17.11.2023

Sturz über abgestellten Scooter: Kein Schmerzensgeld für blinden Füßgänger

Ein blinder Fußgänger, der über einen auf dem Gehweg abgestellten gewerblich vermieteten E-Roller stürzt, hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgelds, wenn sich der Vermieter des Rollers bei der Aufstellung an die behördlichen Vorgaben der ihm erteilten Sondernutzungserlaubnis gehalten hat.

OLG Bremen v. 15.11.2023 - 1 U 15/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld aus einem Unfallereignis vom 28.7.2020 in Anspruch. Der Kläger ist blind und benutzt im Straßenverkehr zur Orientierung einen Langstock. Die Beklagte zu 1) vermietet gewerblich E-Roller im sog. free-floating-Modell, d.h. ohne festen Standort der E-Roller. ie Beklagten zu 2) und 3) nehmen Aufgaben für die
Beklagten zu 1) wahr.

Am 28.7.2020 verunfallte der Kläger auf dem Weg zur Arbeit, indem er über zwei auf dem Gehweg abstellte E-Roller stürzte, deren Halter die Beklagte zu 1) war. Durch den Sturz erlitt der Kläger einen Oberschenkelhalsbruch, der operativ behandelt werden musste.

Das LG wies die Klage ab. Die Berufung des Klägers hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Es besteht die Möglichkeit der Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH innerhalb einer Frist von einem Monat.

Die Gründe:
Es besteht keine Haftung wegen einer sog. Verkehrssicherungspflichtverletzung.

Zwar war die Beklagte zu 1) grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Es ist aber zu berücksichtigen, dass nicht jeder Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Insbesondere hat sich die Beklagte zu 1) bei der Aufstellung der E-Roller an die behördlichen Vorgaben der ihr erteilten Sondernutzungserlaubnis gehalten.

Diese enthält insbesondere keine konkreten Vorgaben, ob die Roller längs oder quer zum Gehweg aufzustellen sind. Es war insbesondere nicht notwendig, die Roller längs (und nicht, wie hier: quer) aufzustellen, denn damit wäre in Anbetracht der örtlichen Verhältnisse keine signifikante Verringerung der Kollisionsgefahr verbunden gewesen. Vielmehr hätte eine längsgerichtete Aufstellung die Roller, die seinerzeit nur über einen Seitenständer verfügten, andere Risiken ausgelöst. Im Übrigen ist im Bereich von Gehwegen immer mit dem Vorhandensein von Hindernissen (Mülltonnen, Kinderwagen o.ä.) zu rechnen.

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OLG Bremen PM vom 15.11.2023
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