01.07.2014

Unterlassene Anmeldung bei Eurotransplant und abgelehnte Lebendspende sind nicht zwangsläufig Behandlungsfehler

Es liegt kein ärztlicher Behandlungsfehler vor, wenn ein an Leberkrebs erkrankter Patient nicht bei Eurotransplant angemeldet wird, weil nach den sog. Mailand-Kriterien keine reelle Möglichkeit für die Zuteilung einer Leber besteht. In einem solchen Fall muss ein Arzt auch nicht die Lebendspende eines Kindes des Patienten in Betracht ziehen, wenn mit dieser ein tödliches Risiko von 1 % für den kindlichen Spender verbunden ist.

OLG Hamm 25.3.2014, 26 U 135/13
Der Sachverhalt:
Der Erblasser war im Januar 2010 im Alter von 60 Jahren verstorben. Er hatte infolge eines 15 Jahre zurückliegenden chronischen Alkoholabusus an einer Leberzirrhose gelitten. Seit April 2008 prüfte die Transplantationsambulanz der beklagten Medizinischen Hochschule in Hannover in regelmäßigen Abständen den Krankheitsverlauf. Im Juni 2009 wurde ein erhöhter Alpha-1-Fetoprotein(AFP)-Wert festgestellt, im September 2009 der Leberkrebs diagnostiziert.

Eine Anmeldung des Patienten zur Vermittlung eines Spenderorgans bei Eurotransplant unterblieb, nachdem die sog. Mailand-Kriterien nicht mehr erfüllt waren. Eine vom Sohn des Erblassers angebotene Lebendspende wurde nicht berücksichtigt. Dies war aus Sicht der Erben u.a. als behandlungsfehlerhaft zu bewerten. Die Klägerin begehrte deshalb als Miterbin ihres verstorbenen Ehemannes von der Beklagten Schmerzensgeld i.H.v. 30.000 €.

Das LG wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin vor dem OLG blieb erfolglos. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Das LG hat zu Recht die Ansprüche der Klägerin verneint, da weder ein Behandlungs- noch ein Aufklärungsmangel vorgelegen hatten, die für den vorzeitigen Tod ihres Mannes und sein Leiden verantwortlich waren.

Die unterlassene Anmeldung des Patienten bei Eurotransplant konnte der Beklagten nicht vorgeworfen werden, da zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit einer erfolgreichen Anmeldung bestanden hatte. Denn zu Anfang waren die Leberwerte noch zu gut gewesen, so dass die Zuteilung einer Leber nicht hatte erfolgen können. Nach der Feststellung des Leberkrebses konnte wiederum eine Anmeldung nicht mehr erfolgen, weil die sog. Mailand-Kriterien nicht erfüllt waren. Der Leberkrebs war bereits zu weit fortgeschritten.

An die strengen Auswahlkriterien musste sich die Beklagte halten. Ihnen lag ein Organmangel zugrunde, für den die Beklagte nicht verantwortlich war. Auf die vom Sohn des Patienten angebotene Lebendspende mussten die behandelnden Ärzte nicht eingehen, denn diese wäre mit einem tödlichen Risiko von 1% für den Spender verbunden gewesen, und ein Arzt kann nicht verpflichtet werden, ein solches Risiko für den - kindlichen - Spender in Kauf zu nehmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die sogen. Mailand-Kriterien nicht erfüllt sind.

In Deutschland wird eine solche Spende nur dann durchgeführt, wenn auch die Möglichkeit einer Transplantation besteht. Eine Lebendspende ist anfangs immer stärker gefährdet als eine Transplantation, denn bei ihr kommt eine durch Teilung geschädigte Leber in einen geschwächten Körper.

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OLG Hamm PM v. 1.7.2014
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