16.07.2019

Trinkgeldempfehlungen von Reiseveranstaltern in Form einer Widerspruchslösung sind unwirksam

Klauseln in einem Reisevertrag, die von dem Buchungskonto des Verbrauchers eine Trinkgeldpauschale abbuchen, solange dieser der Abbuchung nicht widerspricht, ist als sog. "Opt-out"-Lösung nicht mit einer richtlinienkonformen Auslegung des Verbots gem. §312a Abs. 3 Satz 2 BGB vereinbar und verstößt gegen das allgemeine Umgehungsverbot gem. §312k Abs. 1 BGB.

OLG Koblenz v. 14.6.2019 - 2 U 1260/17
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist eine Reiseveranstalterin, die insbesondere Kreuzfahrten anbietet. In ihrem Reiseprospekt verwendete sie folgende Klausel:

"Trinkgeldempfehlung: [Sie sind sicher gerne bereit, die Leistung der Servicecrew durch Trinkgeld zu honorieren.] Hierfür wird auf Ihrem Bordkonto ein Betrag i.H.v. 10,- pro Person/Nacht an Bord gebucht, die Sie an der Rezeption kürzen, streichen oder erhöhen können."

Die Klägerin begehrte durch ihre Klage die Verurteilung der Beklagten auf Unterlassung, in Reiseverträgen, die mit Verbrauchern geschlossen werden, diese Klausel zu verwenden oder sich bei der Abwicklung solcher Reiseverträge auf die Klausel zu berufen. Das LG gab der Klage statt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten war vor dem OLG erfolglos.

Die Gründe:
Die Beklagte hat es zu unterlassen, die streitgegenständliche Bestimmung bei der Abwicklung von Reiseverträgen mit Verbrauchern zu verwenden, soweit die Bestimmung als Allgemeine Geschäftsbedingung vom Verbraucher nicht gesondert bestätigt worden ist.

Die streitbefangene Klausel ist unwirksam nach § 307 Abs.1, 2 Nr. 1 BGB, da sie dem wesentlichen Grundgedanken des § 312a Abs. 3 Satz 1 BGB widerspricht, da sie die Buchung des Trinkgeldes auf dem Bordkonto des Kunden ohne ausdrückliche Vereinbarung vorsieht. Von der Vorschrift des § 312a BGB darf gem. §312k Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden. Insofern ist der Begriff der ausdrücklichen Vereinbarung in § 312a Abs. 3 Satz 1 BGB richtlinienkonform auszulegen. Der Wortlaut des Art. 22 der Richtlinie 2011/83/EU wurde nur unvollkommen in §312a Abs. 3 BGB übernommen.

Im Rahmen der Richtlinie folgt bei der Auslegung des § 312a Abs. 3 BGB, dass Vertragsklauseln, die eine Extrazahlung regeln, einer ausdrücklichen gesonderten Vereinbarung durch positive Zustimmung durch den Verbraucher ("opt-in"-Klausel) bedürfen und eine "opt out"-Lösung, die verlangt, dass der Verbraucher aktiv werden muss, um eine derartige Vertragsklausel zu verhindern, unzulässig ist. Eine Beschränkung des Verbots der "opt-out"-Lösung auf den in § 312a Abs. 3 Satz 2 BGB geregelten Fall eines Vertragsschlusses im elektronischen Rechtsverkehr ist damit nicht vereinbar.

Darüber hinaus verstößt die Klausel gegen das Umgehungsverbot gem. §312k Abs. 1 BGB. Als Folge des Zusammenwirkens des Umgehungsverbotes und der Unzulässigkeit der "Opt-out"-Regelung gem. §312a Abs. 3 Satz 2 BGB ergibt sich, dass jegliche Vertragsgestaltung, die einer "Opt-out"-Klausel gleichkommt, nicht nur im Falle der Verwendung eines vorangekreuzten Kästchens im elektronischen Rechtsverkehr unzulässig ist, sondern immer dann wenn durch eine anderweitige Vertragsgestaltung eine vertragliche Abrede zum Vertragsbestandteil wird, allein weil der Verbraucher ihr nicht ausdrücklich widerspricht.

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