13.08.2025

Unwirksamer Gefahrerhöhungstatbestand in einer Wohngebäudeversicherung

Die Bestimmung "Das Gebäude ist nicht länger als 6 Monate ununterbrochen unbewohnt" ist als Gefahrerhöhungstatbestand in einer Deklaration im Versicherungsschein bzw. in den Bedingungen einer Wohngebäudeversicherung im Hinblick auf die Steigerung des Brandrisikos unwirksam. Eine Erhöhung der Brandgefahr kann erst dann bejahen sein, wenn zu dem Leerstehen weitere Umstände hinzukommen.

OLG Schleswig-Holstein v. 21.7.2025 - 16 U 64/24
Der Sachverhalt:
Der Kläger erwarb im Jahr 2018 ein Gebäude, das seit Ende 2015 bei der Beklagten unter Einbeziehung ihrer Bedingungen SicherheitPlus Fassung 2014 u.a. gegen Brand versichert worden war. Nach telefonischer Kommunikation mit der Ehefrau des Klägers stellte die Streithelferin dem Kläger am 4.10.2018 einen Versicherungsschein aus, in dem in einer sog. Deklaration u.a. die Bestimmungen enthalten waren, dass das Gebäude zu Wohnzwecken genutzt wird, es nicht zu mehr als 50 % leer steht und nicht länger als sechs Monate ununterbrochen unbewohnt ist. Am 23.10.2021 brannte das zu dieser Zeit seit längerem leerstehende Gebäude vollständig nieder. Die Beklagte regulierte den Schaden zu 40 %. Die Kürzungen begründete sie mit einer "Obliegenheitsverletzung" des Klägers.

Der Kläger verlangte Zahlung von weiteren 69.445 € (die weiteren 60 % auf die regulierten Positionen). Er hat vorgebracht, die "Angabe" in der Deklaration, dass das Gebäude zu Wohnzwecken genutzt werde, sei falsch; das Gebäude habe schon leer gestanden, als er - wie die Bezeichnung "Neuantrag" dokumentiere - den Versicherungsvertrag neu abgeschlossen habe. Die Angaben dort beruhten auch nicht auf seinen Erklärungen, sondern seien von der Streithelferin, die im Lager der Beklagten stehe, wahrscheinlich aus dem früheren Vertrag übernommen worden.

Das LG hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Eine Kürzung der Entschädigungsleistung sei nicht gerechtfertigt. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Die Beklagte ist wegen einer Gefahrerhöhung in dem von ihr vorgenommenen Umfang von 60% leistungsfrei geworden, sodass der Kläger weder weitere Zahlung noch die Feststellung verlangen kann, dass ihm die Beklagte die bestrittenen 60% auf die sog. Neuwertspitze zahle.

Zwar ist die Bestimmung "Das Gebäude ist nicht länger als 6 Monate ununterbrochen unbewohnt" als Gefahrerhöhungstatbestand in einer Deklaration im Versicherungsschein bzw. in den Bedingungen einer Wohngebäudeversicherung im Hinblick auf die Steigerung des Brandrisikos unwirksam. Eine Erhöhung der Brandgefahr kann nämlich erst dann zu bejahen sein, wenn zu dem Leerstehen weitere Umstände hinzukommen. Für die Entscheidung des Rechtsstreits war jedoch ohne entscheidende Bedeutung, ob das Gebäude zum Zeitpunkt des Abschlusses des ursprünglichen Versicherungsvertrags durch die Eigentümergemeinschaft Dezember 2015 noch bewohnt war oder schon nicht mehr.

Im Streitfall lag vielmehr eine zur Leistungskürzung berechtigende, nicht angezeigte und nicht genehmigte sog. objektive Gefahrerhöhung i.S.v. Teil B Ziffer 5 Abs. 2 Satz 2 der Bedingungen bzw. § 23 Abs. 3 VVG vor, weil das Gebäude zum Zeitpunkt des Brandes, nicht aber schon zum maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des ursprünglichen Versicherungsvertrags langjährig und mit nach dem Erwerb des Klägers zu Tage getretenen und ihm bekannten Folgen für das Brandrisiko leer stand, ohne dass der Kläger das, wozu er gehalten gewesen wäre, der Beklagten angezeigt hätte. Die Bedingungen bzw. das Gesetz sind ungeachtet des Umstandes anzuwenden, dass die Vorgaben aus der Deklaration ("Das Gebäude ist nicht länger als 6 Monate ununterbrochen unbewohnt" bzw. "das versicherte Gebäude oder der überwiegende Teil des Gebäudes wird länger als 6 Monate nicht genutzt") wie erörtert unwirksam sind.

Wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam, § 306 Abs. 1 BGB. Etwas anderes gilt gem. § 306 Abs. 3 BGB nur, wenn das Festhalten am Vertrag auch unter Berücksichtigung der nach Abs. 2 vorgesehenen Änderung (d.h. eine Anwendung der gesetzlichen Vorschriften) eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde. Das war hier offensichtlich nicht der Fall, weil das Entfallen der Maßgaben der Deklaration, die jeweils als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren sind, nur dazu führt, dass der Vertrag allein einen dem Gesetz entsprechenden Inhalt hat, was dem wohlverstandenen Interesse beider Parteien entspricht.

Die Obliegenheitsverletzung des Klägers rechtfertigte auch eine Leistungskürzung in dem von der Beklagten vorgenommenen Umfang. Steht ein Haus langjährig leer; sind darin erst während der Besitzzeit des Versicherungsnehmers regelmäßig Unbefugte eingedrungen; haben sie sich davon auch nicht durch den wiederholten Verschluss der Türen abhalten lassen; haben sie sich, wie sich aus verbliebenen Überresten erschließt, dort auch länger aufgehalten, befördert auch durch den Umstand, dass in dem Haus Strom vorhanden war; so liegt in einem Brandschadenfall im Hinblick auf die Nichtanzeige eines Versicherungsnehmers, dem all dies bekannt ist, mehr als ein nur mittelgradiges Verschulden vor, das eine Leistungskürzung wegen Nichtanzeige einer Gefahrerhöhung um 60% rechtfertigt.

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