23.01.2024

Vergleichsmehrwert in Fällen mit Abgeltung etwaiger Regressansprüche gegen Streithelfer

Wird in einem Vergleich auch ein bislang nicht rechtshängiger Gesamtschuldnerausgleichsanspruch zwischen einer Partei und einem Streithelfer mitgeregelt, begründet dies zwar einen Mehrwert, jedoch nur im Verhältnis zwischen dieser Partei und dem Streithelfer und nur in der Höhe, in der ein Ausgleichsanspruch streitig war und die Partei ihn für berechtigt halten durfte.

OLG Karlsruhe v. 16.1.2024 - 19 W 92/22
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte als Versicherer einer Auftraggeberin von Arbeiten zur Dachabdichtung die Beklagte als ausführendes Unternehmen dieser Arbeiten wegen eines Brandereignisses auf Schadensersatz i.H.v. rund 122.986 € aus übergegangenem Recht in Anspruch genommen. Die Beklagte hatte ihrerseits den überwachenden Architekten den Streit verkündet, die daraufhin dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten sind.

Das LG hat gem. § 278 Abs. 6 ZPO einen Vergleich festgestellt. Darin verpflichteten sich die Beklagte zur Zahlung von 95.000 € an die Klägerin, die Streithelfer der Klägerin zur Zahlung weiterer 5.000 € ebenfalls an die Klägerin. Durch den Vergleich abgegolten wurden sowohl sämtliche Ansprüche der Klägerin aus dem Brandereignis gegen die Beklagte und die Streithelfer als auch sämtliche Regress-, Ausgleichs- und Freistellungsansprüche im Innenverhältnis zwischen der Beklagten und den Streithelfern der Klägerin wegen der in dem Vergleich vereinbarten Zahlungen und Kosten.

Das LG hat durch denselben Beschluss den Streitwert auf 122.986 € festgesetzt und das Bestehen eines Vergleichsmehrwerts verneint. Hiergegen richtete sich die Beschwerde des Beklagtenvertreters, mit der er die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes, zumindest im Verhältnis zwischen Beklagter und Streithelfern, i.H.v. 122.986 €, jedenfalls aber i.H.v. 100.000 € begehrte.

Das OLG hat der Beschwerde teilweise stattgegeben.

Die Gründe:
Die Auffassung des LG, der Schaden sei bei wirtschaftlicher Betrachtung letztlich nur einmal durch irgendjemanden zu tragen ist, ging insofern zu weit. Der Vergleichsmehrwert wird im Verhältnis zwischen der Beklagten und den Streithelfern der Klägerin auf 45.000 € festgesetzt.

Tatsächlich bestand keine wirtschaftliche Identität der Streitgegenstände. Darüber hinaus bestanden die Ausgleichsansprüche auch nicht zwischen den Parteien des Rechtsstreits. Der Hinweis des LG darauf, dass § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG auch im Fall der Drittwiderklage anwendbar sei, führte zu keinem anderen Ergebnis. Denn eine Drittwiderklage kann grundsätzlich nicht isoliert, sondern nur zusammen mit einer gegen die andere Prozesspartei gerichteten Widerklage erhoben werden (vgl. hierzu nur Zöller/Schultzky, ZPO, 35. Aufl., § 33 Rn. 24ff.).

Die Fälle, in denen eine isolierte Drittwiderklage ausnahmsweise als zulässig angesehen wird, sind insbesondere solche im Zusammenhang mit einer vorausgegangenen Zession, so dass sich der Gegenstand der Drittwiderklage z.B. mit der Aufrechnungsforderung aus dem ursprünglichen Prozessrechtsverhältnis deckt. Dass in diesen Fällen der enge Zusammenhang auch streitwertmäßig zu berücksichtigen ist, gebot keine Übertragung auf den hier vorliegenden Fall, in dem Regressansprüche gegen den Streithelfer mitverglichen worden waren.

Der Vergleichsmehrwert ist jedoch nur in dem Verhältnis zwischen der Beklagten und den Streithelfern festzusetzen. Der Senat schließt sich insofern - unter Aufgabe seiner früheren Auffassung - der in der neueren obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Auffassung an, dass der Vergleichsmehrwert nicht für den gesamten Rechtsstreit, sondern nur im entsprechenden Rechtsverhältnis gilt (so z.B. OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.12.2014, 10 U 158/13; OLG Düsseldorf, 15.9.2015, 18 W 31/15.

Der Höhe nach belief sich der Vergleichsmehrwert auf 45.000 €. Der Wert von Ausgleichsansprüchen im Innenverhältnis von Gesamtschuldnern kann von vornherein nur in der Höhe bestehen, in welcher die Gesamtschuldner im Außenverhältnis von dem Gläubiger in Anspruch genommen werden. Der Vergleichsbetrag stellt die Obergrenze für den im mitgeregelten Gesamtschuldnerausgleich liegenden Vergleichsmehrwert dar. Eine Festsetzung auf 122.986 €, also entsprechend dem Hauptsachestreitwert, kam daher schon deshalb nicht in Betracht, weil die Abgeltungsklausel nur die im Vergleich vereinbarten Zahlungen, also max. 100.000 €, betraf.

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