Unwirksame Klausel in Versicherungsbedingungen zur Riester-Rente zur Berechtigung des Versicherers zur nachträglichen Herabsetzung der monatlichen Rente
BGH v. 10.12.2025 - IV ZR 34/25
Der Sachverhalt:
Die Beklagte bietet fondsgebundene Rentenversicherungen nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (sog. Riester-Renten) an. Aus den von den Versicherungsnehmern gezahlten Versicherungsprämien und den erzielten Überschüssen erwirbt sie Kapitalanlagen (Fondsanteile), die sie dem jeweiligen Versicherungsvertrag zuordnet. Die ab Rentenbeginn auszuzahlende Rente ermittelt sich anhand eines im Versicherungsschein genannten Rentenfaktors. Dieser basiert auf dem von der Beklagten zugrunde gelegten Rechnungszins und der von ihr angenommenen Lebenserwartung der Versicherten (sog. Rechnungsgrundlagen) und gibt die Höhe der monatlichen Rente an, die für je 10.000 € Policenwert, dem Wert der auf den jeweiligen Versicherungsvertrag entfallenden Fondsanteile, gezahlt wird.
Die von der Beklagten in ihren Verträgen zwischen Juni und November 2006 verwendeten Allgemeinen Versicherungsbedingungen enthielten u.a. folgende Klausel:
"Wenn aufgrund von Umständen, die bei Vertragsabschluss nicht vorhersehbar waren, die Lebenserwartung der Versicherten sich so stark erhöht oder die Rendite der Kapitalanlagen (siehe § 25 Abs. 1 e Satz 4) nicht nur vorübergehend so stark sinken sollte, dass die in Satz 1 genannten Rechnungsgrundlagen voraussichtlich nicht mehr ausreichen, um unsere Rentenzahlungen auf Dauer zu sichern, sind wir berechtigt, die monatliche Rente für je 10.000 € Policenwert so weit herabzusetzen, dass wir die Rentenzahlung bis zu Ihrem Tode garantieren können."
Unter Berufung auf diese Klausel setzte die Beklagte den Rentenfaktor in den betroffenen Versicherungsverträgen in der Vergangenheit mehrfach herab. Der Kläger, ein als qualifizierter Verbraucherverband i.S.v. § 4 Abs. 1 UKlaG eingetragener Verein, hält die Klausel wegen unangemessener Benachteiligung der Versicherungsnehmer für unwirksam. In den Vorinstanzen beantragte er, der Beklagten bei Vermeidung von Ordnungsmitteln zu untersagen, sich gegenüber Verbrauchern auf die beanstandete oder eine inhaltsgleiche Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit fondsgebundenen Rentenversicherungsverträgen zu berufen.
Das LG wies die Klage ab. Das OLG gab der Klage statt und untersagte der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln ein Berufen auf die beanstandete oder eine inhaltsgleiche Klausel gegenüber Verbrauchern im Zusammenhang mit fondsgebundenen Rentenversicherungsverträgen sowie die Verwendung inhaltsgleicher Bestimmungen in sonstiger Weise in AGB. Die Revision der Beklagten hatte im Wesentlichen keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Untersagung wird - wie vom Kläger beantragt - auf ein Berufen auf die beanstandete oder eine inhaltsgleiche Klausel beschränkt. Die darüberhinausgehende Untersagung der Verwendung inhaltsgleicher Bestimmungen in sonstiger Weise in AGB durch das OLG wird aufgehoben. Davon abgesehen hat das OLG zu Recht einen Untersagungsanspruch aus § 1 UKlaG bejaht. Die beanstandete Klausel ist als AGB wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 und § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
Die Klausel gewährt der Beklagten durch die vorgesehene Herabsetzung des Rentenfaktors ein einseitiges Recht zur Neubestimmung der dem Versicherungsnehmer versprochenen Leistung i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB. Die Vereinbarung der Änderung ist den Versicherungsnehmern, auch unter Berücksichtigung der Interessen der Beklagten, nicht zumutbar. In der fondsgebundenen Lebensversicherung kann ein Versicherer zwar angesichts der Langfristigkeit der abgeschlossenen Versicherungsverträge nach Vertragsschluss auftretende Störungen im Verhältnis von versprochener Versicherungsleistung zu den Kapitalerträgen, die aus der Versicherungsprämie am Markt zu erwirtschaften sind, nicht vermeiden.
Unzumutbar ist das Anpassungsrecht aber, wenn der Versicherer - wie hier - nur zu einer Herabsetzung der versprochenen Leistung berechtigt und nicht zugleich im Fall einer nachträglichen Verbesserung der Umstände zu deren Wiederheraufsetzung verpflichtet ist. Insoweit gilt das sog. Symmetriegebot. Es verpflichtet den Versicherer, der den Rentenfaktor aufgrund von Verschlechterungen der Umstände herabgesetzt hat, spätere Verbesserungen der Umstände in vergleichbarer Weise an die Versicherungsnehmer weiterzugeben. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 163 Abs. 1 und 2 VVG, denn dieser Vorschrift ist kein Maßstab für die Inhaltskontrolle eines in den Versicherungsbedingungen einer fondsgebundenen Rentenversicherung enthaltenen Rechts des Versicherers zur Herabsetzung des Rentenfaktors zu entnehmen.
Die Interessen der Versicherungsnehmer werden auch nicht auf andere Weise in einem Umfang gewahrt, dass ein Recht auf Wiederheraufsetzung des Rentenfaktors in den Versicherungsbedingungen entbehrlich wäre. Zwar führt eine positive Entwicklung der Kapitalanlagen zu Überschüssen bei der Beklagten, an denen die Versicherungsnehmer nach den Versicherungsbedingungen beteiligt werden. Es steht aber nicht fest, dass diese Überschussbeteiligung einen ausreichenden Umfang erreicht, denn die Überschüsse hängen von Unternehmenskennzahlen der Beklagten ab und dürfen erst nach Abzug eines auf ihn entfallenden Anteils an die Versicherungsnehmer verteilt werden.
Keinen genügenden Ausgleich schafft auch die in den Versicherungsbedingungen vorgesehene Möglichkeit der Versicherungsnehmer, einmalige Zuzahlungen auf ihre Versicherungsprämien zu leisten oder dauerhaft eine erhöhte Prämie zu zahlen. Die Höhe dieser Zahlungen ist nach den Versicherungsbedingungen mit Blick auf die steuerliche Förderung der Versicherung beschränkt. Schließlich kann auch eine - in der Vergangenheit von der Beklagten im Zusammenhang mit der Herabsetzung des Rentenfaktors stets abgegebene - Zusicherung gegenüber den Versicherungsnehmern, zu Rentenbeginn den Rentenfaktor bei verbesserten Umständen nach oben anzupassen, die Benachteiligung nicht ausgleichen. Die beanstandete Klausel sieht keine Verpflichtung der Beklagten zur Abgabe einer solchen Erklärung vor, so dass nicht sichergestellt ist, dass sie sich auch bei zukünftigen Herabsetzungen des Rentenfaktors entsprechend erklären wird.
Aus diesen Gründen benachteiligt das Fehlen einer Verpflichtung der Beklagten zur Wiederheraufsetzung des Rentenfaktors die Versicherungsnehmer auch unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben, so dass die beanstandete Klausel auch wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist.
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BGH PM Nr. 227 vom 10.12.2025
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Die von der Beklagten in ihren Verträgen zwischen Juni und November 2006 verwendeten Allgemeinen Versicherungsbedingungen enthielten u.a. folgende Klausel:
"Wenn aufgrund von Umständen, die bei Vertragsabschluss nicht vorhersehbar waren, die Lebenserwartung der Versicherten sich so stark erhöht oder die Rendite der Kapitalanlagen (siehe § 25 Abs. 1 e Satz 4) nicht nur vorübergehend so stark sinken sollte, dass die in Satz 1 genannten Rechnungsgrundlagen voraussichtlich nicht mehr ausreichen, um unsere Rentenzahlungen auf Dauer zu sichern, sind wir berechtigt, die monatliche Rente für je 10.000 € Policenwert so weit herabzusetzen, dass wir die Rentenzahlung bis zu Ihrem Tode garantieren können."
Unter Berufung auf diese Klausel setzte die Beklagte den Rentenfaktor in den betroffenen Versicherungsverträgen in der Vergangenheit mehrfach herab. Der Kläger, ein als qualifizierter Verbraucherverband i.S.v. § 4 Abs. 1 UKlaG eingetragener Verein, hält die Klausel wegen unangemessener Benachteiligung der Versicherungsnehmer für unwirksam. In den Vorinstanzen beantragte er, der Beklagten bei Vermeidung von Ordnungsmitteln zu untersagen, sich gegenüber Verbrauchern auf die beanstandete oder eine inhaltsgleiche Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit fondsgebundenen Rentenversicherungsverträgen zu berufen.
Das LG wies die Klage ab. Das OLG gab der Klage statt und untersagte der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln ein Berufen auf die beanstandete oder eine inhaltsgleiche Klausel gegenüber Verbrauchern im Zusammenhang mit fondsgebundenen Rentenversicherungsverträgen sowie die Verwendung inhaltsgleicher Bestimmungen in sonstiger Weise in AGB. Die Revision der Beklagten hatte im Wesentlichen keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Untersagung wird - wie vom Kläger beantragt - auf ein Berufen auf die beanstandete oder eine inhaltsgleiche Klausel beschränkt. Die darüberhinausgehende Untersagung der Verwendung inhaltsgleicher Bestimmungen in sonstiger Weise in AGB durch das OLG wird aufgehoben. Davon abgesehen hat das OLG zu Recht einen Untersagungsanspruch aus § 1 UKlaG bejaht. Die beanstandete Klausel ist als AGB wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 und § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
Die Klausel gewährt der Beklagten durch die vorgesehene Herabsetzung des Rentenfaktors ein einseitiges Recht zur Neubestimmung der dem Versicherungsnehmer versprochenen Leistung i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB. Die Vereinbarung der Änderung ist den Versicherungsnehmern, auch unter Berücksichtigung der Interessen der Beklagten, nicht zumutbar. In der fondsgebundenen Lebensversicherung kann ein Versicherer zwar angesichts der Langfristigkeit der abgeschlossenen Versicherungsverträge nach Vertragsschluss auftretende Störungen im Verhältnis von versprochener Versicherungsleistung zu den Kapitalerträgen, die aus der Versicherungsprämie am Markt zu erwirtschaften sind, nicht vermeiden.
Unzumutbar ist das Anpassungsrecht aber, wenn der Versicherer - wie hier - nur zu einer Herabsetzung der versprochenen Leistung berechtigt und nicht zugleich im Fall einer nachträglichen Verbesserung der Umstände zu deren Wiederheraufsetzung verpflichtet ist. Insoweit gilt das sog. Symmetriegebot. Es verpflichtet den Versicherer, der den Rentenfaktor aufgrund von Verschlechterungen der Umstände herabgesetzt hat, spätere Verbesserungen der Umstände in vergleichbarer Weise an die Versicherungsnehmer weiterzugeben. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 163 Abs. 1 und 2 VVG, denn dieser Vorschrift ist kein Maßstab für die Inhaltskontrolle eines in den Versicherungsbedingungen einer fondsgebundenen Rentenversicherung enthaltenen Rechts des Versicherers zur Herabsetzung des Rentenfaktors zu entnehmen.
Die Interessen der Versicherungsnehmer werden auch nicht auf andere Weise in einem Umfang gewahrt, dass ein Recht auf Wiederheraufsetzung des Rentenfaktors in den Versicherungsbedingungen entbehrlich wäre. Zwar führt eine positive Entwicklung der Kapitalanlagen zu Überschüssen bei der Beklagten, an denen die Versicherungsnehmer nach den Versicherungsbedingungen beteiligt werden. Es steht aber nicht fest, dass diese Überschussbeteiligung einen ausreichenden Umfang erreicht, denn die Überschüsse hängen von Unternehmenskennzahlen der Beklagten ab und dürfen erst nach Abzug eines auf ihn entfallenden Anteils an die Versicherungsnehmer verteilt werden.
Keinen genügenden Ausgleich schafft auch die in den Versicherungsbedingungen vorgesehene Möglichkeit der Versicherungsnehmer, einmalige Zuzahlungen auf ihre Versicherungsprämien zu leisten oder dauerhaft eine erhöhte Prämie zu zahlen. Die Höhe dieser Zahlungen ist nach den Versicherungsbedingungen mit Blick auf die steuerliche Förderung der Versicherung beschränkt. Schließlich kann auch eine - in der Vergangenheit von der Beklagten im Zusammenhang mit der Herabsetzung des Rentenfaktors stets abgegebene - Zusicherung gegenüber den Versicherungsnehmern, zu Rentenbeginn den Rentenfaktor bei verbesserten Umständen nach oben anzupassen, die Benachteiligung nicht ausgleichen. Die beanstandete Klausel sieht keine Verpflichtung der Beklagten zur Abgabe einer solchen Erklärung vor, so dass nicht sichergestellt ist, dass sie sich auch bei zukünftigen Herabsetzungen des Rentenfaktors entsprechend erklären wird.
Aus diesen Gründen benachteiligt das Fehlen einer Verpflichtung der Beklagten zur Wiederheraufsetzung des Rentenfaktors die Versicherungsnehmer auch unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben, so dass die beanstandete Klausel auch wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist.
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