03.03.2023

Tiefgarage: Wechselseitige Grunddienstbarkeiten bei auf zwei Grundstücken gelegener Anlage

Gehört zur Ausübung einer Grunddienstbarkeit eine Anlage auf dem belasteten Grundstück, kann zwischen den Eigentümern des dienenden und des herrschenden Grundstücks mit dinglicher Wirkung vereinbart werden, dass die Pflicht zur Unterhaltung der Anlage zwischen ihnen aufgeteilt wird. Möglich ist auch eine Vereinbarung, die sich auf die - anteilige - Verpflichtung zur Übernahme der zur Unterhaltung der Anlage erforderlichen Kosten beschränkt, ohne eine Pflicht zur tatsächlichen Unterhaltung zu begründen. Wenn sich eine Anlage auf zwei Grundstücke erstrecken soll und beide Eigentümer zur Nutzung der Anlage (auch) auf dem jeweils anderen Grundstück berechtigt sein sollen, können wechselseitige Grunddienstbarkeiten bestellt werden; die Grundstücke sind dann zugleich herrschendes und dienendes Grundstück.

BGH v. 27.1.2023 - V ZR 261/21
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Zu der Wohnungseigentumsanlage gehören auch Tiefgaragenstellplätze. Die Tiefgarage befindet sich allerdings nicht ausschließlich auf dem Gemeinschaftsgrundstück, sondern erstreckt sich auf weitere Grundstücke, u.a. auf die des Beklagten und seiner Streithelferinnen. Es gibt eine zentrale und gemeinschaftliche Ein- und Ausfahrt, wobei sich auf dem Gemeinschaftsgrundstück 197 und auf dem Grundstück des Beklagten 20 Tiefgaragenstellplätze befinden.

Errichtet wurde die Tiefgarage in den Jahren 1995/1996 auf der Grundlage einer notariellen Urkunde vom 30.1.1995. Hierin bewilligten die Eigentümer der Grundstücke, auf der die Tiefgarage errichtet werden sollte, unter Ziff. 5 wechselseitige Grunddienstbarkeiten. Diese räumen dem jeweiligen Eigentümer des berechtigten Grundstücks das Recht ein, an das auf dem belasteten Grundstück befindliche Tiefgaragengebäude anzuschließen bzw. auf dem berechtigten Grundstück und auf dem belasteten Grundstück eine gemeinsame Tiefgarage zu errichten, zu belassen und zu unterhalten. Der jeweilige Eigentümer wurde berechtigt, die auf dem belasteten Grundstück befindlichen Zu- und Abfahrtswege sowie die Fahrbahn innerhalb der Tiefgarage zum Gehen und Fahren ebenso mitzubenutzen wie die auf dem belasteten Grundstück befindlichen Technikräume bzw. Anlagen, Be- und Entlüftungsräume und -anlagen, Sprinklerbecken und -anlagen, Maschinenräume und -anlagen, Treppenhäuser, Flure, Ausgänge sowie die sonstigen in der Tiefgarage befindlichen Gemeinschaftsräume und -anlagen.

Zu den Kosten der Unterhaltung der Tiefgarage wurde festgehalten, dass diese von den Eigentümern der berechtigten Grundstücke und von dem Eigentümer des belasteten Grundstücks im Verhältnis der angeschlossenen Tiefgaragenplätze getragen werden. Die Grunddienstbarkeiten sowie die unter Ziff. 6 der Urkunde zusätzlich bestellten wechselseitigen Reallasten wurden jeweils in das Grundbuch eingetragen. Nachdem in der Tiefgarage Abdichtungsprobleme aufgetreten waren und Sachmängelansprüche gegen das Unternehmen, das die Tiefgarage errichtet hatte, wegen dessen Insolvenz nicht durchgesetzt werden konnten, beauftragte die Klägerin ein Ingenieurbüro mit der Sanierungskonzeption. Auf deren Grundlage ließ sie die Instandsetzungsarbeiten durchführen.

Mit der Klage verlangte die Klägerin ursprünglich die Zahlung eines Betrages von rd. 50.000 € zzgl. Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Bei dem Hauptsachebetrag handelt es sich um - auf der Grundlage von 20 Tiefgaragenplätzen berechnete - anteilige Aufwendungen der Klägerin für Verwaltungs- und Sanierungskosten in den Jahren 2012 bis 2014.

Das LG gab der Klage teilweise statt; das OLG wies sie ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Mit der von dem OLG gegebenen Begründung lassen sich die von der Klägerin weiter verfolgten Ansprüche nicht verneinen. Die Klägerin kann nämlich im Hinblick auf die wechselseitig in der Urkunde vom 30.1.1995 bestellten Grunddienstbarkeiten gem. § 1108 Abs. 1 i.V.m. § 1021 Abs. 2 BGB von dem Beklagten Ausgleich der für die erforderlichen Unterhaltungsmaßnahmen der Tiefgarage angefallenen Kosten in Höhe der auf ihn entfallenden Quote verlangen.

Gehört zur Ausübung einer Grunddienstbarkeit eine Anlage auf dem belasteten Grundstück, so kann bestimmt werden, dass der Eigentümer dieses Grundstücks (sog. dienendes Grundstück) die Anlage zu unterhalten hat, soweit das Interesse des Berechtigten es erfordert (§ 1021 Abs. 1 Satz 1 BGB). Steht dem Eigentümer das Recht zur Mitbenutzung der Anlage zu, so kann bestimmt werden, dass der Berechtigte (Eigentümer des herrschenden Grundstücks) die Anlage zu unterhalten hat, soweit es für das Benutzungsrecht des Eigentümers erforderlich ist (§ 1021 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ist eine solche Unterhaltungspflicht vereinbart, finden nach § 1021 Abs. 2 BGB die Vorschriften über die Reallasten entsprechende Anwendung. Dies bedeutet, dass der Eigentümer, der zur Unterhaltung der Anlage verpflichtet ist, u.a. gem. § 1108 Abs. 1 BGB für die während der Dauer seines Eigentums fällig werdenden Leistungen (auch) persönlich haftet; dementsprechend haftet auch der unterhaltungspflichtige Dienstbarkeitsberechtigte bei entsprechender Vereinbarung nicht nur dinglich, sondern auch persönlich.

Nach dem Wortlaut des § 1021 Abs. 1 BGB wird bei den möglichen Vereinbarungen zwischen dem Eigentümer des dienenden und dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks danach unterschieden, ob nur der Dienstbarkeitsberechtigte die Anlage nutzen darf oder aber dem Eigentümer des belasteten Grundstücks ein Recht zur Mitbenutzung der Anlage zusteht. Während im ersten Fall vereinbart werden kann, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks die Anlage zu unterhalten hat, ist im zweiten Fall eine Vereinbarung dahingehend möglich, dass den Eigentümer des herrschenden Grundstücks die Unterhaltungspflicht trifft. Es steht aber in Rechtsprechung und Literatur außer Streit, dass beide Möglichkeiten miteinander kombiniert werden können. Gehört zur Ausübung einer Grunddienstbarkeit eine Anlage auf dem belasteten Grundstück, kann zwischen den Eigentümern des dienenden und des herrschenden Grundstücks mit dinglicher Wirkung vereinbart werden, dass die Pflicht zur Unterhaltung der Anlage zwischen ihnen aufgeteilt wird. In der Festlegung des Verteilungsschlüssels sind die Eigentümer des herrschenden und des dienenden Grundstücks frei.

Möglich ist auch eine Vereinbarung, die sich auf die - anteilige - Verpflichtung zur Übernahme der zur Unterhaltung der Anlage erforderlichen Kosten beschränkt, ohne eine Pflicht zur tatsächlichen Unterhaltung zu begründen. Dies folgt aus einem Erst-recht-Schluss. Wenn die Beteiligten schon eine Vereinbarung über die Unterhaltungspflicht als solche treffen können, muss ihnen auch die Möglichkeit eingeräumt werden, sich nur über die Tragung der Unterhaltungskosten zu verständigen. Die vorstehenden Ausführungen betreffen den "Normalfall", dass sich die Anlage ausschließlich auf dem mit der Grunddienstbarkeit belasteten Grundstück befindet, so dass es nur ein dienendes und ein herrschendes Grundstück gibt. Wenn sich eine Anlage auf zwei Grundstücke erstrecken soll und beide Eigentümer zur Nutzung der Anlage (auch) auf dem jeweils anderen Grundstück berechtigt sein sollen, wie dies etwa bei einem Weg oder auch bei einer Tiefgarage der Fall sein kann, können wechselseitige Grunddienstbarkeiten bestellt werden; die Grundstücke sind dann zugleich herrschendes und dienendes Grundstück. Die Eigentümer der Grundstücke dürfen das jeweils andere Grundstück nutzen, so dass sie insoweit Eigentümer des herrschenden Grundstücks sind. Gleichzeitig müssen sie aber auch die Nutzung des eigenen Grundstücks durch den anderen Eigentümer dulden, so dass sie insoweit Eigentümer des dienenden Grundstücks sind. Auch in diesem Fall ist es möglich, die Unterhaltungskosten der Anlage gem. § 1021 Abs. 1 BGB unter den beteiligten Eigentümern durch eine dinglich wirkende Vereinbarung nach einer bestimmten Quote zu verteilen.

Damit einer Vereinbarung i.S.d. § 1021 Abs. 1 BGB dingliche Wirkung zukommt und die Wirkungen einer Reallast gem. § 1021 Abs. 2 i.V.m. § 1107 f. BGB eintreten können, muss (auch) die Vereinbarung in das Grundbuch eingetragen werden. Da es sich insoweit um den Inhalt der Grunddienstbarkeit handelt, muss die Vereinbarung allerdings nicht selbst in den Eintragungsvermerk aufgenommen werden. Vielmehr genügt es, wenn insoweit nach § 874 BGB auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen wird. Auch wenn der Eigentümer des herrschenden Grundstücks zur (anteiligen) Unterhaltung der Anlage bzw. zur anteiligen Kostentragung verpflichtet ist, genügt nach ganz überwiegender und zutreffender Auffassung für die dingliche Wirksamkeit der Vereinbarung die Eintragung in das Grundbuch des dienenden Grundstücks (vgl. § 10 GBV). Einer zusätzlichen Eintragung auf dem Grundbuchblatt des herrschenden Grundstücks bedarf es nicht.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Klägerin gegen den Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Erstattung der (anteiligen) erforderlichen Kosten für die Unterhaltung der Tiefgarage in dem hier relevanten Zeitraum nach § 1108 Abs. 1 i.V.m. § 1021 BGB. Das Berufungsurteil war demzufolge aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückzuverweisen, da er nicht zur Endentscheidung reif ist.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
Grunddienstbarkeit: Wesentlicher Inhalt des Benutzungsrechts bei Grundbucheintragung
BGH vom 17.12.2021 - V ZR 44/21
MDR 2022, 423

Kommentierung | BGB
§ 1021 Vereinbarte Unterhaltungspflicht
Grziwotz in Erman, BGB, 16./17. Aufl. 2020/2023

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