16.01.2024

Unwirksame Ersatzzustellung bei unleserlichem Datum auf dem Briefumschlag

Eine Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten ist unwirksam, wenn auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks ein nicht eindeutig lesbares Datum vermerkt ist (§ 180 Satz 3 ZPO) und der Adressat deshalb den Zeitpunkt der Einlegung in den Briefkasten nicht ersehen kann.

OLG Koblenz v. 13.12.2023 - 10 U 472/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Mit seiner Klage vor dem LG hat er die (weitere) Gewährung von Versicherungsleistungen geltend gemacht; im Termin vom 3.11.2022 erging auf Antrag des Klägers gegen die Beklagte ein den Klageanträgen entsprechendes Versäumnisurteil.

Das Versäumnisurteil konnte der Beklagten nicht auf elektronischem Weg zugestellt werden; trotz mehrfacher Monierung wurde kein Empfangsbekenntnis zurückgesandt. Das Gericht hat darauf die Zustellung des Versäumnisurteils an den Beklagtenvertreter in Papierform auf dem Postweg eingeleitet. Ausweislich der Postzustellungsurkunde erfolgte die Zustellung am 12.12.2022. Auf dem Zustellumschlag ist handschriftlich ebenfalls ein Datum eingetragen, das von den Prozessbeteiligten als "12.12.2022" oder als "17.12.2022" gelesen wird. Mit Schriftsatz vom 2.1.2023, am gleichen Tag bei Gericht eingegangen, hat die Beklagte Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt.

Mit dem angegriffenen Urteil hat das LG diesen Einspruch als unzulässig verworfen. Es hat dazu ausgeführt, das Versäumnisurteil sei dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 12.12.2022 zugestellt worden, die Einspruchsfrist sei mit dem 27.12.2022 abgelaufen, der Schriftsatz, mit dem die Beklagte Einspruch eingelegt habe, sei jedoch erst am 2.1.2023 bei Gericht und somit nach Fristablauf eingegangen.

Das OLG hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Das Urteil kann keinen Bestand haben, weil die Zustellung des Versäumnisurteils vom 3.11.2022 an die Beklagtenvertreter am 12.12.2022 nicht wirksam war und die Zustellung gemäß § 189 ZPO als zum 27.12.2022 erfolgt gilt. Dann aber ist der Einspruch der Beklagten vom 2.1.2023 noch während des Laufs der Einspruchsfrist rechtzeitig beim LG eingegangen und durfte nicht wegen Fristversäumung als unzulässig verworfen werden.

Der Fall des unleserlichen Datums ist dem Fall des fehlenden Datums gleichzustellen. Da auch die Eintragung des Datums auf dem Zustellumschlag eine Surrogatfunktion für die Übergabe des Schriftstücks an den Zustellungsadressaten hat und die Kenntnis des Datums seinem Schutz und der fristgemäßen Wahrung seiner Rechte dient, ist festzustellen, dass er bei einem nicht lesbaren Datum auf dem Zustellumschlag letztlich in der gleichen Lage ist, als wenn ihm gar kein Datum mitgeteilt wird. Er kann nicht feststellen, wann Fristen für seine möglichen Rechtsbehelfe zu laufen beginnen.

Auch wenn der Zustellungsempfänger dem unleserlichen Datum der Zustellung - wie hier - noch ein Zeitfenster, nämlich den leserlich vermerkten Monat der Zustellung entnehmen kann, ist allein durch diese Information der Lauf von Rechtsbehelfsfristen gerade nicht sicher zu berechnen. § 180 Satz 3 ZPO verlangt, das Datum auf dem Umschlag zu vermerken; schon diesem Wortlaut nach kann damit nur ein konkretes, dem Zeitpunkt der Einlegung in den Briefkasten nach § 180 Satz 2 ZPO entsprechendes und somit ein in dieser Weise leserliches Datum gemeint sein.

Die Zustellung am 12.12.2022 war somit unwirksam. Die Vorschrift des § 189 ZPO findet Anwendung. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten selbst hat das Versäumnisurteil nach seinem vom Kläger nicht widerlegten Vorbringen erstmals am 27.12.2022 zur Kenntnis genommen; dieses Datum ist somit für den Beginn des Laufs der Einspruchsfrist im Sinne des § 189 ZPO maßgeblich und der am 2.1.2023 beim LG eingegangene Einspruch erfolgte somit noch fristgerecht.

Mehr zu Thema:

Rechtsprechung:
Ersatzzustellung: Datumsvermerk des Zustellers als zwingende Zustellungsvorschrift
BGH vom 15.3.2023 - VIII ZR 99/22
MDR 2023, 797

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