09.03.2023

Unionsrechtswidrige Beihilfe während Corona? Streit um den Rechtsweg

Soweit die Klägerin im Zuge ihres Sach- und Rechtsvortrags dem aus ihrer Sicht erfolgten vergaberechtlichen Verstoß durch die Beklagte Indizwirkung für die Frage einer unzulässig gewährten Beihilfe zugeschrieben hatte, änderte dies an dem vorstehend bezeichneten Streitgegenstand nichts. Und für den Rechtsstreit über diesen Streitgegenstand ist der ordentliche Rechtsweg eröffnet, da es sich um eine bürgerlich rechtliche Streitigkeit handelt.

LG München I v. 3.3.2023 - 37 O 6688/22
Der Sachverhalt:
Zu Beginn der COVIDI 9-Pandemie am 3.4.2020 hatte der Beklagte im Wege der Direktvergabe u.a. Blutgasanalysesysteme und zu deren Betrieb erforderliche Reagenzkassetten bei der S. H. GmbH zur sofortigen Unterstützung der Krankenhäuser in Bayern gekauft. Die Klägerin war der Ansicht, dass die Erfüllung dieses Vertrags eine unionsrechtswidrige Beihilfe darstelle, da wegen der ihrer Meinung nach vorliegenden Vergaberechtswidrigkeit die fehlende Marktkonformität indiziert werde. Es folgte eine Klage gegen den Vertrag auf dem Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten.

Der Beklagte rügte die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs. Seiner Meinung nach sind für den vorliegenden Rechtsstreit ausschließlich die Vergabekammern und nicht die Kammer für Kartellsachen beim LG zuständig. Kern der Prüfung der Klägerin, mit welcher sie zu der angeblichen Beihilfewidrigkeit gelangt, seien aufgrund der behaupteten Indizienwirkung vergaberechtliche Normen, sodass sie die Zuständigkeit der Vergabekammern umgehe.

Das LG hat den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt.

Die Gründe:
Gegenstand der Klage ist eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit, für die nach S. 13 GVG der ordentliche Rechtsweg eröffnet ist.

Für die Zulässigkeit des Rechtswegs ist der Streitgegenstand maßgeblich, der allein durch den Kläger bestimmt wird Grundlage der Abgrenzung zur öffentlich-rechtlichen (oder einer anderen) Streitigkeit ist daher die klägerische Antragstellung samt Tatsachenvortrag, da diese den Streitgegenstand bestimmen. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der geltend gemachte Anspruch tatsächlich besteht, sondern nur darauf, ob die vom Kläger behaupteten Tatsachen bei Unterstellung ihrer Richtigkeit Rechtsbeziehungen begründen würden, für deren Beurteilung die Zuständigkeit der Zivilgerichte eröffnet ist bzw. die nach dem bürgerlichen Recht zu beurteilen sind.

Die Klägerin macht mit ihrer Klage ausweislich der Klageanträge entgegen der Ansicht der Beklagten keinen Anspruch auf ordnungsgemäße Auswahl in einem Vergabeverfahren geltend. Gegenstand der Klage sind vielmehr aus Sicht der Klägerin seitens der Beklagten einem Wettbewerber der Klägerin unionsrechtswidrig gewährte Beihilfen, deren Rückforderung bzw. künftige Unterlassung die Klägerin mit der hier gegenständlichen Klage begehrte. Soweit die Klägerin im Zuge ihres Sach- und Rechtsvortrags dem aus ihrer Sicht erfolgten vergaberechtlichen Verstoß durch die Beklagte Indizwirkung für die Frage einer unzulässig gewährten Beihilfe zugeschrieben hatte, änderte dies an dem vorstehend bezeichneten Streitgegenstand nichts. Und für den Rechtsstreit über diesen Streitgegenstand ist der ordentliche Rechtsweg eröffnet, da es sich um eine bürgerlich rechtliche Streitigkeit handelt.

Die behauptete Rechtsverletzung gegenüber der Klägerin hat ihre Ursache nicht in einem hoheitlichen Handeln der Beklagten gegenüber der Klägerin, denn eine unmittelbare Handlung der Beklagten gegenüber der Klägerin ist nach dem Sachvortrag der Klägerin gar nicht erfolgt und kann daher auch nicht Gegenstand des Rechtsstreits sein; Gegenstand des Rechtsstreits sind vielmehr die Folgen einer privatrechtlichen Handlung der Beklagten (Lieferauftrag an die S. H. GmbH) für die Klägerin, die sich dadurch geschädigt sieht. Es steht auch nicht in Rede, dass sich die Beklagte bei dieser möglicherweise deliktischen Handlung gegenüber der Klägerin als Trägerin hoheitlicher Gewalt in Bezug auf die Klägerin besonderer Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient hätte.

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Aufsatz
Peter Itzel
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MDR 2023, 261

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