09.12.2025

Tatort Gartenzaun: Streit unter Kleingärtnern

Unterstellt, der Parzellennachbar habe eine natürliche, nicht gesundheitsbeeinträchtigende oder sonst schädliche Substanz in fremde Gemüsebeete verbracht, stellte dies zwar weiterhin ein vor dem Hintergrund von Rücksichtnahmepflichten pflichtwidriges Verhalten dar, das den anderen Kleingärtnern einen Anlass zu Beschwerden geben würde, aus Sicht des Gerichts aber keine schwerwiegende, zur fristlosen Kündigung des Pachtvertrags berechtigende Pflichtverletzung i.S.d. § 8 Nr. 2 BKleingG. Das Gericht ist zu dieser Wertung auch unter Berücksichtigung der in der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur sog. Verdachtskündigung gekommen.

AG München v. 5.12.2025 - 452 C 5755/25
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist der Dachverband der Münchner Kleingartenvereine. Die Beklagten hatten Anfang 2002 von ihm eine Kleingartenparzelle gepachtet. Am 13.11.2024 gegen 11:44 Uhr zeichnete eine Wildtierbeobachtungskamera auf, wie der Beklagte in der benachbarten der Parzelle einen zwischen den Parteien streitigen Stoff (angeblich weißes Pulver) jedenfalls in der Nähe der dort befindlichen Gemüsebeete verteilte. Nach Durchsicht der Aufnahmen am 23.11.2024 und Erstattung einer Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs und Einbringung einer unbekannten Substanz in das Gemüsebeet, kündigte der Kläger den streitgegenständlichen Pachtvertrag mit den Beklagten außerordentlich fristlos, sowie hilfsweise ordentlich mit gesetzlicher Frist zum 30.11.2025.

Die Beklagten trugen vor, die Parzelle des Nachbarn sei nicht von ihnen betreten worden, sondern man habe sich auf einer der Plattenreihen bewegt, die in der Vergangenheit auf der gesamten Anlage gewohnheitsmäßig als Gemeinschaftswege benutzt worden seien. Erst in einer kürzlich abgehaltenen Mitgliederversammlung sei dies verboten worden. Es sei auch keine pulverartige, schädliche Substanz gezielt in den Gemüsebeeten verstreut worden, sondern es sei Spreu von Weizenkörnern in die Luft geworfen, um eine Katze zu verscheuchen, die einen Vogel gejagt hätte.

Das AG hat die auf Räumung und Herausgabe der Kleingartenparzelle nach verhaltensbedingter Kündigung des Pachtvertrags gerichtete Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Der Kläger konnte keinen zur außerordentlichen Kündigung berechtigender Grund i.S.d. § 8 Nr. 2 BKleingG nachweisen.

Zwar hatte der Kläger richtigerweise angemerkt, dass auch im Rahmen des § 569 Abs. 2 BGB bereits eine einmalige schwerwiegende Störung für eine außerordentliche Kündigung des Wohnmietverhältnisses wegen nachhaltiger Störung des Hausfriedens genügen kann. Nichts anderes gilt im Rahmen des § 8 Nr. 2 BKleingG; eine bloß einmalige besonders erhebliche Pflichtverletzung kann folglich die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung des Pachtvertrags bedingen. Allerdings stellte das den Beklagten lediglich nachgewiesene Verhalten, konkret das Bewegen auf der Plattenreihe unter Verbringung einer unbekannten, nicht zwingend gefährlichen und gesundheitsschädlichen Substanz in die Parzelle eines anderen Pächters, keine solch nachhaltige Störung des Friedens in der Kleingärtnergemeinschaft dar, dass dem Kläger unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände, insbesondere des über 20-jährigen Vertragsbestands, die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zumutbar wäre.

Darauf, ob den Beklagten ein Hausfriedensbruch nach § 123 StGB hätte zur Last gelegt werden können oder ob ein solcher aufgrund der gewohnheitsmäßigen Nutzung der Plattenreihen als Gemeinschaftswege durch die Pächter der Kleingartenanlage ausscheide, kam es nicht entscheidend an. Denn hierin wäre jedenfalls keine schwerwiegende Pflichtverletzung i.S.d. § 8 Nr. 2 BKleingG zu sehen, die zur fristlosen Kündigung berechtigen würde; eine Abmahnung wäre dem Kläger zumutbar. Zudem war gänzlich offengeblieben und konnte nachträglich nicht mehr ermittelt werden, welcher Stoff durch die Beklagten in die ihnen fremde Parzelle verbracht worden war und ob dieser schädlich war.

Zwar hat das Gericht die Ausführungen der Beklagten als nicht glaubhaft erachtet. So war nicht nachvollziehbar, warum der Beklagte die Substanz mehrere Meter vom behaupteten Aufenthaltsort der Katze entfernt mit einer Wurfrichtung nach unten verteilt hatte, wenn es ihm doch auf das Verscheuchen der Katze angekommen sei. Nichtsdestotrotz vermochte dies aber nicht über den Umstand hinwegzuhelfen, dass zugunsten des Beklagten nicht ausgeschlossen werden konnte, dass es sich tatsächlich - wie von ihm behauptet - um eine gänzlich ungefährliche und natürliche Substanz gehandelt hatte.

Unterstellt, der Beklagte habe eine natürliche, nicht gesundheitsbeeinträchtigende oder sonst schädliche Substanz in fremde Gemüsebeete verbracht, stellte dies zwar weiterhin ein vor dem Hintergrund von Rücksichtnahmepflichten pflichtwidriges Verhalten dar, das den anderen Kleingärtnern einen Anlass zu Beschwerden geben würde, aus Sicht des Gerichts aber keine schwerwiegende, zur fristlosen Kündigung des Pachtvertrags berechtigende Pflichtverletzung i.S.d. § 8 Nr. 2 BKleingG. Das Gericht ist zu dieser Wertung auch unter Berücksichtigung der in der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur sog. Verdachtskündigung gekommen.

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