Unwirksame Kündigung eines fiktiven Dauerkleingartens durch die Stadt
BGH v. 17.7.2025 - III ZR 92/24
Der Sachverhalt:
Die beklagte Stadt ist Eigentümerin der Fläche einer Kleingartenanlage. Sie verpachtete diese im Rahmen eines Generalpachtvertrags an den Kläger, der die Parzellen als Zwischenpächter an einzelne Kleingärtner weiterverpachtete. Die Ursprungsfassung des Generalpachtvertrags wurde vor Inkrafttreten des Bundeskleingartengesetzes (BKleingG) geschlossen. Für die Fläche gibt es keinen Bebauungsplan.
Im Januar 2022 kündigte die Beklagte für eine Teilfläche von elf Kleingartenparzellen das Pachtverhältnis zum 30.11.2022. Sie beabsichtigt, die Teilfläche an eine Investorin zu verkaufen, um dort öffentlich geförderten Wohnraum, eine Kindertagesstätte sowie einen öffentlichen Spielplatz zu bauen. Die Beklagte erteilte der Investorin am 14.6.2022 einen für drei Jahre geltenden positiven Bauvorbescheid über die planungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung von acht Wohngebäuden.
Der Kläger begehrte daraufhin die Feststellung, dass die Kündigung unwirksam ist. Er war der Ansicht, dass auf den Teilflächen eine andere als eine kleingärtnerische Nutzung planungsrechtlich unzulässig sei. Das AG hat der Klage stattgegeben. Das LG hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Auch die Revision der Beklagten vor dem BGH blieb erfolglos.
Gründe:
Die (Teil-)Kündigung der Beklagten vom 31.1.2022 des mit dem Kläger bestehenden Pachtverhältnisses war unwirksam. Ein Pachtverhältnis, das einen sog. fiktiven Dauerkleingarten i.S.v. § 16 Abs. 2 BKleingG betrifft, kann vom Verpächter nicht gem. § 9 Abs. 1 Nr. 4 BKleingG gekündigt werden.
Nach § 16 Abs. 2 BKleingG sind vor Inkrafttreten des Bundeskleingartengesetzes geschlossene Verträge über Kleingärten, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes keine Dauerkleingärten sind, wie Verträge über Dauerkleingärten zu behandeln, wenn die Gemeinde Eigentümerin der Grundstücke ist. Zwischen den Parteien war unstreitig, dass § 16 Abs. 2 BKleingG auf den zwischen ihnen geschlossenen Pachtvertrag Anwendung findet. Dementsprechend war dieser wie ein Vertrag über Dauerkleingärten zu behandeln. Bei Dauerkleingärten kommt, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, eine Kündigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 BKleingG nicht in Betracht.
Zu Recht hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auf die Gesetzesbegründung verwiesen. Danach soll es bei der bisher ausgeübten Nutzung (als Kleingarten) verbleiben, solange keine andere Nutzung planungsrechtlich "vorgesehen" ist. Die Gemeinde könne kleingärtnerisch genutzte Flächen einer anderen Nutzung zuführen, indem sie einen entsprechenden Bebauungsplan aufstelle (Regierungsentwurf eines Bundeskleingartengesetzes, BT-Drucks. 9/1900 S. 18). Infolgedessen ist eine andere Nutzung planungsrechtlich nur dann - als Voraussetzung einer Nutzungsänderung - "vorgesehen", wenn die Gemeinde einen entsprechenden Bebauungsplan aufstellt. Dem Erfordernis der Aufstellung eines Bebauungsplans würde es zuwiderlaufen, wenn der Verpächter des sog. fiktiven Dauerkleingartens den Pachtvertrag gem. § 9 Abs. 1 Nr. 4 BKleingG schon deshalb kündigen könnte, weil die andere Nutzung auch ohne einen entsprechenden Bebauungsplan planungsrechtlich zulässig wäre.
Die in dem Vorbescheid vom 14.6.2022 festgestellte planungsrechtliche Zulässigkeit einer anderen als der kleingärtnerischen Nutzung könnte allein für die Kündigung gem. § 9 Abs. 1 Nr. 4 BKleingG von Bedeutung sein. Indes kam - wie ausgeführt - im Falle eines sog. fiktiven Dauerkleingartens eine Kündigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 BKleingG von vorneherein nicht in Betracht. Erforderlich ist vielmehr, dass eine andere als die kleingärtnerische Nutzung ausdrücklich "vorgesehen" ist, und damit ein entsprechender Bebauungsplan. Dieser konnte gerade nicht durch den Vorbescheid festgestellt werden, mit der Folge, dass dessen Tatbestandswirkung kündigungsrechtlich ins Leere ging.
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BGH online
Die beklagte Stadt ist Eigentümerin der Fläche einer Kleingartenanlage. Sie verpachtete diese im Rahmen eines Generalpachtvertrags an den Kläger, der die Parzellen als Zwischenpächter an einzelne Kleingärtner weiterverpachtete. Die Ursprungsfassung des Generalpachtvertrags wurde vor Inkrafttreten des Bundeskleingartengesetzes (BKleingG) geschlossen. Für die Fläche gibt es keinen Bebauungsplan.
Im Januar 2022 kündigte die Beklagte für eine Teilfläche von elf Kleingartenparzellen das Pachtverhältnis zum 30.11.2022. Sie beabsichtigt, die Teilfläche an eine Investorin zu verkaufen, um dort öffentlich geförderten Wohnraum, eine Kindertagesstätte sowie einen öffentlichen Spielplatz zu bauen. Die Beklagte erteilte der Investorin am 14.6.2022 einen für drei Jahre geltenden positiven Bauvorbescheid über die planungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung von acht Wohngebäuden.
Der Kläger begehrte daraufhin die Feststellung, dass die Kündigung unwirksam ist. Er war der Ansicht, dass auf den Teilflächen eine andere als eine kleingärtnerische Nutzung planungsrechtlich unzulässig sei. Das AG hat der Klage stattgegeben. Das LG hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Auch die Revision der Beklagten vor dem BGH blieb erfolglos.
Gründe:
Die (Teil-)Kündigung der Beklagten vom 31.1.2022 des mit dem Kläger bestehenden Pachtverhältnisses war unwirksam. Ein Pachtverhältnis, das einen sog. fiktiven Dauerkleingarten i.S.v. § 16 Abs. 2 BKleingG betrifft, kann vom Verpächter nicht gem. § 9 Abs. 1 Nr. 4 BKleingG gekündigt werden.
Nach § 16 Abs. 2 BKleingG sind vor Inkrafttreten des Bundeskleingartengesetzes geschlossene Verträge über Kleingärten, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes keine Dauerkleingärten sind, wie Verträge über Dauerkleingärten zu behandeln, wenn die Gemeinde Eigentümerin der Grundstücke ist. Zwischen den Parteien war unstreitig, dass § 16 Abs. 2 BKleingG auf den zwischen ihnen geschlossenen Pachtvertrag Anwendung findet. Dementsprechend war dieser wie ein Vertrag über Dauerkleingärten zu behandeln. Bei Dauerkleingärten kommt, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, eine Kündigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 BKleingG nicht in Betracht.
Zu Recht hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auf die Gesetzesbegründung verwiesen. Danach soll es bei der bisher ausgeübten Nutzung (als Kleingarten) verbleiben, solange keine andere Nutzung planungsrechtlich "vorgesehen" ist. Die Gemeinde könne kleingärtnerisch genutzte Flächen einer anderen Nutzung zuführen, indem sie einen entsprechenden Bebauungsplan aufstelle (Regierungsentwurf eines Bundeskleingartengesetzes, BT-Drucks. 9/1900 S. 18). Infolgedessen ist eine andere Nutzung planungsrechtlich nur dann - als Voraussetzung einer Nutzungsänderung - "vorgesehen", wenn die Gemeinde einen entsprechenden Bebauungsplan aufstellt. Dem Erfordernis der Aufstellung eines Bebauungsplans würde es zuwiderlaufen, wenn der Verpächter des sog. fiktiven Dauerkleingartens den Pachtvertrag gem. § 9 Abs. 1 Nr. 4 BKleingG schon deshalb kündigen könnte, weil die andere Nutzung auch ohne einen entsprechenden Bebauungsplan planungsrechtlich zulässig wäre.
Die in dem Vorbescheid vom 14.6.2022 festgestellte planungsrechtliche Zulässigkeit einer anderen als der kleingärtnerischen Nutzung könnte allein für die Kündigung gem. § 9 Abs. 1 Nr. 4 BKleingG von Bedeutung sein. Indes kam - wie ausgeführt - im Falle eines sog. fiktiven Dauerkleingartens eine Kündigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 BKleingG von vorneherein nicht in Betracht. Erforderlich ist vielmehr, dass eine andere als die kleingärtnerische Nutzung ausdrücklich "vorgesehen" ist, und damit ein entsprechender Bebauungsplan. Dieser konnte gerade nicht durch den Vorbescheid festgestellt werden, mit der Folge, dass dessen Tatbestandswirkung kündigungsrechtlich ins Leere ging.
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