Vaterschaftsanfechtung: Unzulässige Bestellung eines Ergänzungspflegers
OLG Frankfurt a.M. v. 30.4.2025 - 6 UF 72/25
Der Sachverhalt:
Die Beteiligte zu 3) (Mutter) wendet sich gegen die Feststellung der Beendigung einer Pflegschaft für ihr 2019 geborenes Kind wegen Erledigung der Angelegenheit. Die Mutter und der Beteiligte zu 4) (der rechtliche Vater, kurz: Vater) waren und sind nicht verheiratet. Der Vater hat die Vaterschaft für das Kind durch Erklärung vom 18.9.2019 mit Zustimmung der Mutter anerkannt. Beide üben die elterliche Sorge für das Kind gemeinsam aus.
Im März 2024 regte die Mutter an, für das Kind wegen Vaterschaftsanfechtung einen Ergänzungspfleger zu bestellen. Sie selbst habe die Blutgruppe A Rh positiv, das Kind die Blutgruppe AB Rh positiv und der Vater A Rh positiv. Daran sei ersichtlich, dass das Kind nicht vom rechtlichen Vater abstammen könne. Sie habe während der gesetzlichen Empfängniszeit auch sexuellen Kontakt zu einem zwischenzeitlich verstorbenen Mann gehabt. Da sie selbst von diesem Umstand schon länger als zwei Jahre Kenntnis habe, sei sie daran gehindert, die Vaterschaft anzufechten. Es sei zu klären, dass der rechtliche Vater auch der biologische Vater ist. Eine Entscheidung darüber, ob die Vaterschaft angefochten wird, könne nur ein Ergänzungspfleger abgeben. Der Vater sprach sich gegen die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft aus.
Das AG ordnete für das Kind Ergänzungspflegschaft mit dem Aufgabenkreis Entscheidung über die Anfechtung der Vaterschaft des rechtlichen Vaters und ggf. Vertretung im Vaterschaftsanfechtungsverfahren an und bestellte das Jugendamt als Ergänzungspfleger. In der Folge teilte das Jugendamt mit, dass es kein Vaterschaftsanfechtungsverfahren anstoßen werde. Eine Anfechtung der Vaterschaft entspreche nicht dem Mündelinteresse.
Bei der Anhörung der Beteiligten durch das AG stellte sich die Mutter der Aufhebung der Ergänzungspflegschaft entgegen. Sie regte an, das Jugendamt als Ergänzungspfleger zu entlassen und einen anderen Ergänzungspfleger zu bestellen; die zuständige Mitarbeiterin habe mit ihr und dem Kind nicht gesprochen. Das AG stellte daraufhin fest, dass die Ergänzungspflegschaft gem. § 1812 Abs. 2 BGB durch die Erledigung der Angelegenheit beendet ist. Nachdem sich der bestellte Ergänzungspfleger gegen die Anfechtung der Vaterschaft ausgesprochen hat, sei die Aufgabe abgeschlossen.
Die Beschwerde der Mutter hatte vor dem OLG keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Beschwerde ist unzulässig, weil es der Mutter an der gem. § 59 Abs. 1 FamFG erforderlichen Beschwerdeberechtigung fehlt.
Gem. § 59 Abs. 1 FamFG steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch den angefochtenen Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Im Fall der Anordnung einer Ergänzungspflegschaft ist ein sorgeberechtigter Elternteil beschwerdebefugt, weil durch die Entscheidung in die elterliche Sorge als Bestandteil des Elternrechts nach Art. 6 Abs. 2 GG eingegriffen worden ist. Dagegen ist ein Elternteil nicht beschwerdebefugt, wenn das Ende der Pflegschaft nach § 1812 Abs. 2 BGB festgestellt wird. Der das Ende der Pflegschaft nach § 1813 BGB Abs. 1 i.V.m. § 168e FamFG feststellende Beschluss ist zwar grundsätzlich anfechtbar, auch wenn er keine Rechtswirkung entfaltet. Beschwerdeberechtigt sind aber nur der Pflegling und der Pfleger aus eigenem Recht oder in Vertretung des Pfleglings.
Danach ist die Mutter nicht berechtigt, im eigenen Namen Beschwerde zu erheben. Allein aus ihrer Beteiligtenstellung ergibt sich keine Beschwerdebefugnis. Sie ist durch die Feststellung des Endes der Pflegschaft nicht in ihrem Sorgerecht beeinträchtigt. Dass die Mutter die Verfahrensweise des Ergänzungspflegers beanstandet, führt nicht zu einer Beeinträchtigung ihres Sorgerechts durch die Feststellung des Endes der Ergänzungspflegschaft. Auch der Umstand, dass sie selbst in eigenem Namen die Vaterschaft des Kindes nicht mehr anfechten kann, begründet kein eigenes Recht der Mutter, das ihr die Befugnis geben würde, die Feststellung des Endes der Pflegschaft durch das Beschwerdegericht überprüfen zu lassen. Im Übrigen trägt sie auch keine rechtlichen Gründe dafür vor, dass das AG die Beendigung der Pflegschaft unter Verstoß gegen § 1812 Abs. 2 BGB, § 168e FamFG festgestellt und sie ein rechtlich geschütztes Interesse hat, eine solche unzutreffende Feststellung zu korrigieren.
Danach gilt, dass die mitsorgeberechtigte, mit dem Kindesvater nicht verheiratete Mutter in einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren nicht von der Vertretung des antragstellenden Kindes ausgeschlossen ist. Die Bestellung eines Ergänzungspflegers ist insoweit unzulässig. Bestellt der Rechtspfleger gleichwohl einen Ergänzungspfleger und erklärt dieser, die Vaterschaft im Namen des Kindes nicht anfechten zu wollen, ist die Mutter gegen die richterliche Entscheidung, die Pflegschaft sei nach § 1812 Abs. 2 BGB beendet, nicht beschwerdeberechtigt. Bei gemeinsamem Sorgerecht obliegt die Entscheidung über das "Ob" der Vaterschaftsanfechtung den Eltern und es bedarf im Falle fehlenden Konsenses grundsätzlich einer Entscheidung des Familiengerichts nach § 1628 BGB. Ist die Anfechtungsfrist von § 1600b Abs. 1 BGB für den das Kind vertretenden Elternteil bereits abgelaufen, wird sein Wissen dem antragstellenden Kind nach § 166 Abs. 1 BGB zugerechnet.
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