05.08.2025

Verjährungsfrist: Gewaltsames Öffnen der Wohnungstür ist einer Zwangsräumung gleichgestellt

Öffnet der Vermieter nach Versterben der Mieterin zwangsweise die Wohnung ohne gerichtlichen Titel, führt dies zu einem Rückerhalt der Mietsache und setzt die Verjährungsfrist nach § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB in Gang. Insoweit entspricht das gewaltsame Öffnen der Wohnungstür im Ergebnis einer Zwangsräumung.

AG Hamburg v. 4.7.2025 - 49 C 483/24
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Eigentümerin einer knapp 93 m² großen 4-Zimmer-Wohnung in Hamburg, die seit 1961 an eine ältere Dame vermietet war. Nach dem Versterben der Mieterin am 26.8.2023 wurde seitens des Nachlassgerichts mitgeteilt, dass keine als Erben in Betracht kommenden Personen bekannt seien, zumal eine in Betracht kommende Person das Erbe ausgeschlagen habe. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass aus Sicht des Nachlassgerichts eine Weitervermietung möglich sei.

Die Klägerin hat möglicherweise auf eine entsprechende Anregung des Nachlassgerichts hin die Wohnung am 8.3.2024 geöffnet, werthafte Gegenstände sichergestellt und sie im Übrigen geräumt. Später wandte sie für die Entfernung von Tapeten in der verrauchten Wohnung 1.350 € auf. Für das Aufbohren des Schließzylinders wurden 296 € aufgewandt, für sonstige Renovierungsarbeiten rund 27.000 €. Mit dem Nachlassverwalter wurde vereinbart worden, dass das Mietverhältnis jedenfalls zum Ende April 2024 endet. Eine formelle Rückgabe oder auch nur Besichtigung der Wohnung durch den Nachlassverwalter erfolgte nicht.

Die Klägerin war der Ansicht, dass der Beklagte für die Kosten der Renovierung sowie des Aufbohrens des Schließzylinders aufzukommen habe. Der Beklagte berief sich auf die Einrede der Verjährung. Es sei auf das Öffnen der Wohnung durch den Schlüsseldienst am 8.3.2024 abzustellen. Seither habe die Klägerin unmittelbare Sachherrschaft.

Das AG hat die auf Zahlung von rund 30.000 € gerichtete Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Einem etwaigen Anspruch der Klägerin stand entgegen, dass die Forderungen nach § 548 Abs. 1 BGB verjährt waren und der Beklagte sich auch auf die Einrede der Verjährung berufen hatte.

Nach § 548 Abs. 1 Satz 1 u. 2 BGB verjähren Ersatzansprüche der Vermieterseite wegen Veränderungen oder wegen Verschlechterung der Mietsache in sechs Monaten nach Erhalt der Mietsache. Innerhalb der kurzen Verjährungsfrist nach § 548 Abs. 1 BGB verjähren demgemäß sämtliche Schadensfolgen, die aus dem vertragswidrigen Zustand der Mietsache resultieren und deshalb zu einem einheitlichen Schadensbild gehören. Dabei spielt die Art der verletzten Pflicht des Mieters (Obhutspflicht, Unterlassung einer Mängelanzeige, vertragswidrige Wegnahme einer Einrichtung) keine Rolle, sondern nur, ob die Folge der Pflichtverletzung eine Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache beinhaltet.

Insofern setzt ein Rückerhalt der Mietsache nach § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB eine Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten der Vermieterseite voraus, da dieser erst durch die unmittelbare Sachherrschaft in die Lage versetzt wird, sich ungestört ein umfassendes Bild von etwaigen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache zu machen. Dabei ist für den Verjährungsbeginn der Rückerhalt der Mietsache auch dann maßgeblich, wenn der Mietvertrag noch nicht beendet ist mit der Folge, dass ein Anspruch i.S.d. § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB etwa bereits vor Beendigung des Mietverhältnisses verjähren kann. Entscheidend ist danach die mit der Besitzaufgabe einhergehende unmittelbare Sachherrschaft der Vermieterseite. Ob die Besitzerlangung der Vermieterseite den rechtlichen Regelungen der mietvertraglichen Vereinbarungen entspricht, spielt insoweit keine Rolle.

Vorliegend war die Wohnung mit dem Aufbohren der Schließzylinder und der Sicherung der werthaltigen Gegenstände am 8.3.2024 klägerseitig in Besitz genommen worden. Mit der gewaltsamen Öffnung der Wohnung war die Klägerin in der Lage, sich ein umfassendes Bild vom Schadenszustand in der Wohnung zu machen, sie hatte hiernach die alleinige unmittelbare Sachherrschaft an der Mietwohnung. Insoweit entsprach das gewaltsame Öffnen der Wohnungstür im Ergebnis einer Zwangsräumung, die ebenfalls den Lauf der Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB in Gang setzt.

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