Tritt in ein Schlaglocht führt nicht zwangsläufig zu einem Anspruch auf Schmerzensgeld
LG Flensburg v. 8.8.2025, 2 O 147/24
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte am 22.11.2023 seinen Ford Transit TS auf dem Parkstreifen vor einem Imbiss abgestellt, um sich dort einen Döner zu kaufen. Zu diesem Zeitpunkt war es dunkel und regnerisch. Im Randbereich des Parkstreifens befand sich eine muldenförmige Vertiefung mit den Ausmaßen von circa 20 x 50 cm und einer Tiefe von ca. 6 cm. Es war eine von mehreren Mulden, die mittlerweile von der beklagten Kommune beseitigt wurden.
Der Kläger behauptete, er sei nach dem Öffnen der Fahrzeugtür mit dem rechten Fuß in ein mit Wasser gefülltes Loch getreten und daraufhin umgeknickt und habe eine Außenbandruptur erlitten. Er sei daraufhin einen Monat krankgeschrieben gewesen. Er war der Ansicht, die Beklagte habe eine ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt, da der Parkstreifen sich in einem verkehrswidrigen und gefahrträchtigen Zustand befunden habe. Das mit Wasser gefüllte Loch sei für ihn nicht erkennbar gewesen.
Die Beklagte entgegnete, das Loch sei für den Kläger erkennbar gewesen, denn es habe in einer Entwässerungsrinne gelegen und diese sei von einer Straßenlampe beleuchtet gewesen. Die Behörde behauptete zudem, das Loch könne kurzfristig durch Witterungseinflüsse entstanden sein.
Das LG hat die auf Schmerzensgeld i.H.v. mind. 3.000 € gerichtete Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld aus Amtshaftung wegen der Verletzung einer öffentlich-rechtlichen Verkehrssicherungspflicht gem. §§ 839 Abs. 1, 249, 253 BGB i.V.m. Art. 34 GG und § 10 Abs. 1, Abs. 4 Straßen- und Wegegesetz des Landes Schleswig-Holstein.
Eine absolute Gefahrlosigkeit kann nicht gefordert werden. Der Verkehrssicherungspflichtige muss vielmehr in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag. Dabei gibt es keine starren Regeln, welche Unebenheiten oder Kanten hinzunehmen sind. Entscheidend sind jeweils die konkreten Umstände des Einzelfalls. Maßgebend ist dabei insbesondere die Sicherheitserwartung des Verkehrs, die sich wesentlich an dem äußeren Erscheinungsbild der Verkehrsfläche, ihrer Verkehrsbedeutung und dem Maß der Ablenkung der Fußgänger orientiert.
Die Straßenverkehrssicherungspflicht dient nicht dazu, das allgemeine Lebensrisiko auf den Sicherungspflichtigen abzuwälzen. Eine Pflichtverletzung beginnt grundsätzlich erst dort, wo auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintritt und nicht rechtzeitig erkennbar ist. Und dies war auch für den vorliegenden Fall anzunehmen. Auf den Fotos war deutlich zu erkennen, dass sich im gesamten Bereich des betreffenden Seitenstreifens am Rand zur Fahrbahn entsprechende Schadstellen in Form von Vertiefungen und sonstigen Unebenheiten befanden. Jedenfalls war für den Benutzer der Fahrbahn und des Seitenstreifens ersichtlich, dass die seitliche Befestigung des Seitenstreifens uneinheitlich und brüchig war. Es konnte damit von einem Verkehrsteilnehmer erwartet werden, dass er den entsprechenden Bereich nur befährt und betritt, sofern dies gefahrlos möglich ist.
Im Fußgängerbereich von Bordsteinen oder Fußgängerzonen ist zwar bei einem Niveauunterschied, der 2 cm übersteigt, auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Vorliegend war jedoch zu beachten, dass ein Seitenstreifen weder eine (Bundes-)Straße noch ein reiner Fußgängerweg ist. Der Kläger war auch nicht zum "Bummeln" im Stadtbereich unterwegs, sondern in einem Aussteigevorgang, auf den man sich grundsätzlich zu konzentrieren hat. Dass das entsprechende Loch gar nicht zu erkennen war, wurde durch die von dem Kläger selbst vorgelegten Fotos widerlegt. Bei einer erkennbaren Befüllung eines Schlaglochs mit Wasser darf der Verkehrsteilnehmer nicht darauf vertrauen, dass ein Durchfahren der fraglichen Stelle ohne weiteres möglich wäre (LG Köln, Urt. v. 7.8.2007, Az. 5 O 126/07). Vielmehr muss er mit einer erheblichen Tiefe des Schlaglochs rechnen und daher besonders vorsichtig sein.
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Landesrechtsprechung Schleswig-Holstein
Der Kläger hatte am 22.11.2023 seinen Ford Transit TS auf dem Parkstreifen vor einem Imbiss abgestellt, um sich dort einen Döner zu kaufen. Zu diesem Zeitpunkt war es dunkel und regnerisch. Im Randbereich des Parkstreifens befand sich eine muldenförmige Vertiefung mit den Ausmaßen von circa 20 x 50 cm und einer Tiefe von ca. 6 cm. Es war eine von mehreren Mulden, die mittlerweile von der beklagten Kommune beseitigt wurden.
Der Kläger behauptete, er sei nach dem Öffnen der Fahrzeugtür mit dem rechten Fuß in ein mit Wasser gefülltes Loch getreten und daraufhin umgeknickt und habe eine Außenbandruptur erlitten. Er sei daraufhin einen Monat krankgeschrieben gewesen. Er war der Ansicht, die Beklagte habe eine ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt, da der Parkstreifen sich in einem verkehrswidrigen und gefahrträchtigen Zustand befunden habe. Das mit Wasser gefüllte Loch sei für ihn nicht erkennbar gewesen.
Die Beklagte entgegnete, das Loch sei für den Kläger erkennbar gewesen, denn es habe in einer Entwässerungsrinne gelegen und diese sei von einer Straßenlampe beleuchtet gewesen. Die Behörde behauptete zudem, das Loch könne kurzfristig durch Witterungseinflüsse entstanden sein.
Das LG hat die auf Schmerzensgeld i.H.v. mind. 3.000 € gerichtete Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld aus Amtshaftung wegen der Verletzung einer öffentlich-rechtlichen Verkehrssicherungspflicht gem. §§ 839 Abs. 1, 249, 253 BGB i.V.m. Art. 34 GG und § 10 Abs. 1, Abs. 4 Straßen- und Wegegesetz des Landes Schleswig-Holstein.
Eine absolute Gefahrlosigkeit kann nicht gefordert werden. Der Verkehrssicherungspflichtige muss vielmehr in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag. Dabei gibt es keine starren Regeln, welche Unebenheiten oder Kanten hinzunehmen sind. Entscheidend sind jeweils die konkreten Umstände des Einzelfalls. Maßgebend ist dabei insbesondere die Sicherheitserwartung des Verkehrs, die sich wesentlich an dem äußeren Erscheinungsbild der Verkehrsfläche, ihrer Verkehrsbedeutung und dem Maß der Ablenkung der Fußgänger orientiert.
Die Straßenverkehrssicherungspflicht dient nicht dazu, das allgemeine Lebensrisiko auf den Sicherungspflichtigen abzuwälzen. Eine Pflichtverletzung beginnt grundsätzlich erst dort, wo auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintritt und nicht rechtzeitig erkennbar ist. Und dies war auch für den vorliegenden Fall anzunehmen. Auf den Fotos war deutlich zu erkennen, dass sich im gesamten Bereich des betreffenden Seitenstreifens am Rand zur Fahrbahn entsprechende Schadstellen in Form von Vertiefungen und sonstigen Unebenheiten befanden. Jedenfalls war für den Benutzer der Fahrbahn und des Seitenstreifens ersichtlich, dass die seitliche Befestigung des Seitenstreifens uneinheitlich und brüchig war. Es konnte damit von einem Verkehrsteilnehmer erwartet werden, dass er den entsprechenden Bereich nur befährt und betritt, sofern dies gefahrlos möglich ist.
Im Fußgängerbereich von Bordsteinen oder Fußgängerzonen ist zwar bei einem Niveauunterschied, der 2 cm übersteigt, auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Vorliegend war jedoch zu beachten, dass ein Seitenstreifen weder eine (Bundes-)Straße noch ein reiner Fußgängerweg ist. Der Kläger war auch nicht zum "Bummeln" im Stadtbereich unterwegs, sondern in einem Aussteigevorgang, auf den man sich grundsätzlich zu konzentrieren hat. Dass das entsprechende Loch gar nicht zu erkennen war, wurde durch die von dem Kläger selbst vorgelegten Fotos widerlegt. Bei einer erkennbaren Befüllung eines Schlaglochs mit Wasser darf der Verkehrsteilnehmer nicht darauf vertrauen, dass ein Durchfahren der fraglichen Stelle ohne weiteres möglich wäre (LG Köln, Urt. v. 7.8.2007, Az. 5 O 126/07). Vielmehr muss er mit einer erheblichen Tiefe des Schlaglochs rechnen und daher besonders vorsichtig sein.
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