06.08.2025

Verkehrsunfall: Erstattung von sog. Vorhaltekosten für einen Linienbus?

Nach ständiger Rechtsprechung stellen auch sog. Vorhaltekosten für das Vorhalten von Ersatzbussen im Linienbetrieb einen ersatzfähigen Schaden i.S.d. § 249 Abs. 1 BGB dar. In der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt ist jedoch, ob die Ersatzfähigkeit von Vorhaltekosten zwingend den tatsächlichen Einsatz eines Ersatzbusses im konkreten Schadensfall voraussetzt oder ob eine sog. fiktive Abrechnung auf Grundlage der in einem Gutachten prognostizierten Reparaturdauer ausreichend ist.

AG Trier v. 18.7.2025 - 7 C 116/24
Der Sachverhalt:
Im September 2021 war es zu einem Verkehrsunfall zwischen einem Linienbus der Klägerin und einem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug gekommen. Die alleinige Verantwortlichkeit des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs für den Unfall war unstreitig. Die Parteien stritten jedoch explizit über die Erstattung von sog. Vorhaltekosten für den Linienbus. Für einen Zeitraum von sieben Tagen bezifferte die Klägerin einen pauschalen Tagessatz i.H.v. 172 €, den sie unter Verweis auf drei verschiedene Tabellenwerke, die pauschale Tagessätze in Abhängigkeit des Anschaffungspreises eines Busses festlegen, ermittelt hatte. Dabei hat sie den Betrag derjenigen Tabelle angesetzt, die den niedrigsten Tagessatz auswies.

Die Beklagte weigerte sich, die Vorhaltekosten zu begleichen. Sie war der Ansicht, da die Klägerin sich für die fiktive Geltendmachung der Reparaturkosten entschieden habe, sei ihr eine konkrete Geltendmachung von Vorhaltekosten verwehrt.

Das AG gab der Klage weitestgehend statt.

Die Gründe:
Der Klägerin steht gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherer gem. §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 1 PflVG ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Hierzu zählten auch die von der Klägerin geltend gemachten Vorhaltekosten. Die Kosten für die Reparaturbestätigung waren hingegen nicht erstattungsfähig.

Nach ständiger Rechtsprechung stellen auch sog. Vorhaltekosten für das Vorhalten von Ersatzbussen im Linienbetrieb einen ersatzfähigen Schaden i.S.d. § 249 Abs. 1 BGB dar (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 1.9.2014 - 12 U 1136/12). Voraussetzung ist allerdings, dass der Geschädigte tatsächlich eine Reserveflotte unterhält, die konkret für Ausfälle vorgesehen ist. Es ist gängige und anerkannte Praxis, dass diese Kosten anteilig pro Tag des Einsatzes des Ersatzfahrzeugs erstattungsfähig sind. Die Höhe des Tagessatzes orientiert sich regelmäßig an Parametern wie den Anschaffungskosten, den laufenden Unterhalts- und Finanzierungskosten sowie der kalkulierten Nutzungsdauer. Der Schaden wird dann in Form einer Anzahl von Tagessätzen entsprechend der Reparatur- oder Ausfalldauer ersetzt.

In der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt ist jedoch, ob die Ersatzfähigkeit von Vorhaltekosten zwingend den tatsächlichen Einsatz eines Ersatzbusses im konkreten Schadensfall voraussetzt oder ob eine sog. fiktive Abrechnung auf Grundlage der in einem Gutachten prognostizierten Reparaturdauer ausreichend ist. Es wäre letztlich aber widersinnig, den Geschädigten faktisch zur Reparatur des Fahrzeuges zu zwingen, wenn er Vorhaltekosten anteilig ersetzt bekommen möchte, obwohl es ggf. sinnvoller wäre, das beschädigte, aber fahrtüchtige Fahrzeug erst bei der nächsten ohnehin anfallenden Inspektion zu reparieren und dabei Zeit einzusparen. Der Schädiger würde dann vom sparsamen bzw. wirtschaftlich denkenden Geschädigten unbilliger Weise profitieren. Genau mit diesem Argument wird letztlich auch die Möglichkeit des fiktiven Ersatzes des Nutzungsausfalls begründet. Insofern muss es für den Geschädigten zulässig sein, auch auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens seine konkret angefallenen Vorhaltekosten lediglich hinsichtlich der ersatzfähigen Dauer fiktiv abzurechnen.

Es handelt sich auch nicht um eine unzulässige Kombination von fiktiver und konkreter Abrechnung. Das Verbot der Kombination bezieht sich nur auf miteinander verzahnte Schadenspositionen. So ist es nicht möglich die Kosten für die Ersatzbeschaffung eines neuen Fahrzeugs fiktiv abzurechnen, dann jedoch konkret angefallene Kosten für die Abholung eines tatsächlich neu angeschafften Fahrzeugs ersetzt zu verlangen. Ein Nebeneinander zwischen fiktiver und konkreter Abrechnung bei unterschiedlichen Schadenspositionen ist jedoch möglich. So könnte der Fahrzeugschaden fiktiv, der Schaden an getragenen beschädigten Accessoires (z.B. einer Uhr) konkret geltend gemacht werden.

Ob es sich im Verhältnis Wiederherstellungskosten und Ausfallschaden um voneinander getrennt zu betrachtende oder miteinander verzahnte Positionen handelt, ist fraglich. Soweit in der Rechtsprechung teilweise vertreten wird, dass die Unzulässigkeit der Kombination auch im Verhältnis von Wiederherstellungskosten und Nutzungsausfall gilt (OLG Celle, Urt. v. 10.11.2021 - 14 U 136/20), müsste man selbiges für das Verhältnis von Wiederherstellungs- und Ausfallkosten annehmen. Letztlich brauchte dies nicht entschieden zu werden, denn die Klägerin hatte hier Ausfallkosten geltend gemacht, die sie sowohl mit dem konkreten Einsatz des Ersatzbusses, als auch auf Grundlage der fiktiven in einem Gutachten festgelegten Reparaturdauer begründete.

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