Verkehrsunfall: Streit um tatsächlich entstandenen Reparaturaufwand
OLG Saarbrücken v. 5.6.2025, 3 U 68/24
Der Sachverhalt:
Die Klägerin nahm die Beklagten aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 21.5.2022 ereignet hatte und bei dem der VW Golf der Klägerin beschädigt worden war. Die alleinige Haftung der Beklagten stand nicht in Streit. Die Klägerin holte vielmehr vorgerichtlich ein Schadengutachten ein, das die erforderlichen Reparaturkosten auf 4.337 € brutto, den Wiederbeschaffungswert auf 3.600 € und einen Restwert i.H.v. 2.010 € schätzte. Die Klägerin ließ das Fahrzeug reparieren.
Später verlangte die Klägerin von den Beklagten Zahlung von 5.485 € (4.596 € Reparaturkosten + 863 € SV-Kosten + 26 € Unkostenpauschale) nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten. Hierzu hat sie geltend gemacht, sämtliche im Schadengutachten dokumentierten Schäden seien auf das Unfallgeschehen zurückzuführen. Die Beklagten waren damit nicht einverstanden.
Das LG hat die Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 4.288 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten von 540 € verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG das Urteil unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 4.255 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten von 540 € zu zahlen.
Die Gründe:
Die zulässige Berufung hat in der Sache lediglich in geringem Umfang Erfolg. Sachverständigenkosten und Unkostenpauschale waren zu hoch angesetzt. Das LG hatte der Klägerin allerdings insgesamt zurecht einen Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten zuerkannt.
Der Reparaturaufwand überstieg den Wiederbeschaffungswert um weniger als 30 %. Entgegen der Berufung war es unerheblich, dass die für die Reparatur insgesamt angefallenen Kosten mit 4.596 € deutlich oberhalb 130 % des Wiederbeschaffungswertes lagen. Denn diese Kosten umfassen die Beseitigung unfallunabhängiger Schäden. Reparaturen, die nur bei Gelegenheit der Instandsetzungsarbeiten mitausgeführt worden sind, haben indes bei der Bemessung des erforderlichen Herstellungsaufwandes grundsätzlich außer Betracht zu bleiben (vgl. BGH, Urt. v. 16.1.2024 - VI ZR 266/22). Dies gilt auch für die Bemessung des Reparaturaufwands im Rahmen des Kostenvergleichs mit dem Wiederbeschaffungswert.
Dem Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten stand auch nicht entgegen, dass das vorgerichtliche Schadengutachten unfallunabhängige Schäden berücksichtigt und sich die für den Kostenvergleich maßgeblichen Werte erst nachträglich durch die Beweiserhebung im gerichtlichen Verfahren ergeben hatten. Zutreffend hatten die Beklagten darauf hingewiesen, dass die Klägerin auf das von ihr eingeholte Schadengutachten nicht vertrauen konnte. Denn der Vertrauensschutz des Geschädigten erstreckt sich grundsätzlich nicht darauf, dass die von dem Schadengutachter bei der Schadensermittlung berücksichtigten Schäden unfallbedingt entstanden sind. Darauf, ob das Schadengutachten eine taugliche Dispositionsgrundlage bildet, kam es hier aber nicht an.
Der Geschädigte kann den tatsächlich entstandenen Reparaturaufwand ersetzt verlangen, wenn es ihm gelingt, die Reparatur innerhalb der 130%-Grenze fachgerecht und in einem Umfang durchzuführen, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat, um es nach der Reparatur weiter zu benutzen (Anschluss BGH, Urt. v. 16.11.2021 - VI ZR 100/20). Dies gilt auch dann, wenn das vorgerichtliche Schadengutachten den Unfallschaden infolge der Mitberücksichtigung von Vorschäden unzutreffend abbildet und sich die für den Kostenvergleich maßgeblichen Werte erst nachträglich im gerichtlichen Verfahren ergeben. Bei der Prüfung, ob der tatsächlich entstandene Reparaturaufwand den Wiederbeschaffungswert um weniger als 130 % übersteigt, sind Reparaturkosten, die unfallunabhängige Schäden betreffen, nicht zu berücksichtigen.
Mehr zum Thema:
Aufsatz:
Peter Reusch
VersR REPORT: Ausgewählte neue Rechtsprechung zur Sachversicherung
VersR 2025, 463
Beratermodul VersR - Zeitschrift für Versicherungsrecht
Otto Schmidt Answers optional dazu buchen und die KI 4 Wochen gratis nutzen! Die Answers-Lizenz gilt für alle Answers-fähigen Module, die Sie im Abo oder im Test nutzen. Mit dem Beratermodul VersR haben Sie Zugriff auf das Archiv der Zeitschrift VersR seit 1970 mit jeweils 24 Ausgaben pro Jahr. 4 Wochen gratis nutzen!
Bürgerservice Saarland
Die Klägerin nahm die Beklagten aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 21.5.2022 ereignet hatte und bei dem der VW Golf der Klägerin beschädigt worden war. Die alleinige Haftung der Beklagten stand nicht in Streit. Die Klägerin holte vielmehr vorgerichtlich ein Schadengutachten ein, das die erforderlichen Reparaturkosten auf 4.337 € brutto, den Wiederbeschaffungswert auf 3.600 € und einen Restwert i.H.v. 2.010 € schätzte. Die Klägerin ließ das Fahrzeug reparieren.
Später verlangte die Klägerin von den Beklagten Zahlung von 5.485 € (4.596 € Reparaturkosten + 863 € SV-Kosten + 26 € Unkostenpauschale) nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten. Hierzu hat sie geltend gemacht, sämtliche im Schadengutachten dokumentierten Schäden seien auf das Unfallgeschehen zurückzuführen. Die Beklagten waren damit nicht einverstanden.
Das LG hat die Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 4.288 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten von 540 € verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG das Urteil unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 4.255 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten von 540 € zu zahlen.
Die Gründe:
Die zulässige Berufung hat in der Sache lediglich in geringem Umfang Erfolg. Sachverständigenkosten und Unkostenpauschale waren zu hoch angesetzt. Das LG hatte der Klägerin allerdings insgesamt zurecht einen Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten zuerkannt.
Der Reparaturaufwand überstieg den Wiederbeschaffungswert um weniger als 30 %. Entgegen der Berufung war es unerheblich, dass die für die Reparatur insgesamt angefallenen Kosten mit 4.596 € deutlich oberhalb 130 % des Wiederbeschaffungswertes lagen. Denn diese Kosten umfassen die Beseitigung unfallunabhängiger Schäden. Reparaturen, die nur bei Gelegenheit der Instandsetzungsarbeiten mitausgeführt worden sind, haben indes bei der Bemessung des erforderlichen Herstellungsaufwandes grundsätzlich außer Betracht zu bleiben (vgl. BGH, Urt. v. 16.1.2024 - VI ZR 266/22). Dies gilt auch für die Bemessung des Reparaturaufwands im Rahmen des Kostenvergleichs mit dem Wiederbeschaffungswert.
Dem Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten stand auch nicht entgegen, dass das vorgerichtliche Schadengutachten unfallunabhängige Schäden berücksichtigt und sich die für den Kostenvergleich maßgeblichen Werte erst nachträglich durch die Beweiserhebung im gerichtlichen Verfahren ergeben hatten. Zutreffend hatten die Beklagten darauf hingewiesen, dass die Klägerin auf das von ihr eingeholte Schadengutachten nicht vertrauen konnte. Denn der Vertrauensschutz des Geschädigten erstreckt sich grundsätzlich nicht darauf, dass die von dem Schadengutachter bei der Schadensermittlung berücksichtigten Schäden unfallbedingt entstanden sind. Darauf, ob das Schadengutachten eine taugliche Dispositionsgrundlage bildet, kam es hier aber nicht an.
Der Geschädigte kann den tatsächlich entstandenen Reparaturaufwand ersetzt verlangen, wenn es ihm gelingt, die Reparatur innerhalb der 130%-Grenze fachgerecht und in einem Umfang durchzuführen, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat, um es nach der Reparatur weiter zu benutzen (Anschluss BGH, Urt. v. 16.11.2021 - VI ZR 100/20). Dies gilt auch dann, wenn das vorgerichtliche Schadengutachten den Unfallschaden infolge der Mitberücksichtigung von Vorschäden unzutreffend abbildet und sich die für den Kostenvergleich maßgeblichen Werte erst nachträglich im gerichtlichen Verfahren ergeben. Bei der Prüfung, ob der tatsächlich entstandene Reparaturaufwand den Wiederbeschaffungswert um weniger als 130 % übersteigt, sind Reparaturkosten, die unfallunabhängige Schäden betreffen, nicht zu berücksichtigen.
Aufsatz:
Peter Reusch
VersR REPORT: Ausgewählte neue Rechtsprechung zur Sachversicherung
VersR 2025, 463
Beratermodul VersR - Zeitschrift für Versicherungsrecht
Otto Schmidt Answers optional dazu buchen und die KI 4 Wochen gratis nutzen! Die Answers-Lizenz gilt für alle Answers-fähigen Module, die Sie im Abo oder im Test nutzen. Mit dem Beratermodul VersR haben Sie Zugriff auf das Archiv der Zeitschrift VersR seit 1970 mit jeweils 24 Ausgaben pro Jahr. 4 Wochen gratis nutzen!