versicherungssumme und der von der Beklagten mitgeteilten beitragsfreien Versicherungsleistung nach Kündigung, somit (72.202 € - 45.692 €) 80 % = 21.208 €.

Zwar war das LG im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Wert einer Klage auf Fortbestehen einer Lebensversicherung auf den Todes- oder Erlebensfall nach der Versicherungssumme unter Abzug eines Feststellungsabschlags von 20 % bemisst (BGH, Beschl. v. 23.7.1997 - IV ZR 38/97; BGH, Beschl. v. 29.6.1994 - IV ZR 9/94). Diese Bemessung greift jedoch nur im Fall der Beendigung des Versicherungsvertrags, etwa nach Anfechtung oder Rücktritt. Im vorliegenden Fall stand jedoch lediglich die beitragspflichtige Fortsetzung des Versicherungsvertrages im Streit.

Die erfolgte Vertragskündigung, deren Unwirksamkeit der Kläger ebenfalls festgestellt haben wollte, konnte gem. § 166 VVG als Rechtsfolge nicht die Aufhebung des Vertrags, sondern nur dessen Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung bewirken. Eine Aufhebung des Versicherungsvertrages hatte die Beklagte nie geltend gemacht. Anderes hat auch der Kläger nicht behauptet, sondern vielmehr mit seiner Klage den Nachtragsversicherungsschein über eine beitragsfreie Versicherungsleistung i.H.v. 45.692 € vorgelegt.

Infolgedessen stand trotz des Streits um eine von der Beklagten ausgesprochene Kündigung - nicht der Fortbestand der Lebensversicherung, sondern lediglich deren Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung im Streit. In einem solchen Fall einer streitgegenständlichen Vertragsänderung ist für die Bemessung des Streitwerts einer Feststellungsklage auf den Unterschied der Versicherungssummen abzustellen, die sich mit oder ohne Änderung ergeben, und hiervon der Feststellungsabschlag von 20 % vorzunehmen (OLG Saarbrücken, Urt. v. 16.7.2021 - 5 U 2/21).

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