14.09.2022

Versorgungsausgleich: Grundrente kein auszugleichendes Anrecht

Das Anrecht aus §§ 76g, 97a SGB VI (Grundrente) ist kein nach § 2 VersAusglG auszugleichendes Anrecht. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 2 S. 1 Nrn. 1 und 2 FamFG zuzulassen, weil die vorliegende Rechtssache grundlegende Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Hinblick auf die Frage, ob der Ausgleich der Entgeltpunkte für langjährige Versicherung (Grundrente) nach § 2 VersAusglG stattfindet, einer höchstrichterlichen Klärung bedarf.

OLG Frankfurt a.M. v. 21.7.2022 - 6 UF 108/22
Der Sachverhalt:
Die 1996 geschlossene Ehe der 1964 geborenen Antragstellerin und des 1967 geborenen Antragsgegners wurde im März 2022 geschieden. Der Versorgungsausgleich wurde durchgeführt. Die Antragstellerin hat bei der Beschwerdeführerin ein Anrecht i.H.v. 13,3039 Entgeltpunkten erworben. Die Beschwerdeführerin hat vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 6,6520 Entgeltpunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert beträgt 51.397,52 €. Daneben hat die Antragstellerin einen Zuschlag an Entgeltpunkten - Entgeltpunkte für langjährige Versicherung (Grundrente) erworben.

Die Beschwerdeführerin hatte in ihrer zunächst erteilten Auskunft vom 20.1.2022 die Entgeltpunkte für langjährige Versicherung (Grundrente) i.H.v. 0,3686 Entgeltpunkte und einen Ausgleichswert von 0,1843 Entgeltpunkten bei einem Kapitalwert von 1.424,02 € angegeben. Mit Schreiben vom 22.3.2022 wurde eine neue Auskunft erteilt. Die Beschwerdeführerin teilte mit, dass die Entgeltpunkte für langjährige Versicherung (Grundrente) 0,4462 Entgeltpunkte bei einem Ausgleichswert von 0,2231 Entgeltpunkten und einem Kapitalwert von 1.723,81 € betragen.

Das AG hat auf Grundlage der ersten Auskunft zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin im Wege der internen Teilung zu Gunsten des Antragsgegners ein Anrecht i.H.v. insgesamt 6,8363 Entgeltpunkten übertragen. Der Antragsgegner hat bei der Deutsche Rentenversicherung Hessen ein Anrecht i.H.v. 28,4504 Entgeltpunkten erworben. Die Deutsche Rentenversicherung Hessen hat vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 14,2252 Entgeltpunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert beträgt 109.912,80 €. Das AG hat das Anrecht nach Maßgabe der Auskunft intern geteilt.

Gegen den ihr am 30.3.2022 zugestellten Beschluss hat die Deutsche Rentenversicherung Hessen Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, den Versorgungsausgleich nach der geänderten Auskunft den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen entsprechend durchzuführen. Das OLG hat daraufhin die Entscheidung der Vorinstanz abgeändert. Allerdings wurde die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Die Gründe:
Der Ausgleich der Entgeltpunkte ist durch interne Teilung nach § 10 Abs. 1 VersAusglG durchzuführen. Entsprechend der insoweit unveränderten Auskunft der Beschwerdeführerin sind zu Lasten der Antragstellerin 6,6520 Entgeltpunkte auf das Konto des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Hessen bezogen auf den 30.9.2021 zu übertragen. Davon getrennt ist der Ausgleich des von der Antragstellerin bei der Beschwerdeführerin erworbene Anrecht aus § 76g SGB VI - Entgeltpunkte für langjährige Versicherung (Grundrente) gemäß der neuen Auskunft der Beschwerdeführerin vom 22.3.2022 zu prüfen.

Entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung hat die Prüfung des Zuschlags nach § 76g SGB VI - Entgeltpunkte für langjährige Versicherung (Grundrente) - dabei separat von dem Ausgleich der Entgeltpunkte zu erfolgen. Grundrentenentgeltpunkte dürfen auch bei der rentenrechtlichen Umsetzung nicht mit den übrigen Entgeltpunkten zusammengerechnet werden, da diese wegen der Einkommensanrechnung gem. § 97a SGBVI nicht generell zu einer Rentenleistung führen. Es liegen keine Anrechte gleicher Art i.S.v. § 10 Abs. 2 S. 1 VersAusglG vor (Bachmann/Borth, FamRZ 2020, 1609, 1612).

Das Anrecht aus § 76g SGB VI - Entgeltpunkte für langjährige Versicherung (Grundrente) - ist jedoch nicht auszugleichen. Der Zuschlag nach § 76g SGB VI ist kein auszugleichendes Anrecht nach § 2 Abs. 2 VersAusglG. Dies ergibt sich aus der Auslegung der einzelnen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 VersAusglG und einer Gesamtinteressenabwägung unter Berücksichtigung der Ausgestaltung der Rechtsgrundlage in §§ 76g, 97a SGB VI und den der Zwecksetzung des § 97a SGB VI entgegenstehenden Folgen in Fällen des nach §§ 19 Abs. 2, 4 VersAusglG gebotenen Ausgleichs nach §§ 20 ff. VersAusglG.

Der Zuschlag nach § 76g SGB VI ist ein Anrecht i.S.d. VersAusglG, weil es Teil der in § 2 Abs. 1 VersAusglG beispielhaft genannten Regelsicherungssysteme in Form der gesetzlichen Rentenversicherung ist. Er erfüllt aber nicht die in Absatz 2 der Vorschrift definierten qualitativen Voraussetzungen, unter denen ein Anrecht dem Versorgungsausgleich unterliegt und die sämtlich erfüllt sein müssen. Nach § 2 Abs. 2 VersAusglG ist ein Anrecht auszugleichen, sofern es durch Arbeit oder Vermögen geschaffen oder aufrechterhalten worden ist (Nr. 1), der Absicherung im Alter oder bei Invalidität, insbesondere wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Berufsunfähigkeit oder Dienstunfähigkeit, dient (Nr. 2) und auf eine Rente gerichtet ist; ein Anrecht im Sinne des Betriebsrentengesetzes oder des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes ist unabhängig von der Leistungsform auszugleichen (Nr. 3).

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 2 S. 1 Nrn. 1 und 2 FamFG zuzulassen, weil die vorliegende Rechtssache grundlegende Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Hinblick auf die Frage, ob der Ausgleich der Entgeltpunkte für langjährige Versicherung (Grundrente) nach § 2 VersAusglG stattfindet, einer höchstrichterlichen Klärung bedarf.

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